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Casomai
- Trauen wir uns?!
Eisläufer sein wollen die Beiden, auf glattem Grund sich dennoch
sicher und majestätisch fortbewegen. Keine sonderlich einfallsreiche Metapher
für die Ehe vielleicht, aber zumindest optisch macht sie Einiges her: Es
ist einer der - wenigen - ästhetisch aufregenden Augenblicke in Casomai, wenn die Silhouetten zweier Eisläufer sich abzeichnen vor einem
abstrakt blinkenden und blitzenden Lichterhintergrund. Wenn die Musik jedoch
endet, kehrt Normalität ein in den Film von Alessandro D'Altari. Keine
Experimente mehr, wie der kurze Eistanzeinschub, keine visuellen Leckerbissen
bietet Casomai seinem Zuschauer, sondern einfache Bilder und eine einfache Geschichte:
die einer Trennung.
Ein Jahr lang waren sie zusammen, jetzt wollen sie heiraten: Stefania
(Stefania Rocca) und Tommaso (Fabio Volo). Verliebt gewesen sind sie, und sie
haben geglaubt, die Liebe könne ewig halten. Mit der Ehe jedoch haben sie
dabei nicht gerechnet. Die nämlich macht die Liebenden mürbe - die
alten Konflikte um Kind und Karriere, sexuelle Verlockungen auf seinen zahlreichen
Geschäftsreisen als erfolgreicher Werber, die Streitereien zwischen den
Partnern um Zeit und Zuneigung - all das stellt sich schnell ein nach der Hochzeitszeremonie.
Der Regisseur inszeniert seinen Stoff unaufgeregt, er beobachtet die Protagonisten
und einige befreundete Paare dabei, wie sie sich gegenseitig beobachten, wie
sie übereinander reden, wie einige von ihnen zu all dem werden, was sie
nicht wollten.
Casomai war in Italien ein großer Erfolg - über eine halbe Million
Menschen sahen den eigentlich doch eher unspektakulären Film in seinem
Heimatland. Das mag auch an seiner heimlichen Hauptfigur liegen, dem Pater Don
Livio (Gennaro Nunziante), der sicher nicht zufällig an den Filmpfarrer
Don Camillo erinnert. Die Hochzeitszeremonie, und mit ihr der Pfarrer, stehen
ganz wörtlich im Zentrum des Films - hier endet die Liebesgeschichte der
Protagonisten und hier beginnt ihre Trennung. Die Predigt zur Hochzeit, das
sei hier vorweg genommen, gestaltet sich reichlich unkonventionell, und der
Pfarrer hat sogar, wie sich am Ende heraus stellt, mit dem schlechten Verlauf
des Lebens von Stefania und Tommaso, auf seine Art eine ganze Menge zu tun - alles ist dann auf einmal anders, als man geglaubt hat. Das Ende
des Films übrigens ist eine Luftnummer, ein grotesker Deus ex machina,
und es relativiert nicht nur die Geschichte, die zuvor erzählt wurde, sondern
auch die Möglichkeit, sie ernst zu nehmen.
Ob Casomai hierzulande nochmal so viele Besucher anlocken kann, wie aus reichlich
unerfindlichen Gründen in Italien, scheint zweifelhaft: Zu austauschbar
bleibt die Geschichte einer scheiternden Ehe, zu gewöhnlich und vorhersehbar
ist das Buch geschrieben, und zu einfallslos ist Casomai an die visuelle Umsetzung seiner Ideen herangegangen. Wie man Liebes-
und Trennungsgeschichten visuell und inhaltlich aufregend erzählen kann,
das haben gerade erst Eternal Sunshine of a Spotless Mind oder Jeux d'enfants vorgeführt, in wenigen Wochen wird Francois Ozon mit 5x2 seine Meisterleistung zum gleichen Thema vorlegen. Ein skurriler Pfarrer
und eine nette Eistanzsequenz reichen dafür nicht aus.
Benjamin Happel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Casomai
- Trauen wir uns?!
Italien
2002 - Originaltitel: Casomai - Regie: Alessandro D'Alatri - Darsteller: Stefania
Rocca, Fabio Volo, Gennaro Nunziante, Mino Manni, Sara D’Amario, Paola Bechis,
Andrea Collavino, Ada Treves - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge:
114 min. - Start: 9.9.2004 (1. Woche)
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