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A
Hen in the Wind
Abwesend
wieder: ein Vater und Ehemann, Tokiko muss sich kurz nach dem Krieg alleine
durchschlagen, ihr Mann ist noch nicht aus der Gefangenschaft zurückgekehrt.
Sie lebt in noch halb zerstörter Vorstadt, visuelles Leitmotiv ein riesiges
Gasometer, auf der Brache darum herum Eisenteile, scharfkantig, nutzlos, noch
ist nicht wieder aufgeräumt. Hiroshi, der kleine Sohn, wird krank, lebensgefährlich,
Tokiko bringt ihn zum Arzt, bezahlen kann sie die Behandlung nicht. Sie geht
ins Bordell, verkauft sich dieses eine Mal und erzählt es nicht einmal
ihrer besten Freundin (die zuvor den Kontakt hergestellt hatte: zuerst hat,
durch ihre Vermittlung, Orie, die Puffmutter, nur Tokikos Kimono verhökert.)
Der
Ehemann kehrt, einen Monat später, zurück. Sie erzählt ihm, obwohl
sie es nicht vorhatte, was geschehen ist. Ozu schneidet an einer charakteristischen
Stelle nicht als Schuss und Gegenschuss, sondern, im Bruch der Perspektiven-
und Montage-Konvention, Rücken an Rücken. Es gelingt dem Mann nicht,
der Frau ins Gesicht zu sehen, sich nur ihr zuzuwenden. Er steht unter Schock,
er will alles ganz genau wissen, er sucht das Bordell auf und spricht mit einer
anderen Frau, die sich prostituiert. Ich habe keine andere Wahl, sagt sie, muss
meine Familie am Leben halten. Er verspricht ihr, er wird ihr einen ehrlichen
Job verschaffen. Seinem Freund sagt er: Ich habe Tokiko verziehen, sie hatte
keine andere Wahl, aber beim Gedanken an das, was sie getan hat, zittert mein
Körper.
Seltsame
Übertragung: die Demütigung der Frau, die schweigt und das Geschehene
in sich schließt, bricht am Ehemann als traumatische Reaktion aus und
wendet sich gegen die Frau zurück. Er kehrt, eine Nacht lang war er weg,
zurück ins Zimmer, in dem sie, zu dritt, zur Untermiete leben. Noch immer
sieht er ihr nicht ins Gesicht, er will gehen, sie klammert sich an ihn, fleht
ihn an: beschimpfe mich, schlage mich, aber weine nicht, aber geh' nicht. Er
stößt sie von sich, sie stürzt die Treppe - aus vielen Einstellungen
zuvor eines der visuellen Leitmotive des Films - hinunter, liegt gekrümmt,
bewusstlos da. Sie ist ein zweites Mal gefallen, rappelt sich unter Schmerzen
auf, quält sich wieder nach oben. In dieser nach außen gewendeten,
bei aller Brutalität symbolischen Wiederholung ist der Schock überwunden.
Er: Wir müssen vergessen, wir müssen uns der Zukunft zuwenden.
Ein
in sich ganz überzeugender Film, ein Porträt einer zerschlagenen Nachkriegsgesellschaft,
ironische Kontraste inklusive: hier die Brachlandschaft voller nicht weg geräumter
Trümmer, eingefallene Häuser, Straßen, denen der Krieg noch
ins Gesicht geschrieben steht - dann aber wird, im Hintergrund einer bitteren
Unterredung des Ehemannes mit seinem Freund, getanzt, man sieht, klein, verschwommen,
die entspannten Körper hinter Glasscheiben. Irritierend ist freilich, zu
welcher allegorischen Lesart man hier eingeladen wird: der Krieg, der Bund mit
den Nazis, ein Sündenfall aus Notwendigkeit, dem nur durch das entschlossene
Vergessen zu entkommen ist.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Kaze
no naka no mendori
Japan
1948
Regie:
Yasujiro Ozu
Drehbuch:
Yasujiro Ozu, Ryosuke Saito
Darsteller:
Hohi
Aoki
Chiyoko
Ayatani .... Fusako Onada
Reiko
Mizukami .... Orie Noma
Chieko
Murata .... Akiko Ida
Chishu
Ryu .... Kazuichiro Satake
Takeshi
Sakamoto .... Hikozo Sakai
Shuji
Sano .... Shuichi Amamiya
Eiko
Takamatsu .... Tsune
Kinuyo
Tanaka .... Tokiko
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