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A
Beautiful Mind
A
Beautiful Mind,
soeben achtfach oscarnominiert, ist ein industriell gefertigtes Produkt hoher
Qualität. Oder was die Industrie namens Hollywood eben für hohe Qualität
hält. Genau das, die mit Stumpf und Stiel verinnerlichten Maßstäbe,
die da gelten, stellt der Film auf so herrliche Weise bar jeder Selbstreflexion
aus, dass man ihn zukünftigen Hochschulseminaren nur wärmstens empfehlen
kann.
Erst
einmal: kaum etwas an A
Beautiful Mind
ist schlecht oder misslungen auf die Weise, auf die etwa Schiffsmeldungen
ein durch und durch missratener und ärgerlicher Film ist. Die Dialoge sind
intelligent, die Inszenierung ist auf zurückhaltende Weise auf den Effekt
der Überwältigung durch Nicht-Überwältigung angelegt. Russel
Crowes Spiel geht zwar gelegentlich schrecklich auf die Nerven, ist aber wiederum
haargenau das, was in einem solchen Film von ihm erwartet wird. Das Ende, an
dem einem das Herz sentimental geknickt, gefaltet und in den Schrank gelegt
werden soll, ist, natürlich, unerträglich, aber auf so paradigmatische,
ja so authentische Weise Hollywood, dass einen genau das fast schon wieder rühren
kann.
Erzählt
wird eine höchst moralische Geschichte vom jungen Mathematik-Genie, dessen
Hauptproblem es ist: er hält sich dafür. Dieser junge Mann ist arrogant.
Eigentlich geht es A
Beautiful Mind
um nichts anderes, als John Nash ein anständiges demokratisches Bewusstsein
von persönlicher Bescheidenheit einzubimsen. Dafür wird er in die
tiefsten Tiefen des Unglücks geführt, vor den Augen des Zuschauers
zerkrümelt, gedemütigt und elektroschockbehandelt. Als er nach dieser
an Leib und Seele erfahrenen Erkenntnis, von der Frau an seiner Seite in unerschütterlicher
Liebe geleitet, zurückkehrt an den Ort, an dem er seine Arroganz ausgestellt
hatte, ins Klassenzimmer, setzt er sich bescheiden in die hintere Reihe. Jetzt,
und erst jetzt, ist er reif für den Nobelpreis. Der Satz, den er zu Beginn
gesagt hat: "Ich bin sicher, dass der Unterricht ihre und vor allem, was
unendlich viel wichtiger ist, meine Zeit verschwendet." Für diesen
Satz lässt ihn der Film büßen. Und dieser Satz ist es, der DIE
FRAU an ihn ketten wird, deren leiser Trotz sich, wie sich das gehört,
in bedingungslose Unterstützung verwandelt.
Man
sieht A
Beautiful Mind
eine ganze Weile an, was aus dem Film in den Händen von, sagen wir, David
Fincher hätte werden können. Ein Trip in ein Wahnsystem, der dem Betrachter
den Boden unter den Füßen wegzieht, der ihn narrt, der ihm den Horror
zumutet, sich mit dem Blick des Wahnsinnigen zu identifizieren. Andererseits:
Wie hier mit der größten Selbstverständlichkeit der Wahn als
cleanes Hollywoodbild dargestellt wird, das ist in sich schon wieder ein reichlich
komplexer Sachverhalt. Wie, in einem selbst schon fast pathologischen Reinlichkeitswahn,
alles unternommen wird, den Betrachter keinesfalls zu verstören. Und dieser
Glaube an die Vernunft, diese spießbürgerlichen Anbetung des - bescheiden
gewordenen - Genies, diese Rücksichten auf Darstellbarkeit, die immer und
immer wieder nicht anders können, als das Unverständliche dem Betrachter
doch nahe bringen zu wollen: hier, auch das in seiner Direktheit wieder ganz
exemplarisch, in Gestalt von fünf Frauen, die John Nash schnurstracks in
Theorie verwandelt. Wer die Frau verschmäht und stattdessen lieber denkt:
der muss ein Genie sein und ein Wahnsinniger.
Ekkehard
Knörer
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
A
Beautiful Mind - Genie und Wahnsinn
USA
2001 - Regie: Ron Howard - Darsteller: Russell Crowe, Ed Harris, Jennifer Connelly,
Christopher Plummer, Paul Bettany, Adam Goldberg, Josh Lucas, Vivien Cardone,
Anthony Rapp - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge:
124 min. - Start: 28.2.2002
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