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Blutiger
Freitag
"Die
hier gezeigten Ereignisse beruhen auf ähnliche Begebenheiten der jüngsten
Zeit. Aus naheliegenden Gründen wurden Fakten und Namen geändert.
Mit der Wesentlichkeit gewisser Realitäten hat dies nichts zu tun."
Mit
dieser programmatischen Texttafel eröffnet Rolf Olsens 1972 entstandener
Crime/Sleaze-Thriller BLUTIGER FREITAG, und stellt bereits zu Beginn den Zeitbezug
her, der für den Film (ähnlich dem italienischen Polizeifilm) wesentlich
ist. BLUTIGER FREITAG versteht sich als konsequente Reaktion des Exploitationfilms
auf die bundesdeutsche Kriminalitätsparanoia der frühen siebziger
Jahre.
In
Zeiten des tobenden Vietnamkrieges und der ständig ansteigenden internationalen
Luftpiraterie sind diese in der Bundesrepublik Deutschland vor allem bestimmt
durch massive Terroraktionen der Baader-Meinhof Gruppe und der verstärkten
Zunahme brutaler Banküberfälle mit Todesfolge. Olsens Hauptcharakter
Heinz Klett spricht immer wieder die realen Bezüge an, wobei er insbesondere
mehrfach auf einen Raubüberfall der Deutschen Bank-Filiale in der Prinzregentenstraße
in München verweist. Den faktischen Hintergrund bilden die spektakulären
Geschehnisse vom 04. August 1971, die in der Bundesrepublik heftige Diskussionen
über das Vorgehen der Polizei, die Sicherheitsvorkehrungen in Banken und
das Strafmaß bei Gewaltverbrechen entfachten.
Damals
drangen zwei bewaffnete Täter in die Münchener Bankfiliale ein und
hielten von den anwesenden Kunden und Angestellten zunächst sechs als Geiseln
fest. Sie wollten nicht nur die Tageskasse ausrauben, sondern forderten zudem
für die Freilassung der Geiseln zwei Millionen Mark, ansonsten drohten
sie sich zusammen mit den Geiseln in die Luft zu sprengen. Kurz vor Mitternacht,
beobachtet von unzähligen johlenden Schaulustigen ("[eine] gespenstische
Mischung aus Chicago und Oktoberfest", SÜDDEUTSCHE ZEITUNG), stieg
ein Täter mit einer Geisel in das bereitgestellte Fluchtfahrzeug, welches
sofort von versteckten Scharfschützen unter Beschuss genommen wurde. Dem
fragwürdigen Schießbefehl eines übereifrigen Staatsanwaltes
fiel der Bankräuber und seine Geisel zum Opfer. Der in der Bankfiliale
verbleibende zweite Täter wurde erst zehn Minuten nach dem Kugelhagel überwältigt.
Die erstmalige Kombination von Banküberfall und Geiselnahme in der Bundesrepublik
offenbarte damals die Unzulänglichkeit, mit der die Polizei auf ungewohnte
Verbrechen reagierte. Nur zwei Tage später, an einem Freitag, wurden fünf
weitere Banküberfälle, darunter einer mit Geiselnahme, verübt.
An
diesen Ereignissen orientiert sich deutlich Rolf Olsens BLUTIGER FREITAG, der
neben DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI (1970), wohl als sein Schlüsselwerk
gewertet werden kann. Regisseur Olsen nimmt überhaupt eine zentrale Position
innerhalb des deutschen Unterhaltungskinos der sechziger und siebziger Jahre
ein. Der gebürtige Wiener verfasste bereits 1947 sein erstes Drehbuch (SINGENDE
ENGEL) und arbeitete anschließend hauptsächlich als Drehbuchautor
für diverse Schlagerfilme und Heimat-Lustspiele. Seine erste Regiearbeit
UNSERE TOLLEN TANTEN stammt aus dem Jahr 1961 und orientiert sich stark an Brandon
Thomas' klassischer Travestiekomödie CHARLIES TANTE. Schon hier lässt
sich "ein selbstreflexives Vorgehen mit dem dazugehörigen Hang zur
Ironisierung der eigenen Person" (Ralf Hedwig im Programmheft zum 1. Festival
des deutschen psychotronischen Films BESONDERS WERTLOS) beobachten. Der Film
wurde ein großer Erfolg und Olsen drehte in den kommenden Jahren noch
drei Quasi-Fortsetzungen.
Der
1966 entstandene IN FRANKFURT SIND DIE NÄCHTE HEISS bildete den entscheidenden
Wendepunkt in Olsens Schaffen. Die Milieuschilderung des Frankfurter Rotlichtviertels
in der deutschen Tradition der Illustriertenreport-Verfilmungen führten
ihn auf die Pfade des Exploitationkinos. Das Zentrum seines im Kolportagebericht
angesiedelten Werks bildet eine kleine Serie von St. Pauli-Filmen zwischen 1967
(WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN) und 1971 (KÄPT'N RAUHBEIN AUS ST.
PAULI), welche sich insbesondere, trotz des stets spekulativen Inhalts, durch
ihren Anspruch auf Authentizität auszeichnete. Dies erklärt vielleicht
auch Olsens nächsten Schritt, denn 1974 drehte er mit REISE INS JENSEITS
- DIE WELT DES ÜBERNATÜRLICHEN den ersten deutschen Mondo-Film überhaupt.
Weitere Dokumentationen im Stil des Skandaljournalismus folgten (EKSTASE - DER
HORRORTRIP DER SATANSSEKTE, 1978; SHOCKING ASIA - SÜNDE, SEX UND SUKYAKI,
1980; SHOCKING ASIA II - DIE LETZTEN TABUS, 1984). Seine letzte Regiearbeit
lieferte Olsen 1987 mit einer Episode für den Kompilationsfilm STARKE ZEITEN.
Rolf Olsen verstarb 78jährig am 03. April 1998.
Eine
besondere Form der Authentizität kennzeichnet auch Olsens BLUTIGER FREITAG.
Erzählt wird hier die Geschichte vom skrupellosen Heinz Klett und seinem
Traum vom schnellen Geld. Kurz vor seiner Verurteilung gelingt dem Gewaltverbrecher
mit Hilfe seiner beiden Komplizen Luigi und Stevo die abenteuerliche Flucht
aus dem Gerichtsgebäude. In seinem Versteck plant er das "ganz große
Ding", einen Überfall mit Geiselnahme auf eine Filiale der Deutschen
Finanzbank in München. Luigi, ein frustrierter italienischer Gastarbeiter,
seine schwangere Freundin Heidi, sowie deren fahnenflüchtiger Bruder Christian,
der den noch im Gerichtsgebäude verhafteten Stevo ersetzen soll, sind seine
Mittäter. Während Klett aus reiner Gewinnsucht handelt und dabei eine
bedenkliche Tendenz zur Gewaltbereitschaft aufweist, ist die Motivation der
übrigen Gruppe eher an die Hoffnung geknüpft, dass diese aus ihrem
erbärmlichen sozialen Milieu, oder wie Heidi es formuliert, dem "Sklavendasein",
auszubrechen. Doch Klett mahnt die anderen zu gnadenloser Entschlossenheit:
"Was wir vorhaben ist kein Scheißdreck und Bullen sind keine Heilsarmisten.
Also: Hemmungen - null, Rücksicht - null!"
Bei
dem folgenden Überfall auf einen Waffentransporter der US-Armee wird Kletts
programmatische Äußerung Realität, denn die anschließende
Verfolgungsjagd fordert den ersten Toten. Der nachfolgende Überfall auf
die Bankfiliale wird dann endgültig zur Tragödie. Während Heidi
in einem Versteck auf weitere Anweisungen wartet, stürmen Klett, Luigi
und Christian mit Maschinenpistolen und Handgranaten in das Gebäude. Es
wird geschossen und es gibt Verletzte. In der Hektik des Geschehens findet ein
kleiner Junge vor der Bank eine verlorengegangene Handgranate, aus der er versehentlich
den Sicherungsstift herauszieht. Der Junge kann zwar gerettet werden, doch ein
todesmutiger Polizist, der sich schützend auf die explodierende Granate
wirft (!), kommt bestialisch ums Leben. Klett reagiert gelassen ("'N Polizist
is' auf'n Knallfrosch getreten - Berufsrisiko.") und nimmt Kontakt mit
der Polizei auf. Als er erfährt, dass unter seinen Geiseln die Tochter
eines Großindustriellen ist, schraubt er seine Lösegeldforderungen
auf vier Millionen Mark. Als eine Geisel den Folgen eines Herzinfarkts erliegt,
entscheidet sich die Einsatzleitung der Polizei den Forderungen nachzukommen.
Unter
den Augen von unzähligen Schaulustigen steigen die Geiselgangster zusammen
mit der Millionärstochter, einer Modesalon-Inhaberin, und dem opportunistischen
Kollaborateur Ernst Pylobar in das bereitgestellt Fluchtauto und verlassen unter
freiem Geleit die Szene des Verbrechens. Sie begeben sich zu Heidis Versteck,
die in der Zwischenzeit versehentlich den wieder freigelassenen Stevo erschossen
hat. Beim Wagentausch erscheint plötzlich ein Wachmann den Luigi niederschießt,
nachdem dessen Hund ihn schwer verletzt hat. Schließlich fährt die
Gruppe, den verzweifelten Pylobar lassen sie zurück, zu einem leerstehenden
Waldlokal, welches Klett als Ausweichstation für den Notfall vorgesehen
hat. Während sich schwer bewaffnete Suchtrupps der Polizei unaufhaltsam
dem Waldlokal nähern, kommt es dort zu weiteren Toten ...
Olsens
Referenzen auf das aktuelle Zeitgeschehen umfassen jedoch nicht nur simple plakative
Dialogpartien. Vielmehr sind es in BLUTIGER FREITAG vor allem inhaltliche und
strukturelle Komponenten, welche die bundesdeutschen Diskussionen um Gewaltverbrechen
zu Beginn der siebziger Jahre reflektieren.
In
den fünfziger Jahren noch eine Rarität, stieg die Zahl von Raubüberfällen
auf Geldinstitute (einschließlich der Überfälle auf Kassenboten)
laut deutscher Kriminalstatistik in der Zeit von 1960-65 auf mehr als das Vierfache
und erreichte 1967 mit 430 Delikten den vorläufigen Höhepunkt. Im
Bank-Boom Anfang und Mitte der sechziger Jahre waren vor allem die spärlich
gesicherten Bankfilialen in den ländlichen Provinzen Zielscheibe der Räuber.
Eine Untersuchung des Instituts für Kriminologie und Strafvollzugskunde
der Universität Freiburg geht insbesondere auf das Täterprofil ein
und kommt zu dem Schluss, dass die weit verbreitete Klischeevorstellung vom
Bankräuber als einem professionellen Gewaltverbrecher in den meisten Fällen
nicht zutrifft. Bankraub sei vielmehr ein Delikt für "Unspezialisierte"
und "Nichtprofessionelle". In diese Kategorie fallen auch Kletts Komplizen,
die, wie oben schon erwähnt, den Ausbruch aus ihrem desolaten sozialen
Milieu, sozusagen der "Groschenexistenz", erzwingen wollen.
Der
Hochkonjunktur der Banküberfälle veranlasste die für die Banken
zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft zur Einführung verschärfter
Sicherheitsvorkehrungen. Für alle Geldinstitute mit zehn oder weniger Angestellten
wurden u. a. schusssichere Kassenboxen und Alarmanlagen vorgeschrieben. Diese
Maßnahmen führten vorübergehend zu einem starken Rückgang
der Verbrechen, doch zu Beginn der siebziger Jahre kam es zu einem erneuten
sprunghaften Anstieg (1971 waren es 321 Überfälle). Die nun aktiven
Kriminellen unterschieden sich erheblich von den vergleichsweise harmlosen,
meist mit ungeladenen Waffen agierenden Tätern der Freiburger Studie. Sie
traten entschlossen mit harten Methoden auf und zögerten nicht von der
Schusswaffe Gebrauch zu machen. Zudem wagten sie sich in die bis dahin gemiedenen
Großstadtbanken, welche zwar ein größeres Risiko bargen, aber
auch höhere Beute versprachen. Und zunehmend traten an die Stelle von Einzelgängern
nunmehr Gruppen, die exakt nach Plan vorgingen.
In
diese zweite Kategorie ordnet sich Heinz Klett ein, der gewissenlos und brutal
seine egoistischen Ziele verfolgt. Sein autoritärer Führungsstil steht
im krassen Gegensatz zum sozialen Geflecht seiner Komplizen, die, von oben beschriebener
Hoffnung angetrieben, eine Art Primärgruppe im soziologischen Sinne bilden.
Aufgrund der unvorhergesehenen Entwicklungen, die stets Folgen von Kletts rücksichtslosem
Vorgehen sind, wird diese Primärgruppe immer stärker in den Sog des
Verbrechens hineingezogen, aus dem es dann keinen Ausweg mehr gibt. Mit dem
Zusammenschluss der beiden Kategorien von Bankräubern und das daraus resultierende
Konfliktpotential liefert Olsen eine intelligente Analyse der Veränderungen
in der bundesdeutschen Kriminallandschaft der frühen siebziger Jahre.
Ein
weiteres Kennzeichen dieser Veränderung ist die Zunahme der Brutalität
bei Banküberfällen, vor allem durch das Aufkommen damit verbundener
Geiselnahmen. Allein 1971 verzeichnete die Kriminalstatistik sieben Verbrechen
dieses neuartigen Delikt-Typs. Der Überfall in der Prinzregentenstraße,
sowie Ende des Jahres auf eine Bank am Dom zu Köln (Olsen verweist ebenfalls
darauf), offenbarte der breiten Öffentlichkeit nicht nur die steigende
Gewaltbereitschaft der Täter, sondern entfachte zudem die Diskussionen
über die Rolle der Medien, die den Fernsehzuschauern die Ereignisse in
Form eines Kriminalfilms servierten.
Gerade
die Ereignisse in Köln und deren formale Darstellung in der TAGESSCHAU
("[Das] TAGESSCHAU-Spiel [...] war der bisher beste aller 'TATORT'-Krimis",
DER SPIEGEL, Nr.1-2, 1972) wiesen Parallelen zu Tom Toelles zeitlosem TV-Meisterwerk
DAS
MILLIONENSPIEL
(1970) auf. Dieses suggeriert die fiktive Live-Übertragung eines Spiels,
in dem der Kandidat, von schwer bewaffneten Jägern verfolgt, sieben Tage
überleben muss, um dann eine Million Mark vom Veranstalter zu kassieren.
Nicht wenige Zuschauer hielten das Gesehene damals für real und bewarben
sich nach der Ausstrahlung des Fernsehspiels für die nächste Sendung!
Stilistische Einflüsse des MILLIONENSPIELS auf die Darstellungen der Reportage
in der TAGESSCHAU waren nicht von der Hand zu weisen. Das Verhalten der Zuschauer
an den Tatorten selbst bleibt ebenso fragwürdig. In Köln lagen die
Bürger in ihren Fenstern, "als ob de Zuch kütt" (DER SPIEGEL,
Nr.1-2, 1972) und in München regierte eine Art Kirmesatmosphäre. Das
tausendköpfige Publikum beobachtete das Geschehen hinter den Absperrseilen
der Polizei, aus den umliegenden Wohnungsfenstern und aus dem, der Bankfiliale
gegenüberliegenden, Feinschmecker-Lokal KÄFER. Als gegen Mitternacht
ein Täter und seine Geisel die Bank verließen, johlten und pfiffen
die Zuschauer und riefen Statements wie: "Hängt sie doch auf"
(DER SPIEGEL, Nr. 34, 1971).
Dieses
beispiellose Setting benutzt auch Olsen in BLUTIGER FREITAG und entwickelt daraus
eine beeindruckende Interview-Sequenz, welche einerseits an die populären
Report-Filme erinnert, andererseits aber den wahnsinnigen Show-Charakter des
Verbrechens kennzeichnet. Auch hier wird heftig über die Todesstrafe debattiert,
wobei die von den Medien befragten Schaulustigen diese überwiegend befürworten.
Laut einem Interview lehnte Olsen selbst dieses Strafmaß als wirkungslos
ab.
An
dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass BLUTIGER FREITAG
weit davon entfernt ist eine intellektuelle Aufarbeitung der kriminellen und
medialen Entwicklung der frühen siebziger Jahre zu liefern. Olsens Film
folgt überwiegend den Gesetzen des Genrekinos. Doch gerade in oben beschriebenen
Momenten weist er weit über die Grenzen des reinen Exploitationfilms hinaus.
Dies
trifft u. a. auch auf den ironischen Umgang mit seinen Charakteren zu. Bester
Beleg dafür ist ein wunderbarer Gastauftritt von Olsen selbst. Er mimt
in einer kurzen Sequenz eine Kunden der Tankstelle, in der Luigi arbeitet. Mit
"Helmut-Schön-Mütze" mokiert er sich über die Langsamkeit,
mit der Luigi die Scheiben seines Wagens säubert, und drückt diesem
mit der Bemerkung "Arschloch" herablassend eine Münze in die
Hand. Auch Olsens Enfant Terrible Heinz Klett erscheint in seiner Darstellung
als eine Überspitzung des Typs "brutaler Gewaltverbrecher". Kletts
hemmungslose Gewaltbereitschaft, seine menschenverachtenden Äußerungen
und seine ständig thematisierte sexuelle Perversion lassen ihn fast zur
Karikatur werden.
Letztere
Charaktereigenschaft jedoch verhindert dies eindrucksvoll und führt zu
einer Schlüsselsequenz des Films. Schon in der Bankfiliale gibt es immer
wieder Anspielungen auf Kletts sexuelle Abartigkeit, wie z. B. die Einstellung,
in der zunächst Kletts deutlich ausgebeulte Lederhose im Close-Up zu sehen
ist und die Kamera dann auf sein grinsendes Gesicht schwenkt. Ist dies zunächst
noch Ausdruck seines perfiden Machismo, so erfährt seine Neigung später
im Waldlokal eine irritierende Wendung. Dort kommt es nämlich zu einer
hässlichen Vergewaltigungsszene, in der die Kamera auf die Augen von Klett
und seines Opfers zoomt. In einer stakkatoartigen Schnittfolge liefert Olsen
Einblicke in das Seelenleben beider Charaktere. Kletts Phantasien setzen sich
aus blutigen Schlachthausszenen zusammen, während sein Opfer von lesbischen
Liebesspielen träumt. Technisch brillant umgesetzt, ist dies eine der unangenehmsten
Sequenzen des Films.
BLUTIGER
FREITAG lebt vor allem von seiner zentralen Figur Heinz Klett, dargestellt vom
grandiosen Raimund Harmstorf, der in dem legendären ZDF-Robbenfänger-Epos
DER SEEWOLF nach Jack London einst die berühmte rohe Kartoffel zerquetschte.
Der ehemalige Medizinstudent und Zehnkämpfer nahm sich 57jährig im
Mai 1999 das Leben, kurz nachdem bei ihm die Parkinsonsche Krankheit (Schüttellähmung)
diagnostiziert wurde. Das Kraftpaket Harmstorf ("Die Kartoffeln sind mein
Schicksal.") besticht hier weniger durch feinfühlige Darstellungskünste
als vielmehr durch sein grobes Auftreten, was ja bereits seine physische Präsenz
impliziert. Man spürt, dass er Heinz Klett lebt. Vielleicht seine beste
Rolle nach DER SEEWOLF.
Um
ihn gesellen sich zudem zwei italienische Schauspieler zweiter Garde, Gianni
Macchia als Luigi und Daniela Giordano als Modesalon-Inhaberin Dagmar Neuss,
die auch später dem italienischen Genrekino treu bleiben sollten. Ihre
Mitwirkung ist sicherlich der co-produzierenden Firma DAUNIA 70 zu verdanken,
welche u. a. durch die Produktionen MILANO KALIBER 9 (1971; Regie: Fernando
Di Leo) und DER MAFIABOSS (1972; Regie: Fernando Di Leo) in guter Erinnerung
bleibt. Erwähnenswert sind des weiteren die Auftritte des Klamaukkomikers
Ernst H. Hilbich als opportunistischer Kollaborateur Pylobar (seiner einzigen
ernsthaften, ja geradezu tragischen Rolle) und das traurige Schicksal des Christian-Darstellers
Amadeus August, der, wie sein Freund Werner Pochath, den Folgen einer AIDS-Infizierung
erlag.
BLUTIGER
FREITAG ist deshalb eines der Schlüsselwerk von Regisseur Rolf Olsen, weil
dieser häufig über den Tellerrand des Exploitationkinos hinwegsieht,
ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen. Die Inszenierung ist roh, die Dialoge
grob und die Gewalt oftmals spekulativ. Die auf das Wesentliche reduzierte Dramaturgie
entspricht den Gesetzmäßigkeiten des Genres. Und doch gibt es immer
wieder Momente, in denen Olsen die schematischen Muster aufbricht. BLUTIGER
FREITAG ist kein intellektuelles, aber intelligentes Exploitationkino und als
solches ganz Zeitgeist. Danke Rolf!
Stephan
Zabka
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Blutiger
Freitag
Originaltitel:
BLUTIGER FREITAG, VIOLENZ CONTRA VIOLENZ
Alternativtitel:
BLOODY FRIDAY
Bundesrepublik
Deutschland, Italien 1972
Regie:
Rolf Olsen
Produktionsfirma:
Lisa/Divana Film, München & Daunia 70, Rom; Weltvertrieb: E. Hillenbrand,
München
Produktion:
Günter Eulau
Drehbuch:
Rolf Olsen & Valeria Bonamano
Kamera:
Franz Xaver Lederle
Schnitt:
Eva Zeyn, Mimi Werkmann (dt. Version),
Amedeo Giomini (ital. Version)
Ton:
Peter Beil
Musik:
Francesco De Masi
Regieassistenz:
Robert Furch
Kamerassistenz:
Ernst Stritzinger
Ausstattung:
Heinz Eickmeyer
Kostüme:
Siegbert Kammerer
Maske:
Fritz Seyfried & Eva Uhl
Aufnahmeleitung:
F. K. Grund & Otto Retzer
Darsteller:
Raimund Harmstorf (Heinz Klett), Amadeus August (Christian Hofbauer), Gianni
Macchia (Luigi Belloni), Christine Böhm (Heidi Hofbauer), Ernst H. Hilbich
(Ernst Pylobar), Gila von Weitershausen (Marie Lotzmann), Daniela Giordano (Dagmar
Neuss), Walter Buschhoff (Walter Lotzmann), Renate Roland (Helga Radtke), Horst
Naumann (Dr. Mayer-Lippe), Ottone Mignone (Stevo), E. D. Fuhrmann (Oberstaatsanwalt),
Ursula Erber (Irmgard Zukunft), Werner J. Heyking (Dr. Emminger) u. a.
deutsche
Erstaufführung: 28.04.1972
Verleih:
Gloria
Format:
1:1,85
Laufzeit
97 Minuten (deutsche Kino-Version; außerdem existiert eine deutlich zensierte
deutsche Kinofassung)
Home-Entertainment
Video:
VMP
(92:20 Minuten, ungeschnitten, 1:1,66);
Astro.
DVD:
Astro/Best Entertainment.
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