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Bring
mir den Kopf von Alfredo Garcia
Der
am 21. Februar 1925 in Fresno geborene Regisseur und Autor David Samuel Peckinpah
hat das Kino der Moderne wie kaum ein zweiter geprägt und maßgeblich
beeinflußt. Dabei wehten dem exzentrischen wie gefürchteten Filmemacher
nicht selten stürmische Winde des Protestes entgegen, während umstrittene
Klassiker wie "The
Wild Bunch",
"Pat
Garrett jagd Billy the Kid"
oder "Steiner - Das eiserne Kreuz" Peckinpahs Ruf als kontroversen
Inszenator blutdurchtränkter Meisterwerke unterstrichen. So ist allein
Sam Peckinpahs beinahe komplett in Zeitlupe zelebrierter finaler Shootout von
"The Wild Bunch" (1969) für sich gestellt zu betrachten und auf
der einen Seite mit dem von Walter Hill ("Long Riders") initiierten
Stilismus, auf der anderen mit der in der Hauptsache von John Y. S. Woo ("A
better tomorrow") kreierten künstlerischen Erscheinungsform des "Heroic
Bloodshed" in Asien zu vergleichen um zu dem Schluss zu gelangen, dass
Peckinpahs zum Teil verstörende visuelle Brillianz im Zusammenspiel mit
einer Vielzahl atemberaubender Schnittmontagen bis heute die Speerspitze gewaltreicher
internationaler Kinoäthestik bildet. Dabei hob der bekennende Choleriker,
Säufer, Kokser und Hurenbock den Ethos der Kameraderie fast immer in den
Vordergrund und erzählte zumeist Geschichten von Männern, welche der
Lauf der Zeit schlicht hinter sich gelassen hatte. 1985 starb Sam Peckinpah
als einer der meistrezitierten Regisseure aller Zeiten und hinterließ
der Welt 14 Filme, welche fast ausnahmslos als Meisterwerke zu betrachten sind
und von denen mehr als eine Handvoll wahre Klassiker darstellen.
Im
Zuge seiner Arbeit äußerte sich der Hang zur Primärbekundung
von Kameradschaft auch in der sich stetig fortführenden Zusammenarbeit
mit den gleichen eingespielten Mitstreiter vor wie auch hinter der Kamera. So
zählten der Komponist Jerry Fielding, die Kameraverantwortlichen Lucien
Ballard und John Coquillon, sowie die im Schneideraum zu Höchstleistungen
aufgelaufenen Editorialkünstler Garth Craven, Robert L. Wolfe und Roger
Spottiswoode ebenso zu Peckinpahs engsten Vertrauten, wie auch die Schauspieler
James Coburn, Ben Johnson, Bo Hopkins, R. G. Armstrong, Strother Martin, L.
Q. Jones, Jason Robards, Kris Kristofferson und sein Leinwand-"Alter ego"
Warren Oates, welcher insgesamt in vier Filmen unter der Direktion Peckinpahs
mitwirkte. Die letzte Zusammenarbeit des Gespannes Peckinpah/Oates, "Bring
mir den Kopf von Alfredo Garcia" betitelt, geht auf das Jahr 1974 zurück
und bildet einen der meist unterschätzten Filme dieser Dekade. Nicht nur
aus dem Grunde soll diesem beeindruckenden Werk an dieser Stelle längst
überfälliger Tribut gezollt werden.
Der
lateinamerikanische Großgrundbesitzer El Jefe (Emilio Fernandez) zeigt
sich erbost über die ungewollte Schwangerschaft seiner Tochter, jedoch
schweigt sich diese über den Namen des Erzeugers aus. Erst die in einen
Armbruch gipfelnden Torturen seitens der Handlanger des eigenen Vaters tragen
den Namen Alfredo Garcia ans Tageslicht. Die Rache El Jefes manifestiert sich
nur Augenblicke später in einem ausgesetzten Kopfgeld in Höhe von
einer Millionen Dollar auf das Leben Alfredo Garcias, als Gegenleistung soll
lediglich das Haupt des ehrlosen Frevlers an den mächtigen Landeigner selbst
ausgeliefert werden. Der Auftrag wird an ein amerikanisches Unternehmen weitergeleitet,
welches unverzüglich eine Hetzjagd auf internationaler Ebene in die Wege
leitet. Und so geschieht es, dass einige Zeit später die homosexuellen
Profi-Killer Quill (Gig Young) und Sappensly (Robert Webber) in einer heruntergekommenen
Touristenfalle in Mexiko auf den Pianospieler Bennie (Warren Oates) treffen.
Dieser bekundet die Bekanntschaft Alfredo Garcias und beendet die Konversation
mit dem Versprechen sich umzuhören. Bennie befragt seine Freundin und Geliebte
Elita (Isela Vega), eine Prostituierte, nach dem Verbleib und Aufenthalt Garcias,
schließlich stand auch sie in lebhaftem Kontakt mit dem Todgeweihten.
Von Elita erfährt Bennie vom unlängst geschehenen Unfalltode Alfredo
Garcias und läßt sich für 10.000 Dollar anheuern, den Amerikanern
binnen einer Frist von drei Tagen den Kopf des Gesuchten zu präsentieren.
Mit Elita und einer Machete im Gepäck bricht Bennie Tags darauf zum Grabe
Alfredo Garcias auf, doch läßt er die Geliebte über die wahren
Absichten der Fahrt im Unklaren. Verfolgt von zwei mysteriösen Gestalten,
begeht das Paar den Ausflug mit einem Picknick und sinniert über eine gemeinsame
Zukunft. Doch erste dunkle Wolken ziehen auf, als Elita fast das Opfer einer
Vergewaltigung durch den Biker Paco (Kris Kristofferson) wird. Doch Bennie bewältigt
das Problem auf seine Weise und tötet sowohl Paco, als auch dessen Mitstreiter.
Die Stimmung sinkt weiter, als Elita von der tatsächlichen Bewandnis ihrer
gemeinsamen Reise erfährt, doch zwingt ihre Liebe zu Bennie sie in eine
fortwährende Verwicklung des Leichenraubes. Schließlich gelangen
die beiden zu besagter Grabstätte, doch nach getaner Arbeit wird Bennie
von den ominösen Verfolgern niedergestreckt. Lebendig begraben muß
der abgehalfterte Kleinganove nach der Ensteigung seiner Ruhestätte feststellen,
dass Elita von den Häschern getötet wurde. Ausser sich vor Zorn nimmt
Bennie die Verfolgung der Mörder auf und erschießt die beiden im
Zuge einer Autopanne. Mit dem von Fliegenschwärmen umschwirrten Leinenbeutel,
welcher den abgehackten Kopf Alfredo Garcias beinhaltet, als makabrem Beifahrer
macht sich Bennie schließlich auf, seine Prämie einzustreichen. Jedoch
soll die beschwerlich-staubige Strasse des Triumphes noch von zahlreichen Leichen
gesäumt werden, stellen sich doch nicht nur die hintersinnigen Amerikaner
in Bennies Weg, sondern auch die Familie Alfredo Garcias höchstselbst...
Auf
den ersten Blick erscheint es erstaunlich, dass Sam Peckinpah für seinen
persönlichsten Film auf die Mitarbeit so vieler vertrauter wie bewährter
Personen in seinem Umfeld verzichtete, zeigen sich doch neben den Darstellern
Warren Oates ("Ride the high country", "Major Dundee", "The
wild bunch"), Kris Kristofferson ("Pat Garrett jagd Billy the Kid",
"Convoy") und Emilio Fernandez ("The wild bunch", "Pat
Garrett jagd Billy the Kid") lediglich der Schnittverantwortliche Garth
Craven ("Pat Garrett jagd Billy the Kid", "Convoy"), sowie
Komponist Jerry Fielding ("The wild bunch", "Wer
Gewalt sät",
"Junior Bonner", "Die Killer Elite") an der Produktion beteiligt.
Im Zuge der sehr detailliert ausgefallenen Charakterisierung Bennies gestattet
Peckinpah dem Betrachter einen fast intimen Blick auf seine eigene Person und
sein Selbstverständnis im Jahre 1974. Wie Bennie ist auch Sam Peckinpah
als eine Art ausgebrannter Söldner zu betrachten, welcher in steter Folge
Rückschläge zu verkraften hat und dessen gesellschaftlicher Umgang
von Prostituierten geprägt ist. Darüber hinaus verzichtet Peckinpah
bei "Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia" auf seinen sonst so innigst
gepflegten Ethos der Kameraderie und erzählt statt dessen die Geschichte
eines Einzelgängers im Kampf gegen den Rest der Welt; eine fast eindeutige
Reflektion des verzweifelten Krieges des Regisseures gegen die scheinbar alles
beschneidende Filmindustrie. Doch zeigt das Schicksal Bennies zudem unfreiwillige
Parallelen zu Peckinpahs kreativer Abschiedszeit auf, in welcher er wie die
Figur seines Filmes für hochrangige "Bonzen" unterqualifizierte
Arbeiten vorlegte. Jedoch sollte unter den vier verbleibenden Filmen der aktiven
Schaffensperiode des Sam Peckinpah noch das 1977 inszenierte Meisterwerk "Steiner-Das
eiserne Kreuz" entstehen, welches im Gegenzug überschattet wurde von
klischeebeladenem Unterhaltungskino der Kategorie "Convoy" oder "Das
Osterman Weekend". In den Jahren nach der Fertigstellung seines Geniestreiches
"The wild bunch" verkam der kantige Inszenator allmählich vom
handfesten Trinker zum Vollzeitalkoholiker und brachte seiner Gesundheit somit
erste vernichtende Niederlagen bei. "Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia"
markiert im Kontext seiner nach "The wild bunch" entstandenen Filme
die erste Arbeit ohne den Einfluß von alkoholischen Genußmitteln.
Peckinpah selbst soll in diesem Zusammenhang einmal angemerkt haben, dass ihm
sein Arzt vor Beginn der Dreharbeiten zu "Alfredo Garcia" das Trinken
strikt verboten haben soll und er aus diesem Grunde auf Marihuana umgestiegen
sei! Nebenbei besaß Peckinpah bei "Bring mir den Kopf von Alfredo
Garcia" auch das seltene Privileg uneingeschränkter Handlungsfreiheit,
welche sogar die Überwachung der endgültigen Schnittfassung einschloß
und ihn dazu veranlasste, den Film als beinahe einziges Werk im Gesamtbild seiner
Arbeiten als "sein" zu betrachten. Unbestritten zählt dieser
Streich Peckinpahs zu seinen intensivsten und ausdrucksstärksten Ausgeburten
und nicht zuletzt aufgrund der feinen Charakterzeichnungen zu den gelungensten.
Warren Oates ("1941", "Das fliegende Auge") zieht dabei
alle Register seines Könnens und begeistert durch ein großartiges
Mienenspiel, welches zwischen innerer Zerrissenheit und fast perversem Gerechtigkeitssinn
taumelt, das fast unvermeidbare Selbstopfer am Ende mit eingeschlossen. Die
darstellerische Leistung Isela Vegas ("Joshua", "Barbarosa")
harmoniert indes perfekt mit dem tiefgreifenden Spiele Oates und bildet obendrein
eine der wenigen prägnanten Frauenrollen im Gefüge Peckinpah´scher
Werke. Abgerundet wird das Geschehen darüber hinaus von Gig Young ("They
shoot horses, don´t they?", "Kid Galahad"), Robert Webber
("Schütze Benjamin", "Nuts") und Emilio Fernandez ("Die
Rückkehr der glorreichen Sieben", "Erotica"). "Bring
mir den Kopf von Alfredo Garcia" ist glänzende Charakterstudie, lakonischer
Thriller und schwermütiges Road-Movie in einem. Momente beinahe andächtiger
Ruhe werden dabei stetig durch den Einsatz von unheilsverkündenden Elementen
und Bildern, sowie dem schlichten Einbringen unbequemer Randfiguren durchbrochen,
während trockener Humor und blanker Zynismus die wankelmütige Stimmung
unterstreichen. Auf formaler Ebene verzichtet Sam Peckinpah in diesem Falle
zwar überwiegend auf ausufernde Gewaltdarstellungen, doch zollt der Rahmen
der Handlung und der gegen Ende rasant ansteigende Leichenberg dem fast schwelgerischen
Umgang des Regisseures mit Gewalt einen ausreichenden Tribut. Dabei gibt es
auch hier wieder die gewohnt faszinierenden Zeitlupensequenzen zu bestaunen,
welche über die Jahre hinweg den Stil des Sam Peckinpah prägten. "Bring
mir den Kopf von Alfredo Garcia" ist kein massentauglicher Unterhaltungsfilm,
sondern eher unbehagliches Kunstkino, brilliant gespielt und sehenswert inszeniert.
Obendrein lohnt die Suche nach einem der besten Werke Peckinpahs allein schon
der fulminanten Vorstellung des Warren Oates wegen.
Thomas
Mayer
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
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diesem Film gibt’s im archiv
mehrere Texte
Bring
mir den Kopf von Alfredo Garcia
BRING
ME THE HEAD OF ALFREDO GARCIA
USA
- 1974 - 112 min.
FSK:
ab 18; nicht feiertagsfrei
Verleih:
United Artists
Erstaufführung:
15.8.1974
Fd-Nummer:
18944
Produktionsfirma:
Optimus
Produktion:
Martin Baum
Regie:
Sam Peckinpah
Buch:
Gordon Dawson, Sam Peckinpah
Kamera:
Alex Phillips jr.
Musik:
Jerry Fielding
Schnitt:
Garth Craven, Robbe Roberts, Sergio Ortega, Dennis Dolan
Darsteller:
Warren
Oates (Bennie)
Isela
Vega (Elita)
Gig
Young (Quill)
Robert
Webber (Sappensly)
Kris
Kristofferson (Paco)
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