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Amerikanisches
Roulette
Sollen
Präsidenten auch Dichter sein können?
Hatton
verhält sich zu Costa-Gavras wie amerikanisches zu russischem Roulette.
Andy
Garcia und Jean-Louis Trintignant? Das
Gleiche. Das Hölzerne der Postmoderne. Es fehlt absolut der historische
Rückenwind. Die Blaupause ist nicht die Geschichte, sondern ein anderer
Film, besser gesagt ein ironisches Spiel mit dem Kino. Bei so einem ehrenwerten
Thema? Warum nicht? James Bond, oder neulich dieser komische Italiener.
Ein
paar Hinweise: Die tödliche Gang, die hinter Carlos Kintas her ist; man
weiß, die sind zu blöd, oder zu umständlich, die Brandbombe
ist nicht wirklich eine Bombe, sondern eher ein Zeichen, wie das Programm gestrickt
ist, also: nur nicht zu ernst nehmen. Carlos selber, etwas überlastet,
Dichter und Präsident zu sein, diese Figur ist eine postmoderne schlechthin,
ebenso Kate, diese schlichte Betreuerin, der es bewusst an zwielichtigem Charme
fehlt, wobei man andererseits bedenken muss, dass dies ein britischer Film ist.
Sehr britisch der Mann von Scotland Yard oder woher auch immer, die gute Fee,
Retter und Kuchenfeinschmecker mit der Klasse eines FBI-Agenten. Hier aber hilft
die CIA, zunächst camoufliert als neugegründeter Buchverlag, der gleich
einen Bestseller bringen will und kein Problem damit hat, für etwas Lyrik
eine halbe Million Dollar auf den Tisch zu legen. Wer da keine großen
Ohren bekommt.
Die
Bootsfahrt auf der Themse mit der Überbringerin der ominösen Pickwick-Papers
(benannt nach dem Sozialkämpfer Dickens) ist ein Musterstück postmoderner
Einlegearbeit, wer hier nicht die gestalterische Kante sieht (die Frau eingeschlossen),
wo sonst vergessen machende Rundungen ins Spiel kommen, der weiß, was
guter Geschmack ist, oder er versteht es nicht, mit diesem Angebot klar zu kommen,
das ja von vorne bis hinten ebenso einheitlich durchgestaltet ist, wofür
die Willkürzuordnung Sand in die Augen streuende Benennung der Postmoderne
ganz fehl am Platz ist. Nicht zu vergessen die Überzeugungsarbeit, die
Carlos Mitkombattanten leisten, um ihren Präsidenten davor zu bewahren,
ins Dichterische, wovon man ein paar nerudaeske Beweisstücke vorgetragen
bekommt, abzugleiten, man sitzt am runden Frühstückstisch, jeder sagt
seinen Satz, und schon ist Carlos wieder oder immer noch dabei und lächelt
auch über sich, der Zuschauer lacht über den Hundeblick, der eigentliche
Motor des Fortschritts in der Geschichte nicht nur Lateinamerikas. Dass man
hier wirklich zu spielen versteht, beweist die Einrichtung des amerikanischen
Roulettes in der betreffenden Botschaft in London, das nicht in den rattenbevölkerten
Kellern der Folterer, sondern unter dem Dach einer gelangweilten Verfolgungstruppe
ausgetragen wird.
Kaum
zu erwarten, dass Carlos unter diesen Bedingungen traumatische Erfahrungen davontragen
wird, auch wenn tatsächlich scharf geschossen wird, aber jede Kugel ist
berechenbar und das Ziel klar angegeben. Wer hier Geld setzt, ist selber schuld,
oder es gehört ihm nicht. Das Ende des Films steht unter dem Zeichen gleich
mehrerer Götter aus der Maschine, Kate und ihre Mannen von CIA und britischem
Geheimdienst profitieren wie dazumal John und seine Bande bei Kubricks The
Killing
von einem randalierenden Trupp hier demonstrierender Argentinier, und außerdem
ist im Mutterland gerade die Militärjunta von einigen jüngeren Meuterern
geschasst worden, so viel Arbeit in der Dunkelzone muss sein. Und schon wieder
muckt der Präsident, der Übergangspräsident bis zu Neuwahlen
werden soll, er will lieber bei Kate bleiben, aber es ist ja für eine gute
Sache, und zu guter Letzt schließt sich Liebe und Politik ja doch nicht
aus, das allerdings bleibt die frohe Botschaft eines so leichtfüßigen
wie poetischen Films, der auch nach 15 Jahren modern wirkt.
Dieter
Wenk
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Inhalt:
Der im Exil lebende Präsident einer südamerikanischen Republik, im
Nebenberuf Schriftsteller, wird zum Ziel politisch motivierter Anschläge.
Als ein weiteres Attentat misslingt und die Stellung der Militärjunta unhaltbar
wird, ist seine Rückkehr in die Heimat nur noch eine Frage von Wochen.
Amerikanisches
Roulette
AMERICAN
ROULETTE
England
- 1987 - 94 min. Thriller - FSK: ab 12; feiertagsfrei - Verleih: Delta, Warner
Home (Video) - Erstaufführung: 19.5.1988/9.12.1988 Video - Produktionsfirma:
Film Four international/Mandemar/British Screen - Produktion:
Graham
Easton
Regie:
Maurice Hatton
Buch:
Maurice Hatton
Kamera:
Tony Imi
Musik:
Michael Gibbs
Schnitt:
Barry Peters
Darsteller:
Andy
Garcia (Carlos Quintas)
Kitty
Aldridge (Kate Webber)
Robert
Stephens (Screech)
Alfred
Michelsen (Ramon)
Al
Matthews (Morrisey)
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