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American
Psycho
Der
verirrte Mensch
Eine
Irrfahrt sondergleichen. Das Abseitige, das Perverse, das bis zum Anschlag Extreme
gehört in Mary Harrons gleichnamiger Buchverfilmung nach Bret Easton-Ellis'
Bestseller nicht etwa zum gruseligen Unterton, im Gegenteil, versteht sich ihre
Adaption vor allem als satirische - und auf beängstigende Art faszinierende
- Destruktion maskuliner Stärke, männlicher Existenz, machoistischer
Selbsterfüllung im Amerika der 1980er.
»Es
ist der Patrick Bateman in uns allen«, scheint eine unmissverständliche
Zwischenbotschaft des Films zu sein, es ist das Psychopathische im Menschen,
das Abnormale im Verhalten, das übersteigerte Verzehren nach sexueller
Gier und das Ausleben jedweder Phantasie, dessen Beschreibung dieser Film nicht
müde wird. Hauptfigur ist eben jener Patrick Bateman (Christian Bale),
nicht nur als Sinnbild für den typisierten Yuppie an der Wallstreet zu
sehen, sondern gleichermaßen Sinnbild für den moralisch unbegrenzten
Menschen. Batemans Körper, seine äußere Hülle, ist die
oberflächliche Projektion von Perfektion. Jeder Muskel ist gestählt,
jede Hautpartie penibelst gesäubert, keimfrei, startbereit für ein
unbeschränktes Leben im Exzess.
Er
ist mehr Maschine als Mensch. Innerlich verkümmert, äußerlich
intakt, mehr als das, angepasst, besser noch: ideal. Bateman funktioniert tadellos
in einer materialisierten Welt. Der bekennende Musikfan und fanatische Lebemann
bekennt sich ganz frei zu seinen schmutzigen Gelüsten, seinen derben Phantasien,
seinem asozialen Verhalten und seiner Gier nach Erfolg. Bateman ist losgelöst
von allem, was Moral oder politische Korrektheit gebieten, orientiert sich in
seinen triebhaften Orgien weder an gesetzlichen, noch an irgendwelchen anderen
Maßstäben. Macht ihn das zum Psychopathen?
Ohne
Skrupel beginnt er zu morden. Aus Langeweile sozusagen, doch dass dieses Hobby
mehr wird als der perfide Zeitvertreib eines zur Perversion gezwungenen Amerikaners
ist früh zu erkennen. Entweder, weil Easton-Ellis' Roman als inhaltliche
Grundlage dient oder weil es der Künstlichkeit dieser durch und durch sterilen
Umgebung nach einem instinktiven Rückgang in die triebgesteuerte Natur
des Menschen bedarf. Weil hinter all den sauberen Fassaden und exaltierten Personen
das pure Verlangen nach Gewalt steckt, weil sich irgendwo in diesen gelebten
Lebensträumen, in all ihrer Sterilität, Langeweile breit macht, weil
der Wille zum Exzess, zur Explosion, zum Ausbrechen aus der imperialistischen
Gefühllosigkeit zum Greifen nahe ist.
Bateman
selbst charakterisiert sich als »zu Gefühlen unfähig«,
obwohl er all die Wesenszüge eines Menschen trägt - außer Neid
und Missachtung bleibt nichts zurück. Der losgelöste Mensch ist im
Grunde seines Seins einsam und bindungslos, verloren gegangen zwischen Himmel
und Hölle, ohne Rückfahrtschein auf einer seelischen und körperlichen
Odyssee, die auch in Mary Harrons Verfilmung keinerlei Katharsis für den
Leidenden bereit hält. Bateman verirrt sich in seinem selbstkreierten Kosmos,
zu dem er scheinbar wahllos den gepflegten Massenmord hinzugesellt, gleich neben
Haarpflege und Phil Collins.
Mit
welch experimenteller Freude sich Bateman an die Morde macht, gehört zu
den beliebten Skandalen an einem Film, der weitaus weniger martialisch und bestialisch
als das Buch beschreibt, was den schizophrenen Antihelden mit emotionalem Ausgleich
befriedigt. Doch längst ist dies keine Geschichte über einen Serienkiller,
vielleicht ist es nicht einmal eine Geschichte. Denn mit all der geballten Satire
und bissigem Zynismus lässt sich nur schwerlich ansprechende Unterhaltung
erschaffen, als vielmehr das Sittengemälde eines vollkommen amoralischen
Menschen, die gesellschaftliche Kritik an einer ganzen Generation von Erfolgsmaschinen,
kaputten Menschen mit intakten Visitenkarten, längst erfüllten Träumen,
die nur noch angetrieben werden von ihren albtraumhaften Phantasien. Es ist
das Menschliche im Menschen, das nicht mehr vorhanden ist, so dass selbst einer
desillusionierten Seele wie Patrick Bateman nicht einmal der psychedelische
Trip zwischen Perversion und Illusion noch so etwas wie irdische Erlösung
zugesteht.
Patrick
Joseph
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei www.ciao.de
Zu diesem Film gibt es im archiv mehrere Kritiken
American
Psycho
USA/CAN
2000 - 102 Minuten
Regie:
Mary Harron
Drehbuch:
Mary Harron, Guinevere Turner
Kamera:
Andrzej Sekula
Darsteller:
Christian Bale, Willem Dafoe, Jared Leto, Samantha Mathis u.a.
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