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Bird
Kind
of Cool
Da
ist er – verloren in der vibrierenden Arrhythmie seiner Musik – Charlie Parker
(Forest Whitaker), der Mann, den sie „Bird“ nannten. Melodik, taktgebende Zwänge,
die Welt da draußen, alles hat an Bedeutung verloren sobald Parker auf
die Bühne geht, wenn sich klassische Elemente des Jazz mit der pulsierenden
Energie des Swing zu etwas Neuem vermischen, ein musikalischer Hybrid, eine
neue Gattung – der Bebop. »It’s all that matters«, scheint er zu
sagen, »that’s what it’s all about«. In dieser schier disharmonischen
Saxophon-Komposition ist Parker nicht mehr Charlie Parker der Heroinabhängige
und Exzentriker, sondern nur noch Bird, jemand der für die Musik lebt,
für sie allein.
Clint
Eastwood erzählt diese exzessive Lebensgeschichte in melancholischen, fast
nostalgischen Bildern. Ein Jazzclub hier, verrauchte Bars dort, auf den Straßen
fühlt man den Rhythmus, lebt den Blues, während sich in scheinbarer
Beiläufigkeit Musikgeschichte abspielt, gelebt und gelitten wird. Parkers
Leben ist geprägt von Obsessionen, Sehnsüchten und der ganz unpragmatischen
Suche nach dem kongenialen Moment. Drogen und Alkohol sind ständige Begleiter
auf seinem unwirschen Weg durch die 1950er Amerikas, doch nichts erfährt
in Eastwoods Inszenierung eine solch umschmeichelnde Huldigung wie der Jazz,
die Musik, der historische Geist einer musikalischen Jahrhundertbewegung.
Die
Kamera umschwärmt ihn, den Musiker und den Menschen, doch nichts vermag
ihn treffender einzufangen als der ‚Sound’ des Saxophons, der formellose Verlauf
seiner Improvisationen, die sich mehr und mehr von der eigentlichen Grundlage
entfernen, um ihr doch nur in ihrer Ursprünglichkeit nahe zu kommen. In
Rückblenden blickt der Film auf diese Momente zurück, durchläuft
einzelne Stationen des bewegten Künstlerlebens, um letztendlich doch immer
wieder zum Kern, zum Jazz, zurückzukehren. Vieles an Bird erklärt
sich durch das experimentelle Zusammenspiel von Klang und Geschichte, den pulsierenden
Rhythmus einer Biographie, die sich stringent auf den Untergang hinbewegt und
trotzdem den Bogen schlägt zur atmosphärischen Einmaligkeit von Parkers
musikalischer Inspiration.
1920
in Kansas City geboren verschlägt es ihn in die verschiedensten Zentren
des Jazz, einerseits getrieben von der Sucht nach der Musik, andererseits gezwungen
durch staatliche Regularien, die ihm durch seine Drogenabhängigkeit auferlegt
werden und zeitweilig gar das Praktizieren seiner Musik untersagen. Der Film
zeigt wie sich Parker in belebender Konkurrenz zu Größen wie Dizzy
Gillespie (Samuel E. Wright) künstlerisch weiterentwickelt und emanzipiert,
während Eastwood gleichsam auch den dunklen Pfaden von Parkers Charakter
mit emotionaler Leidenschaft folgt, zeigt, wie ihn die Sucht letztendlich zu
einem Selbstmordversuch treibt und die Einweisung in eine Psychiatrie folgen
lässt. Da ist er – Bird – als Mensch gescheitert, als Musiker gefeiert,
als Stilikone unsterblich.
Eastwood
ist in der Materie sichtlich heimisch, nicht nur was die brillante Umsetzung
der Musik anbetrifft – Eastwood hat Parker noch zu Lebzeiten live erlebt, seine
Liebe zum Jazz ist weitläufig bekannt – doch auch die Thematik des aus
der Armut kommenden Künstlers, eines Außenseiters und vielfach unverstandenen
Egoisten, der es alleine schaffen will und muss, inszeniert der Regisseur in
visionärer Klarheit. Bird kreist
um diesen tragischen Mythos des Charlie Parker, erzählt sowohl vom Leben
als auch vom Sterben des Künstlers, doch vielmehr als das zentralisiert
der Film auf einmalige Art und Weise die virtuose Kraft des Jazz, des Bebop
– eine brillante Liebeserklärung an die Musik. »That’s all it is.«
Patrick
Joseph
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: www.ciao.de
Bird
BIRD
USA
- 1987 - 160 min.
Musikfilm,
Drama, Biografie - FSK: ab 12; feiertagsfrei - Prädikat: besonders wertvoll
- Verleih: Warner Bros., Warner Home (Video) - Erstaufführung: 13.10.1988
- Fd-Nummer: 27176 - Produktionsfirma: Malpaso/Warner Brothers - Produktion:
Clint Eastwood
Regie:
Clint Eastwood
Buch:
Joel Oliansky
Kamera:
Jack N. Green
Musik:
Lennie Niehaus, Charlie Parker
Schnitt:
Joel Cox
Darsteller:
Forest
Whitaker (Charlie "Bird" Parker)
Diane
Venora (Chan Richardson)
Michael
Zelniker (Red Rodney)
Sam
Wright (Dizzy Gillespie)
Keith
David (Buster Franklin)
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