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Alien

 

Der todbringende 8. Passagier

 

Alle Jahre wieder erblickt ein Film das Licht der Kinowelt, der alles zuvor gesehene in den Schatten stellt, neue Maßstäbe setzt und vielleicht sogar ein neues (Sub-)Genre kreiert. Eine Flut von gutgemachten Plagiaten und seelenlosen Clones ist die Folge. Oft sieht man dann einen Film und wird unweigerlich an das Original erinnert, leider sogar oft bis zum mehr als offensichtlichen Ende, da ideenlos der bereits hinlänglich bekannte Handlungsstrang kopiert wird.

 

Die Location sollte möglichst folgendes Kriterium erfüllen:

 

ein von der Außenwelt abgeschotteter Ort (Hilfe von außen ist unmöglich bzw. für einen bestimten Zeitraum nicht)

 

Es ist dabei unwichtig, ob es sich nun um ein Raumschiff - Lichtjahre von der Erde entfernt -, eine Forschungsstation in der Antarktis (jwd) oder um eine Unterwasserbasis handelt, die von dort aus Edelmetallabbau betreibt.

 

Eine Gruppe, meistens ein zusammengewürfelter Haufen von etwa 7 Leuten (inklusive eines “Alibi-Negers”), muß, auf sich alleingestellt, gegen einen unbesiegbar scheinenden Gegner antreten und ums Überleben kämpfen, auch wenn man sowieso weiß, daß am Ende in bester “10-kleine-Negerlein-Manier” nur ein oder - optimistischer endend - zwei Personen gerettet werden.

 

 

Die Mutter dieser Filme ist zweifellos “Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt”. Als er 1979 in die Kinos kam, sorgte er für Aufsehen. Konnte er sich doch problemlos durch seinen düsteren Inszenierungsstil von der damaligen SF-Film-Konkurrenz der Endsiebziger unterscheiden und bot daher einen Extremkontrast zu “Star Wars”, “Star Trek”, “Die unheimliche Begegnung der 3. Art”, “Superman”, “Das schwarze Loch” usw, die sehr kindgerecht gehalten waren und sich daher auch nicht mit Ängsten - wenn überhaupt - in solch drastischer Form befassten.

 

In “Alien” zelebriert Ridley Scott förmlich die perfide Angst vor dem Unbekannten und läßt sie in Form einer aus den schlimmsten Alpträumen emporgestiegenen monströsen, schier unbesiegbaren Kreatur, auf eine verängstigte, hilflose Crew los und jagt sie durch ein Labyrinth der Ausweglosigkeit.

 

Von dieser Grundkonstellation und den darin liegenden Möglichkeiten war Scott von Anfang an begeistert:

 

“´Alien` kam für mich aus dem Nichts. Ich glaube, es war vorher von 6 anderen Regisseuren abgelehnt worden. Ihr Pech. Ich war von der Einfachheit der Story fast erschlagen, von der Energie und dem Tempo der Geschichte. Der Thriller-Effekt sprang geradezu aus den Seiten.”

 

Nach dem Motto “weniger ist mehr” erweist es sich als genialer Schachzug, daß Scott die Bestie während des ganzen Films eigentlich nur 4x kurz zeigt, womit er den vom Film ausgehenden Horror gekonnt verstärkt, weil er der Phantasie des Zuschauers genügend Raum läßt. Dadurch wird das Monster mit der gewollten Aura des Fremdartigen, Rätselhaften versehen, es bleibt mystisch-diffus, der irrationalen Furcht wird sperrangelweit Einlaß geboten, dies macht die Panik der Crew-Mitglieder mehr als verständlich.

 

Scott´s Intention, daß “’Alien’ wie ein Nagel sein sollte, der in deinen Kopf geschlagen wird”, läßt sich wohl anhand einer Szene besonders leicht manifestieren, besonders im Umgang mit den Schauspielern:

 

Die Szene, in der Kane´s Bruskorb aufplatzt und das Alien-Embryo entflieht, wurde den Darstellern zuvor auf den ihn gegebenen Drehbuchseiten verschwiegen. So platzierten sie bei John Hurt am Brustkorb einen mit Blut, Fleisch und Knochen gefüllten Plastikbeutel und ließen ihn “explodieren”.

Scott wollte ganz bewußt die Unkenntnis der Schauspieler mit der Kamera einfangen, um somit den wirklichen Ekel und den Schock der Crewmitglieder aufs Zelluloid zu bannen. Die Reaktion der Darsteller war dann auch entsprechend...

 

Zudem gewinnt der Film durch die - damals - ungewohnte Besetzung einer Frau in der Rolle des Helden an zusätzlichem Reiz. Sowieso setzt Scott dem von Männerklischees durchdrungenen Horrorgenre eine erfrischende Betonung des Weiblichen entgegen. Da ist es auch nicht verwunderlich, daß der aus einigen SF-Filmen bereits bekannte Bordcomputer nicht nur eine Frauenstimme hat (wie z.B. in “Dark Star”), sondern auch noch sinnigerweise “Mutter” genannt wird.

 

Ein weiterer Pluspunkt ist das Design des Aliens von dem schweizer Maler H.R. Giger. Als Scott in dem Bildband “Necronomicon” von Giger ein Gemälde mit dem Titel “Necronom IV” aus dem Jahr 1976 sah, war ihm sofort klar, daß er mit Giger genau die richtige Person gefunden hatte um sein Projekt zu realisieren. Aber nicht nur für den Entwurf der Bestie zeichnete Giger verantwortlich, er erschuf auch die bedrohliche Welt des Heimatplaneten der Aliens: So läßt z.B. der von skelettähnlichen Strukturen nur so durchsetzte Frachter eindeutig die Handschrift Giger´s erkennen.

 

Ohne seinen künstlerischen Beitrag hätte der Film wahrscheinlich die von ihm ausgehende, unter die Haut gehende Atmosphäre nie in dieser Intensität erreicht.

 

 

“Alien” ist ein immer noch seinesgleichen suchender Meilenstein des Horrorfilms, er schuf wohl ein neues Sub-Genre, daß des “SF-Horror”.

 

Oft ließen die unzähligen Nachfolger durch das übermäßige Zeigen der Kreatur oder das Überbetonen der Splattereffekte gerade die subtilen Stärken von Scott´s Pendant vermissen. Dadurch schufen sie eine vordergründige Abfolge von Gewalt, die immer mehr zum Selbstzweck wird, die hintergründigen Komponenten von Scott´s “Alien” - Angst oder Sexualität - bleiben vollends unangetastet.

 

Auch wenn ich mir jetzt widerspreche, so finde ich “Aliens - Die Rückkehr”, trotz seines vordergründigeren Horrors und der im Vergleich zu Scott´s und Giger´s künstlerisch-brillanten Arbeit dem eigentlich nichts entgegenzusetzen hat, einen “Hauch” besser. Ich kann es einfach nicht rational erklären, ebensowenig wie bei der rational nicht erklärbaren Angst...

 

Der Mut der Produzenten - selten genug, daher erwähnenswert - Ridley Scott als Regisseur zu wählen, ist erstaunlich, da er zuvor als Regisseur von über 2000 Werbeclips tätig, erst einen Spielfilm gedreht hatte und zwar die Adaption des Jospeh Conrad Romans “Die Duellisten” (OT: The Duel). (Interessanterweise hat das Raumschiff “Nostromo” den gleichen Namen wie ein Buch von Joseph Conrad)

Mit diesem Film hatte er zwar in Cannes einen Preis gewonnen, aber daß dies ein ideales Entree für den 10 Millionen Dollar teuren “Alien” wäre, hätte man wirklich nicht unbedingt erwarten können. Vielleicht war es aber auch ganz einfach nur pure Verzweiflung der Produzenten...

 

Oscar für Visual Effects und Oscar-Nominierung für Art-Direction

 

(In Anlehnung an das Klischee des "Alibi-Neger´s": Zuletzt wurde in "Scream 2" mit "Und übrigens leben Schwarze in solchen Situationen nicht lange" oder in "Deep Blue Sea" mit dem Spruch "Der Schwarze kommt nie lebend aus so einer Geschichte raus" bewußt sich über dieses Klischee lustiggemacht.)

 

Transpluto

 

Transpluto-Wertung: 9,25 

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei: ciao.de

 

Zu "Alien" gibts im archiv der filmzentrale mehrere Texte

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Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt

(OT: ALIEN); GB / USA 1979, 116 min., FSK16; Horrorfilm, Science-Fiction-Film

 

Cast:

 

Sigourney Weaver (Ripley), Tom Skerritt (Dallas), Veronica Cartwright (Lambert), John Hurt (Kane), Harry Dean Stanton (Brett), Ian Holm (Ash), Yaphet Kotto (Parker)

 

Credits:

 

Produktionsfirma: 20th Century Fox

Produktion: Gordon Carroll, David Giler, Walter Hill

Regie: Ridley Scott

Buch: Dan O'Bannon + Ronald Shusett

Kamera: Derek Vanlint

Musik: Jerry Goldsmith

Schnitt: Terry Rawlings + Peter Weatherley

Special Effects: David Watkins, Phil Knowles, Roger Nichols, Denis Lowe, Neil Swan, Guy Hudson, Carlo Rambaldi, Bernard Lodge

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