American Beauty Sam Mendes USA 1999
In guter Erinnerung haben wir " The Icestorm" von Ang Lee.
Thema des Films ist der schale Nachgeschmack
heruntergewirtschafteter Hippieideale, die klaustrophobische
Enge amerikanischer Vorortheimeligkeit und die flauseligen
Nöte pubertierender Hirne. Die Stärke dieses Werkes besteht im
Balancehalten zwischen opportuner Belustigung auf Kosten der
Porträtierten und ironiefreiem Interesse am Scheitern ihrer
Lebensentwürfe. "The Icestorm" war an keiner einzigen Stelle
altklug.
"American Beauty" nun, das Filmregiedebut eines Theatermannes
namens Sam Mendes, widmet sich den gleichen Themen aus
ungleich selbstzufriedenerer Perspektive. Bereits der
Filmanfang markiert die des Erzählers: Die Kamera nimmt uns im
Segelflug mit über die Dächer einer beängstigend gepflegten
Vorstadtidylle, die raunende Männerstimme im Off verrät: was
folgen wird ist Rückblende, Rückschau auf das letzte
Lebensjahr des Sprechers. Der uns sein biographisches
Schlußkapitel derart natürlich aus der bequem resümierenden
Position des Verstorbenen ausbreiten kann.
Also: verlogener Familienterror: Papas Tageshöhepunkt ist das
Morgenwichsen unter der Dusche, Mama ist erfolglose
Immobilienmaklerin und wienert zuerst fremdes Küchenfett und
dann die eigene Gesichtsschabracke, die Tochter weiß schon
überhaupt nicht mehr, wen von beiden sie hassenswerter findet und flüchtet in Lethargie.
Weil das kein Film lange mitmacht, folgt ein kollektives
Coming Out: Mama bumst die Immobilienkonkurrenz, Papa würde
gern Töchterchens Klassenkameradin bumsen und bekommt statt
dessen die Zunge des homophoben US-Marine-Nazi-Nachbarn in den
Rachen gesteckt und die Tochter schließlich hilft sich selbst
und dem angeknacksten Camcorderjunkie vom Haus nebenan mit
einer gehörigen Portion Exhibitionsmus hinein ins echte Leben.
Die Fassade bröckelt, es lebe - ja, was eigentlich?
"American Beauty" möchte einer Heuchelei den Spiegel
vorhalten, das Werkzeug ist Ironie, der Film also
Gesellschaftssatire. Allein, es fehlt der Mut, diese Ironie
auch für und an sich selbst geltend zu machen. Die Klischees,
die uns vorgeführt werden, stehen von jeher auf der
Abschußliste jeder noch so mittelprächtigen Kabarettnummer,
das ist weder originell, noch mutig. Richtig blöd wird
"American Beauty" in den Momenten, in denen uns, quasi als
Ersatz der genüßlich demontierten, noch viel verlogenere
Klischees aufgetischt werden. Die entgehen der Demontage dann
selbstverständlich: Da ist Papa endlich am Ziel, die begehrte
Lolita räkelt sich halbnackert auf dem Sofa und er - zieht den
Schwanz ein, aus Ehrfurcht vor so viel Jungfräulichkeit. Da
sammelt der Armyrentner Naziporzellan, schlägt seinen Sohn
halbtot, zerstört seine Frau und ist auch sonst ein rechtes
Schwein - weil er leider, leider zu spät gemerkt hat, wie
schwul er ist. Da wird das Leichte, das Atmosphärische, das
Film manchmal auch sein kann, in Bilder gepresst vom
poetischen Niveau - sagen wir mal: Linda deMol meets Naddel.
Über den kunsthandwerklichen Schund hinaus hat man die
Perspektive eines senilen Chauvinismus und berechnet zynische
Schenkelklopfer zu ertragen und dafür sind wir uns wirklich zu
schade.
Urs Richter
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.