zur
startseite
zum
archiv
American
Beauty
Sam
Mendes' Version des neuen amerikanischen Familienfilms
Sam
Mendes' Erstlingsfilm hat in den USA große Zustimmung gefunden. AMERICAN
BEAUTY ist auch einer der Favoriten für die Golden Globes und die Oscars.
Aber nicht alle Kritiker stimmen in diese Lobeshymnen ein.
Die
Kernfamilie ist in einem schlechten Zustand. Vater: Lester Burnhams (Kevin Spacey)
einziger Höhepunkt des Tages besteht aus dem morgendlichen Onanieren unter
der Dusche. Mutter: Carolyn Burnham (Annette Bening) versucht verzweifelt, Häuser
zu verkaufen. Kind: Jane Burnham (Thora Birch) langweilt sich zu Tode und verachtet
ihre Eltern. Sie leben zusammen im wirtschaftlich unbedrohten amerikanischen
Siedlungs-Mittelstand; dem Ort also, der seit ungefähr zwei Jahren den
Fokus des neuen US-Familienfilms bildet, dessen letzte Beiträge Happiness
und Tief
wie der Ozean
waren.
Und
so wie Lester eines Nachts keinerlei schamhafte Reaktionen mehr zeigt, als Carolyn
ihn onanierend im Ehebett ertappt, so überraschend zügig werden die
Brüche innerhalb der Familie nach außen gekehrt. Lester kündigt
seinen Werbe-Job, zwingt seinen Boss zu einer gepfefferten Abfindung, verguckt
sich in die blonde Cheer-Leader-Freundin (Mena Suvary) seiner Tochter und kehrt
zurück zu den Träumen seiner Jugend. Mitsamt Pink Floyd, einem roten
Sportwagen und Joints, mit denen er von dem neuen Nachbarsjungen Ricky (Wes
Brentley) versorgt wird. Carolyn stürzt sich in eine Affäre mit dem
Gott der Immobilienmakler (Peter Gallagher) und tobt sich mit Handfeuerwaffen
aus. Jane verliebt sich in Ricky und plant mit ihm, den verhassten Vater umzubringen.
"I need a father as a role model, not some horny geek boy."
Der
ist bereits tot, denn die ganze Geschichte wird gleichsam rückblickend
erzählt - eingeleitet mit den Worten: "My name is Lester Burnham.
This is my neighbourhood, this is my street, this is my life.
I am 42 years old and in six month' I am already dead."
Bis
er - mit einem Lächeln auf den Lippen in einer dekorativen Blutlache -
das Zeitliche segnet, wird es bei allen Familienmitgliedern um Ausbrüche
aus ihrem Leben gehen. Von Träumen wird viel zu sehen und zu reden sein,
von enttäuschten Erwartungen, von verhinderten und sich befreit wähnenden
Lebenskonzepten, die sich in ihren Grenzen begegnen. Gut sieht das aus, zum
Aufbruch im roten Pontiac ertönte die richtige Musiknummer, das Type-Casting
stimmt, es gibt eine Menge zu lachen, niemand wird dabei zum endgültigen
Opfer eines billigen Gags und niemand in seinem/ihren Wollen so abgründig,
dass es den Konsens der Selbstverwirklichung und also das Verständnis gefährden
könnte. Kenner werden dem Theater-Regiestar und Film-Debütanten Sam
Mendes bescheinigen, dass sein Film glänzend funktioniert, und das wird
nicht gelogen sein.
Warum
ich mich dennoch nachträglich immer mehr über American
Beauty
geärgert habe, hat mit dieser Qualität, dem Funktionieren, zu tun
und mit dem Preis, den die Möglichkeiten dieses Films und seines Sujets
dafür zahlen müssen. Verkürzt gesagt waren Filme wie Eissturm,
Tausend
Morgen,
Der
Gejagte und
Tief
wie der Ozean
deshalb so großartig, weil sie mit den Mitteln des Melodrams einen Blick
auf die Familie warfen, der genau das auf ungemein kluge Art vermied, was so
leicht mit und in Familien in- und außerhalb des Kinos geschieht: stereotype
Rollen, klischierte Figuren, mangelnder Respekt, fehlende Aufmerksamkeit. Was
diese Filme schufen, war die Verflechtung von Einfachheit und einer Komplexität,
die tatsächlich tief wie der Ozean war.
American
Beauty
baut auf diese Bewegung auf, ohne sie wirklich verstanden zu haben. Er will
funktionieren, auf keinen Fall verstören und revitalisiert darüber
quasi automatisch die Muster der dominanten Fiktion. Die deutlichste Sprache
spricht dabei das Geschlechterverhältnis, in dem allein den Männern
vorbehalten bleibt, Aktion und Aufbrüche zu initiieren. Während Lester
weitestgehend zum Schmied seines Glücks werden darf, muss Jane von Ricky
bewegt werden und wird Carolyn niemals aus ihrer Rolle aussteigen: zum Seitensprung
und zum Schießen wird sie von ihrem Geliebten verleitet und selbst ihr
finales Motto, "Ich will kein Opfer mehr sein!", spricht sie einer
männlichen Stimme auf Kassette nach, was dann natürlich genauso klingt
wie ihre berufliche Autosuggestion "Ich werde dieses Haus verkaufen!".
Rickys Mutter (Allison Janney), eine verstörte Frau,
die offensichtlich das Funktionieren der familiären Ordnung mit dem eigenen
Leben bezahlt hat, wird durch den Film ein zweites Mal getötet, indem sie
ausnahmslos als Medium für die Eigenheiten ihres Mannes (Chris Cooper)
und ihres Sohnes im Bild erscheinen darf. Das Interesse des Films geht auch
über sie und jene hegemonialen Strukturen hinweg, die hier allein als Zitat
eine mehr oder minder ironische Funktion zu erfüllen haben - american beauty.
Damit ist das Familien-Melodram keinen Schritt weiter gegangen - eher einen
zurück.
Jan Distelmeyer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd film
2/2000
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.
American Beauty
USA
1999. R: Sam Mendes. B: Alan Ball. P: Bruce Cohen, Dan Jinks. K: Conrad L. Hall. Sch: Tariq Anwar, Christopher Greenbury. M:
Thomas Newman. T:
Richard Van Dyke. A: Naomi Shohan, David S. Lazan. Ko:
Julie Weiss. Pg: DreamWorks. V: UIP. L:
122 Min. FSK: 12, ffr. FBW: besonders wertvoll. DA: Kevin Spacey (Lester), Annette
Bening (Carolyn), Thora Birch (Jane), Wes Bentley (Ricky), Mena Suvari (Angela
Hayes), Peter Gallagher (Buddy Kane), Allison Janney (Barbara).
Start: 20.1.2000 (D, CH), 21.1. (A)
zur
startseite
zum
archiv