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Cobra
Verde
Ernsthafte
Filme zum Thema Sklaverei im 19. Jahrhundert sind selten. Auffällig ist
eher eine Bagatellisierung dieses wichtigen und tragischen Kapitels der Kolonialgeschichte
im Rahmen von Genrefilmen. Bei amerikanischen Filmen wie Richard Fleischers
MANDINGO (bei Kinowelt in Vorbereitung) und Steven Spielbergs AMISTAD herrscht
zudem eine weiße Erzählperspektive vor, die den eigentlich betroffenen
Afrikanern kaum eine Stimme lässt. Lediglich die AMISTAD-Variante VERDORBENE
FRACHT konnte die Thematik um einen Perspektivwechsel erweitern - aber auch
dieser Film ist von einem weißen Independentregisseur inszeniert. Verfilmungen
von 'Onkel Toms Hütte' prägten ein Klischee im Umgang mit dem Thema,
Exploitationfilme beuteten es aus (Russ Meyers BLACK SNAKE etwa). Lediglich
die radikale Semidokumentation ADDIO ONKEL TOM von Jacopetti und Gualtieri verschaffte
eine Ahnung davon, wie es gewesen sein könnte. Und dieser Film ist kaum
bekannt... (erschienen bei Blue Underground auf DVD).
Nun
ist Werner Herzogs Annäherung an das Thema heute neu betrachtet bei weitem
nicht so schlecht wie der vorauseilende Ruf, doch auch dieser Film tappt durch
seine Perspektive in einige Fallen. COBRA VERDE erzählt mit Klaus Kinski
in der Hauptrolle von der Odyssee des Banditen Francisco Manoel da Silva, der
zunächst zum Verwalter einer Plantage in Brasilien ernannt wird, dessen
drei minderjährige Töchter schwängert und zur Strafe als Sklavenhändler
nach Afrika geschickt wird. Dort ist die koloniale Infrastruktur bereits zusammengebrochen,
und da Silva gelingt es nur unter Mühe und mit äußerstem Verhandlungsgeschick,
den afrikanischen Stammeskönig für sich zu gewinnen. Doch statt eines
neuen Handels zettelt er mit Hilfe eines Heeres von Amazonen eine Revolution
an.
COBRA
VERDE beginnt wie ein italienischer Revolutionswestern der sechziger Jahre:
Cobra Verde da Silva hat bereits einen mythischen Ruf als Bandit erlangt und
die Straßen leeren sich, wenn er auftritt. Seine unberechenbaren Wutausbrüche
sind gefürchtet. Und so kann ihn die domestizierte Atmosphäre der
Plantage nicht lange halten. Statt in Afrika getötet zu werden, findet
er sich dort umvermittelt in seinem Element - als Rebell im Widerstreit der
Kräfte. Natürlich ist er - wie immer bei Herzog - ein Scheiternder,
der seine Mission schließlich aufgibt und mit einer letzten übermenschlichen
Anstrengung ein Boot ins Meer ziehen möchte - ein Bild, das zu Herzogs
großartigsten Inszenierungen gehört.
Was
den Film überschattet, ist das bereits stark geschädigte Verhältnis
zwischen Regisseur und Hauptdarsteller, mit dem er danach nie mehr zusammenarbeitete.
Kinski kann sein aufschäumendes Temperament oft nur mühsam unter Kontrolle
halten, wirkt oft wie ein naives Kind - dann wieder wie ein hysterischer Berserker.
Das verleiht der an sich unsympathischen Figur einen gewissen Reiz, schließt
um so mehr an Kinskis Italowestern-Auftritte an. Doch vermutlich ist diese fünfte
Zusammenarbeit zu Recht die letzte. Kinski selbst hat danach keine bedeutenden
Rollen mehr übernommen.
Da
der Film an authentischen Schauplätzen und mit afrikanischen DarstellerInnen
gedreht wurde, vermag er stilistisch zu überzeugen, wirkt auch weniger
spröde als Herzogs frühere Versuche. Die deutsche Synchronisation
wartet dann auch mit einem einwandfreien Raumklang auf, wobei die englische
Originaltonspur etwas weniger künstlich wirkt. Auch zu diesem Film hat
Florian Fricke/Popol Vuh die Musik komponiert, doch sie erklingt selten, lässt
den lokalen Geräuschen viel Raum. Ein Trailer lag leider nicht vor.
Interessant
ist in jedem Fall der separate Audiokommentar, der jedoch besser über die
Bilder gelegt worden wäre, denn er ist sehr lang. Herzog ist sich der Schwächen
des Films sehr bewusst, erzählt jedoch sehr interessante Details über
die Entstehung und sein Treffen mit dem australischen Autor Bruce Chatwin, von
dem die Vorlage stammt. Die 45 Minuten Ausschnitte aus dem Drehtagebuch bestätigen
viele der Erzählungen und bieten einen gelungenen Einblick in Herzogs Arbeitsweise.
So
ist auch diese DVD unverzichtbar für Sammler des Herzog- bzw. Kinski-Oeuvres.
Wer einen geradlinigen Abenteuerfilm erwartet, wird wohl eher irritiert sein
über den unregelmäßigen Erzählduktus des Films, der oft
bei einzelnen Momenten verharrt (etwa dem Lied der Sklavinnen), doch man kann
annehmen, dass Kinskis Charisma einiges Faszinosum birgt.
Marcus
Stiglegger
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Cobra
Verde
Deutschland/Ghana/Brasilien/Kolumbien
1987
Start:
03.12.1987
Regie:
Werner Herzog
Drehbuch:
Werner Herzog
Schauspieler:
Klaus Kinski, Jose Lewgoy, Nana Fedu Abodo, King Ampaw, Salvatore Basile, Peter
Berling, Guillermo Coronel, Kwesi Fase, Aggefi Kwame II von Nsein, Pedro Oliveira,
Benito Stefanelli
DVD
Bild:
1,78:1 (anamorph)
Ton:
Deutsch (5.1), Englisch (2.0)
FSK:
ab 12 Jahren
Bonus:
Audiokommentar von Herzog und Laurens Straub, Fotogalerie, Biographien, Trailer
(nicht für COBRA VERDE), Dokumentation HERZOG IN AFRIKA (Ausschnitte)
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