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Die
Akte Jane
Schreiende
Ausbilder, schwitzende Soldaten, explodierende Blendgranaten. Gebell aus Megaphonen
und Hubschrauberrotoren, Essen fassen aus Abfallkübeln. Drill bis zur Bewußtlosigkeit,
Erniedrigung, die an Selbstaufgabe grenzt, bedingungsloser Gehorsam. Keine Frage,
wir sind in einem amerikanischen Armee-Film. Solche Filme sind für sensible
Zuschauer schon des Lärms wegen physisch eine Zumutung. Psychisch auch,
denn oft geht es hart zu und gemein. Meist handeln Filme dieser Art von Außenseitern,
die sich einpassen müssen, handeln also auch von Gemeinschaft, Opferbereitschaft,
(Selbst-)Disziplin. Und natürlich von Männlichkeit. Zu erwarten ist
also, daß es irgendwann mal auch eine Frau erwischt.
Doch
ist DIE AKTE JANE in dieser Hinsicht keine Premiere: 1980 z.B. hatte Howard
Zieff Goldie Hawn zu den Fallschirmspringern geschickt (PRIVATE BENJAMIN). Waren
Frauen damals in der Army noch Stoff für Klamauk, hat das Thema an Aktualität
und Brisanz gewonnen, ist heute bitterernst. Statt Goldie steckt die toughe
Demi Moore in der Uniform, und für die Regie zeichnet Ridley Scott verantwortlich.
Das macht neugierig, schließlich gilt Scott auch fast zwei Jahrzehnte
nach ALIEN und
vier Filme nach THELMA UND LOUISE irgendwie immer noch als „Frauenregisseur",
auch wenn sich schon das Seglerdrama WHITE SQUALL (1996) eigentlich nur noch
um eins kümmerte: Wie aus Jungs richtige Männer werden.
Und
wie aus Frauen? G.I. JANE verbindet eine weibliche Version des Rekrutenfilms
mit einer Washington-Intrige. Eine Offizierin, die bisher als Marine-Spezialistin
im Büro Computerbilder analysierte, kommt durch die Initiative einer pseudofeministischen
Senatorin als Vorzeigeweib in eine Eliteausbildungseinheit. Die Senatorin braucht
die Soldatin Jordan (Demi Moore) zur Profilierung. Jordan allerdings will nur
eine gute Soldatin sein. Man sieht also schreiende Ausbilder, schwitzende Soldaten.
Die Jungs begrüßen Jordan mit chauvinistischen Sprüchen, und
natürlich gibt es auch den sadistischen Ausbilder.
Doch
die Fronten, die DIE AKTE JANE konstruiert, liegen nicht zwischen Jordan und
ihren
Co-Soldaten,
zwischen Menschenwürde und Corpsgeist, sondern zwischen dem Camp und Washington.
Der Effekt ist billig: Während auf dem Kasernenhof der Gefechtslärm
dröhnt, amüsiert man sich dort zu Mozartklängen, während
hier ehrlich gekämpft und gelitten wird, bastelt man dort an faulen Intrigen.
Politikerinnen, besonders solche, die sich feministisch geben. sind gefährliche
Biester, während es beim Militär zwar hart, aber potentiell gerecht
zuoeht. Daß Jordan dann nicht etwa über sexuelle Übergriffe
(in der Realität Problem Nr. 1 für Soldatinnen) stolpert, sondern
ausgerechnet über den, selbstverständlich nicht zutreffenden, Vorwurf
der Homosexualität, erscheint da konsequent. Jordan kämpft um ihre
uramerikanischen Gerechtigkeitsvorstellungen mit fanatischem Eifer. Gleiche
Voraussetzungen für alle. Bloß kein Frauenbonus.
Es
gibt zwei zentrale Szenen in diesem Film. In einer bricht die Rekrutin Jordan
O'Neil nachts in einen Frisiershop auf dem Kasernengelände ein, um sich
den Kopf kahlzuscheren. In der anderen endet ein Zweikampf mit ihrem Ausbilder
und Peiniger unter dem Beifall der umstehenden Jungs damit, daß sie ihm
ein „Suck my dick" entgegenschleudert. Akte des Aufbegehrens, die ausgestellt
werden, und die doch zugleich Akte der Anpassung und der Unterwerfung sind,
symptomatisch für einen Film, der die Selbstverwirklichung auf seine Fahnen
geschrieben hat, aber im Grunde nur eines vertritt: Unterwerfung unter das Gebot
zu Höchstleistung und Männlichkeit. Emanzipation, die doch einmal
auch Befreiung bedeutete, heißt hier nur noch eines: „To be better than
the boys". „Ich hoffe, daß dieser Film Frauen inner- und außerhalb
des Militärs dazu veranlaßt, frei von Angst und ohne alle Hemmungen
ihr Leben zu gestalten - das reichhaltiger sein kann als sie ahnen", sagt
die Produzentin. Klingt gut. Wenn aber am Schluß schnell mal ein paar
Libyer ihr Leben lassen müssen: Täten ein paar Hemmungen ab und zu
nicht doch ganz gut?
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Die
Akte Jane
G.I.
JANE
USA
1997. R: Ridley Scott. B: David Twohy, Danielle Alexandra. P: Ridley Scott,
Demi Moore, Roger Birnbaum, Suzanne Todd. K:
Hugh Johnson. Sch:
Pietro Scalia. M:
Trevor Jenes. A:
Arthur Max. Ko: Marilyn Vance. Pg: Hollywood/Moving Pictures/Scott Free/Trap-Two-Zero.
U
:Buena Vista.: L: 125 Min. St: 26.2.1998. 0: Demi Moore (Jordan), Viggo Mortensen
(John Urgayle), Jason Beghe (Royce), Scott Wilson (C.O. Salem), Anne Bancroft
(Senatorin Lillian DeHavey, Lucinda Jenney (Blendet), Morris Chestnut (McCool),
Jash Hopkins (Flea).
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