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Bugs! – Abenteuer
Regenwald in 3D
Effekt frisst Insekt
Insekten in 3D? Da erwacht der Mann
im Kinde und sein Forschergeist, praktiziert sich die 3D-Brille auf die Nase,
legt die Scheibe in den Player und glaubt zu schielen. Wenn unter 3D zu verstehen
ist, dass man statt einer gleich drei parallel sich abseilende Spinnen sieht,
dann ist „Bugs!“ wohl in 3D gedreht. Vielleicht sich erst dran gewöhnen?
Doch nach zehn Minuten setzen zeitgleich mit einer sehr vagen räumlichen
Wahrnehmung leider vor allem erste Anzeichen von Kopfschmerz ein. Also die Brille
zur Seite gelegt, das Ganze zurück auf Start in der alternativen 2D-Version.
Hier endlich kommen die Eier, Larven, Puppen, Raupen, Schmetterlinge, Fliegen,
Gottesanbeterinnen hochauflösend und scharf ins Bild, doch was wird uns
dergestalt präsentiert? Nichts Wissenwerteres und optisch Revolutionäreres
als das, was uns täglich im Fernsehen geboten wird oder wir im Biologieunterricht
sehen durften. Im Gegenteil, das Hauptaugenmerk der Macher schien tatsächlich
der Technik zu gelten, deren Spielereien und nicht den Geheimnissen der Natur.
Auffallend ist in „Bugs!“ tatsächlich
die Abwesenheit jeglicher biologischer Neugierde. Der natürliche Lebensraum
„Regenwald“ und die spezifischen Charakteristika der gezeigten Arten müssen
den Machern als eine Art Störfaktor gegolten haben, denn, wie im „Making
of“ zu sehen, kauften sie den Hauptschauplatz, eine Indianerhütte, einem
Eingeborenenvölkchen ab, um sie aus dem überschwemmungssicheren Dorf
zu entfernen und sie malerischer aber völlig unauthentisch direkt an einem
Flusslauf wieder aufzubauen. Dortselbst werden in die nun von Menschen unbewohnte
Kulisse Kerbtiere befördert, um sich zu entpuppen und gegenseitig zu fressen
(sehr viel mehr lernen wir nicht, weil die Macher offenbar nicht mehr Hintergrundswissen
hatten). Als man in einer Höhle Krabbelaktivitäten vorfindet, werden
tiefe Löcher gebuddelt, damit die Riesen-3D-Kamera nah genug heran rankommt
und weil eine normale Höhle doch zu wenig nach einer „echten“ Höhle
aussieht, werden kurzerhand woanders Moose ausgerupft, um damit den Höhlenboden
zu dekorieren.
Diese also stark gefakten, aber wenigstens
in einem (nicht näher bezeichneten) Regenwald gefilmten Szenen machen jedoch
nur etwa ein Drittel des Films aus, denn die Hauptdreharbeiten fanden im authentischen
englischen Studio statt, wie das Making of (das mit 45 Minuten länger ist,
als der nur 38 Minuten kurze Film selbst) offenherzig und mit völlig unangebrachtem
Stolz verrät. Hierhin transportierte und baute man jene Original-Indianerhütte
also zum zweiten Mal auf und platzierte die in Boxen gesammelten und mitgebrachten,
da „interessant aussehenden“ Geziefer so lange in fotogenen Perspektiven, bis
sie das taten, was sie sollten. Das konnte Stunden dauern, und muss nicht nur
die Nerven des Teams sondern auch die Gesundheit der Tiere strapaziert haben.
Es ist fast ein Wunder, dass das Making of nicht auch noch damit angibt, wie
viele Insekten für die Dreharbeiten sterben mussten. Das Peinlichste ist,
dass der Film in Zusammenarbeit mit dem WWF, dem World Wildlife Fund, entstand.
Das Interessanteste am Film, da symptomatisch
für den Zeitgeist, aber sind seine Wertigkeiten. Der „Spiegel“ etwa bejubelte
die „atemberaubende Imagepflege, für alles, was krabbelt, kreucht und fleucht“,
und bringt so auf den Punkt, was zeitgenössische Teenager mit der Deutschen
Telekom und zeitgenössischen Insekten gemeinsam haben: Die perfekte Hülle,
die gewiefte Public Relation, die eindrucksvolle Präsentation. Dass gerade
eine sozial verkorkste, aber teuer angezogene Generation heranwächst, dass
die Werbung das einzige ist, was bei der Telekom wirklich funktioniert, dass
„Bugs!“ Insekten zwar in sensationslüsterner Großaufnahme, aber rücksichtslos
und desinteressiert an der Kreatur vorführt und sich im Endeffekt nicht
von irgendeinem Insekten-Horrorfilm unterscheidet, wen interessiert das schon,
so lange ein „Image“ stimmt?
Irgendwann mal in den Siebzigern
hatte ein gewisser Horst Stern mit einer Sendung namens „Bemerkungen über
die Spinne“ das deutsche Fernsehpublikum wirklich seines Atems beraubt, nicht
weil er Spinnen unter einem 3D-Mikroskop festklemmte, sondern weil er sie wirklich
aufmerksam beobachtete! Das Wundersame war damals die unbekannte Lebensweise
der Tiere und nicht die Eitelkeit, mit der ein Regisseur sein viel zu teures
Equipment vorführt...
Andreas Thomas
Bugs! Abenteuer
Regenwald in 3D
(BUGS! A Rainforest Adventure)
UK 2003
Regie: Mike
Slee
Altersfreigabe
FSK o.A.
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