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Blood
Simple
Texanische Missverständnisse
Auf texanischem Boden, so scheint es, werden die
Dinge gelegentlich anders geregelt. Wo, wenn nicht hier, sieht man noch den
Marlboro-Mann reiten? Wo, wenn nicht hier, sitzt der Cowboyhut noch am bequemsten?
Wo, wenn nicht hier, spricht noch die Faust das Vaterunser? Texas, ein Mythos.
Ein Bundesstaat voller Männlichkeit. Voller Entschlossenheit, voller aufs
Kreuzlegen und aufs Kreuzgelegtwerden auch: Abby (Frances McDormand) bandelt
an mit Barmann Ray (John Getz) hinter dem Rücken von Barbesitzer Marty
(Dan Hedaya), zugleich Abbys Mann. Der beauftragt einen fragwürdigen Privatdetektiv,
den Verdacht zu beweisen und - später - die Ertappten für gutes, schmieriges
Geld kaltzustellen. Die Rechnung geht nicht auf. Es gibt nur eine Leiche, die
zunächst gar keine ist. Und der Mörder, der zunächst gar keiner
ist, hinterlässt den Toten, der zunächst gar keiner ist, zur Entsorgung.
Ein Jemand entsorgt nun den zu Entsorgenden, der wirklich zu entsorgen ist,
da der Entsorgende im Glauben handelt, der Tote, der zunächst gar keiner
ist, was jedoch niemand weiß, sei von einer Person nicht-getötet
worden, die es unbedingt zu decken gilt. In Coen-Filmen, so scheint es, werden
die Dinge gelegentlich anders geregelt.
So manches Missverständnis gibt es in diesem
ersten. Ohne es auf die Skurrilität anzulegen, zumindest nicht so wie in
manch folgendem Coen-Werk, das sich der Coen-Extravaganz allzu sehr verpflichtet
fühlte. Hier ist am Ende irgendwie einfach alles dumm gelaufen, ohne dass
es um des Dummgelaufens Willen gehen würde. Texanische Missverständnisse.
Unter der Haut liegen sie irgendwo, wo genau, lässt sich schwer orten.
Es muss ein surreales Gewebe sein. Deckenventilatoren rotieren. Nach Grillenzirpen
schreien minimalistische Bilder, nur der Ton gibt es nicht wieder. Einbildung.
In der Einöde.
So ein Ding, mit dem man Fliegen röstet, knistert
und funkt in einem elektrisierenden Augenblick. Oder es möchte nach der
Begrabung einer baldigen Leiche, einer der beklemmend naturgetreuesten der Filmgeschichte
vielleicht, ein Klavier zu spielen beginnen - aber das Auto auf dem Feld will
nicht anspringen. O zynisches Texas. Dann aber doch, jetzt spielt die Musik
weiter. Perspektiven nicht von dieser Welt, in denen das Objektiv Theken entlang
gleitet und auf Betrunkene zusteuert. Eine Kamera, die zusammen mit einem Kopf,
der ins Bett fällt, ins Bett fällt. Ein Schnitt, der aus dem Drücken
auf eine Telefontaste ein Drücken auf eine blutverschmierte Rückbank
macht. Lichtstrahlen bohren sich durch Einschusslöcher ins verdunkelte
Zimmer. Und zuletzt, hängend auf einem Abflussrohr: ein swingender Wassertropfen.
Man kann dies alles nur geträumt haben. Ein
Mythos spiegelt auch keine Realität wider. Doch dann wiederum ist an ihm
ja etwas dran, etwas Wahres, kodiert in Symbolen, und dieser Film erscheint
so echt und schmutzig und dreckig, so ernst wie todessträfliche Irrungen,
texanische Missverständnisse, so ernst wie ein Cowboyhut auf präsidialem
Kopf.
Daniel Szczotkowski
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.ciao.de
Blood
Simple - Eine mörderische Nacht
BLOOD SIMPLE
Blood Simple
- Blut für Blut
USA
- 1984 - 99 min. - Erstaufführung: 26.9.1985/17.4.1986 Video - Produktion:
Ethan Coen
Regie:
Joel Coen
Buch:
Joel Coen, Ethan Coen
Kamera: Barry
Sonnenfeld
Musik: Carter
Burwell
Schnitt:
Roderick Jaynes, Don Wiegmann, Peggy Connolly
Darsteller:
John Getz
(Ray)
Frances McDormand
(Abby)
Dan Hedaya
(Julian Marty)
M. Emmet
Walsh (Visser)
Samm-Art
Williams (Meurice)
Debora Neumann
(Debra)
Raquel Gavia
(Gutsherrin)
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