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Auf
dem Highway spielt die Polizei verrückt
Toby Halicki ist ein Kerl nach meinem Geschmack.
Statt à la mode Trash zu inszenieren, zieht er seine Filme buchstäblich
aus dem Müll. Und zwar aus seinem eigenen. Er ist nämlich Besitzer
eines gewaltigen Schrottplatzes. Auf dem richtet er ausgemusterte Autos her,
und alle zwei bis drei Jahre hat er genug zusammen, um für einen neuen
Carcrash-Robin-Hood-Film ein paar Dutzend erneut zu Schrott zu fahren.
Bei einem solchen ästhetischen Recycling (Halicki
ist tatsächlich, was man hier so einen „Umwelt-Freak" nennen würde)
kommt eine Ausschließlichkeit heraus, die ein Problem zumindest semiotisch
auf den Punkt bringt. Selbst die Frauen in Halickis Filmen sehen aus wie Autos.
Kurz nachdem eine von ihnen zum Helden (Halicki) gesagt hat, er müsse sich
zwischen ihr und dem „Blech" entscheiden, fährt die Kamera in einer
Parallelmontage an ihrer Karosserie genauso entlang wie an einer Reihe von Auto-Körpern.
Keine Frage, für was sich der Film entscheidet.
Daß die Autocrash-Filme in den Vereinigten
Staaten so beliebt sind, hat gewiß den einen Grund, daß der real
existierende Individualverkehr dort sehr viel zivilisierter ist als bei uns.
Der Bürgerkrieg auf den Autobahnen, gewohntes Bild bei uns, ist dort eher
die Ausnahme. Die Autos können dort mehr als sie dürfen. Der unerfüllte
Rest wird eben durch Träume bewältigt. Zum Teil. Die Unfreiheit der
amerikanischen Gesellschaft hat etwas mit diesen Autos zu tun, mit einer bestimmten
Mischung aus Technik, Sex und Mythos, und dieser Unfreiheit ist andererseits
auch nicht anders zu entkommen als mit dem Automobil.
Deshalb sind die Autocrash-Filme die einzig möglichen
Kommentare dazu. Halickis Filme sind um einen Deut besser als die aufwendigeren
Filme nicht allein wegen ihrer Authentizität, sondern auch weil sie ihr
Tempo ganz aus der sichtbaren Erscheinung des Autos entwickeln. Sie schaffen
aus den Autos und ihren Fahrern keine neue mythologische Einheit, jenen amerikanischen
Zentaur, den Parker Tyler schon im berittenen Cowboy sah und der sich fortsetzt
zum modernen Bomberpiloten. In Halickis Filmen wird das Automobil vielmehr wieder
zum Objekt, zu einem in Maßen gefährlichen Objekt (ernsthaft verletzt
wird selten jemand in seinen Filmen) und vor allem zu einem komischen Objekt.
Ein Halicki-Film ist aus folgenden Teilen zusammengesetzt:
a) Autos in voller Fahrt (bewegliche Kamera oder
Untersicht)
b) Autos, die in Imbißstände, andere Autos,
Müllwagen etc. brausen (stehende Kamera oder langsamer Schwenk)
c) Menschen, die sich vor heranrasenden Autos in
Sicherheit zu bringen versuchen (schneller Schwenk)
d) Menschen, die sich ungläubig über die
Trümmer ihrer Autos oder ihres sonstigen Besitzes beugen (nah).
Dazwischen gibt es noch ein paar ganz konventionelle
Sequenzen, die die Geschichte in Gang halten, soweit es unbedingt erforderlich
ist. Es geht da nämlich um einen Autodieb, der nur versicherte Autos klaut.
Und weil eines der von ihm geklauten Autos doch nicht versichert war, gibt er
es zurück, um für seinen Auftraggeber ein neues desselben Typs zu
besorgen. Zuvor hat er eines, das voll Heroin war, verbrannt. Wir hätten
ihm ja sowieso angesehen, daß er, Halicki, einer von den Guten ist. Der
letzte Coup ist der Beginn einer schier endlosen Autoverfolgungsjagd, die unter
anderem in eine Cadillac-Verkaufsausstellung führt.
Ein ebenso zwiespältiges Verhältnis wie
zu Autos scheint Halicki auch zur Genre-üblichen Country-Musik zu haben.
Er setzt sie konsequent daneben, verfremdend ein und läßt sie von
einem lustigerweise Phil Kachaturian heißenden Menschen durch einen offensichtlich
schadhaften Fleischwolf drehen. Halicki hat produziert, inszeniert, geschrieben,
die Hauptrolle gespielt, die Stunts geleitet und natürlich die besten selbst
gemacht. Auch Joe Halicki war dabei, und Nancy Halicki hat geschminkt und die
Kostüme gemacht. Arne Elsholz hat die deutsche Synchronisation zu verantworten.
Er hielt es für angemessen, die Protagonisten eines solchen Filmes Blech
reden zu lassen. Sonderbare Art von Humor.
Der Film kommt zur gleichen Zeit ins Kino und auf
Video. Vor dem Bildschirm braucht man genau eine Dose Bier mehr, um in die richtige
Stimmung zu kommen, als in einem Kino.
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd 5/85
Auf
dem Highway spielt die Polizei verrückt
DEADLINE
AUTOTHEFT
USA
1983. R und B: Toby Halicki. K: Jack Vacek. M:
Phil Kachaturian. Pg: Splendid Film. V: Filmhansa (Kino), Polyband (Video).
L: 2591 m (95 Min.). FSK 12, nffr. St: 22.2.1985. D: Toby Halicki, Hoyt Axton,
Long Jeffries, Marion Busia, George Cole, Dan Grimaldi, Juddy Gibbs, Jerry Daugirda.
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