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Casanova (2005)
Kaspernova
Verfilmungen historischer Stoffe, insbesondere amerikanischer
Provenienz, reizen ebenso wie Literaturverfilmungen zur peniblen Mäkelei,
was alles so nicht gewesen sein kann bzw. nicht oder außerdem oder ganz
anders im Buch stand. "Casanova" ist in gewisser Weise beides, denn
der historische Stoff ist vom Sujet selbst in Literatur verwandelt und durch
voyeuristisch verkürzte Auswahl zur Legende geworden. Das alles zu verfilmen
hat nur einer geschafft: Federico Fellini. Verhältnismäßig unverhältnismäßig
wäre angesichts Lasse Hallströms Film eine vergleichende Kritik, ebenso
fruchtlos, historisches Wissen gegen eine Hollywoodproduktion in Stellung zu
bringen; das hieße Klugscheißen, wo doch auf das "klug"
getrost verzichtet werden kann.
Nur so viel, weil das Drehbuch sich einiger weniger
Fakten bedient, etwa der sehr einladenden Tatsache, daß Giacomo Casanova
als Schauspielerkind bei der Großmutter aufgewachsen ist: Von der Epoche
des Rokoko, die der selbsternannte Chevalier de Seingalt wie kein anderer verkörpert,
ist hier nichts zu sehen, von den dunkel-sinnlichen Pastelltönen, von gepuderten
Perücken oder ebensolcher Ausdrucksweise einer untergehenden Zeit weiß
dieser Film nichts. Das Schauspieler-Motiv allerdings nimmt er dankbar auf,
indem einerseits der ständig sich verstecken und verstellen müssende
Casanova zum Helden einer Verwechslungskomödie eingedampft wird, und andererseits
quasi emblematisch für die Intention des Regisseurs in jedem Winkel Venedigs
ein Kasperletheater steht, wo vor johlender Menge die neuesten Schoten und Zoten
des stadtbekannten Wüstlings zum besten gegeben werden.
Doch nicht einmal derber Puppentheaterklamauk ist
Hallström gelungen, obwohl sich ein walfischfetter Oliver Platt redliche
Mühe gibt, während Jeremy Irons’ Eitelkeit eine durchschlagende Knallchargenwirkung
verhindert. Lena Olin und Sienna Miller stehen dem in der Titelrolle hilf- und
ausdruckslos herumstolpernden Heath Ledger tapfer zurseite, und sogar an Originalschauplätzen
durfte gedreht werden, was ganz am Anfang sogar richtig schön aussieht,
wenn Casanova über sonnenbeschienene Dächer seinen Verfolgern entflieht,
und auch ganz altmodisch hübsch ist, wenn er dann durch ein Fenster hüpft
und – Schnitt – in Vicenza im Teatro Olimpico steht, das hier den Hörsaal
einer Universität vorstellt.
Vermutlich können Regisseure im Zeitalter computergenerierter
Szenerien nicht mehr viel mit echten Drehorten anfangen, Venedig jedenfalls
ist in keinem Moment ein lebendiger Darsteller dieses Films; der Karneval sieht
aus wie „Mainz bleibt Mainz“ und die Häuser von außen so, als stünden
drinnen Ikea-Möbel; ein lauer Spaß für die ganze Familie mit
anzüglichen Scherzen für Vati, der getrost auch im nachgebauten Las
Vegas-Venice hätte gedreht werden können.
Thomas Warnecke
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Casanova
USA
2005 - Regie: Lasse Hallström - Darsteller: Heath Ledger, Sienna Miller,
Jeremy Irons, Lena Olin, Oliver Platt, Natalie Dormer, Charlie Cox, Phil Davies,
Stephen Greif, Omid Djalili, Paddy Ward - FSK: ab 6 - Länge: 108 min. -
Start: 9.2.2006
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