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Bin
Jip
Jenseits
der Worte
Daß
das koreanische Kino im Moment international ganz vorn mitspielt, hat sich herumgesprochen.
Doch es ist weniger der koreanische Mainstream, der sich da ausbreitet, sondern
vielmehr ein paar Independent-Filmemacher, die im eigenen Land gar nicht so
gefragt sind, sondern Festivalerfolge primär im Ausland feiern.
Einer
von ihnen ist Kim Ki-duk. Nach einer höchst verschlungenen Biographie drehte
er 1996 seinen ersten Film und seitdem eine ganze Menge weiterer. Seine frühen
Arbeiten fielen vor allem durch abstrakte, verstörende Gewaltausbrüche
auf, handelten jedoch im Kern schon immer von vereinsamten, verletzten Menschen.
Und sie fielen auf durch einen heiligen Ernst, der dem ganzen filmemachenden
Westen im Vergleich dazu irgendwie abhanden gekommen zu sein schien.
Mit
"Frühling,
Sommer, Herbst, Winter ... und Frühling",
der ihm den ersten moderaten Publikumserfolg im Westen brachte, wandelte sich
dann das Bild, weg von der Gewalt, hin zu einer schweigsam-meditativen Grundstimmung
- weniger aufwühlend, doch genauso ernst.
"Bin
Jip" geht einen Schritt weiter in dieselbe Richtung. Er erzählt von
einem jungen Mann, der in leerstehende Häuser einbricht, dort vorübergehend
wohnt, als Dankeschön kleinere Reparaturen durchführt und dann weiterzieht.
Er stiehlt nichts, er hütet gewissermaßen die Wohnungen, ohne daß
die Besitzer es wissen, und nur gelegentlich geht bei seinen Aktivitäten
der Schuß nach hinten los.
Eines
Tages trifft er in einem Haus, das er für verlassen hielt, eine junge Frau,
die unter der Fuchtel ihres dominanten Ehegatten ihr Leben in reduzierter Erstarrung
fristet. Sie faßt Vertrauen zu ihm, er verteidigt sie gegen ihren Mann
und bewahrt sie im Prinzip vor einer Vergewaltigung, sie freunden sich an und
ziehen fortan gemeinsam um die Häuser. Dabei wird die ganze Zeit kein Wort
gesprochen. Und es fällt noch nicht einmal auf. Die Freundschaft der Helden
funktioniert auf einer anderen Ebene, sie bewegen sich in traumhaft kadrierten
Bildern, die sich aber auch nie selbstzweckhaft in den Vordergrund drängen,
man verfällt als Zuschauer in meditative Entrückung und folgt dem
Fluß des Films, und wie Kim es versteht, diese zarte Geschichte gänzlich
kitschfrei zu erzählen, das kann man nur als meisterhaft bezeichnen.
Irgendwann
fragt man sich doch, ob es immer so weitergehen wird. Dann findet das schweigende
Paar in einer Wohnung die Leiche des Bewohners, bestattet ihn mit allen Ehren,
wird von der Polizei erwischt und des Mordes angeklagt, und was nun passiert,
bekommt einen merkwürdigen Dreh ins Abseitig-Surreale, ohne je seine Faszination
einzubüßen. Der junge Mann scheint sich in einen Geist zu verwandeln
- was er eigentlich immer schon war, will er jetzt auch werden, und nur durch
diese Verwandlung scheint weitere Gemeinsamkeit mit der Frau möglich.
Ganz
verleugnen läßt es sich nicht, daß hier wie bei vielen asiatischen
Filmen gewisse interkulturelle Fragezeichen im Raum stehen bleiben - warum das
alles? Ginge das nicht auch weniger kompliziert? Muß das so sein? Wahrscheinlich
muß es so sein. Bei aller Fremdheit überwiegt hier die Faszination,
man bekommt das Gefühl, gerade auch durch die Wortlosigkeit des Gezeigten
einen Blick in die Seele der Menschen zu werfen und dort hinter allen kulturellen
Differenzen auf ein paar ganz grundlegende Dinge zu stoßen, die allen
Menschen gleichermaßen zueigen sind. Faßt man diese Dinge in Worte,
wird's platt, dreht man Filme darüber, werden die oft auch eher flach.
Kim Ki-duk aber hat es hingekriegt, einen schönen, nachdenklichen, stillen,
unpeinlichen Film über Themen zu machen, die bei vielen anderen oft genug
zu saurem Kitsch gerinnen. Dafür sei er gelobt und weiterempfohlen.
Dietrich
Brüggemann
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
Schnitt
Bin
Jip
ROK/J
2004. R,B,S: Kim Ki-duk. K: Jang Seung-beck. M: Slvian. P: Kim Ki-duk Film,
CineclickAsia. D: Lee Seung-yeon, Jae Hee, Kwon Hyuk-ho, Joo Jin-mo, Choi Jeong-ho
u.a. 90 Min. Pandora ab 11.8.05