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Crash
Test Dummies
Wie im wahren
Leben
Rumänische Autoüberführer, unglückliche
Kaufhausdetektive, Reisebüroangestellte, die nach dem Himmel heißen:
Für seinen Film "Crash Test Dummies" hat der österreichische
Regisseurs Jörg Kalt sie lose zu einem amüsanten Reigen verhakelt
Die wenigsten sind richtig gut, und trotzdem werden
sie immer wieder gemacht: Filme, die die Last der Handlung gleichmäßig
auf einen nur lose miteinander verknüpften Satz von Figuren verteilen.
Der Reigen-Charakter garantiert, dass eine Menge vor sich geht und doch im Grunde
nichts passiert. Im wahren Leben soll das angeblich ja auch so sein.
"Crash Test Dummies" von Jörg Kalt
ist ein würdiger Vertreter seines Genres, das bestens funktioniert, ohne
ihm etwas Neues hinzuzufügen. Worin ein gewisser Reiz liegt, drückt
sich doch gerade darin etwas spezifisch Österreichisches aus: das blasierte
Abwinken gegenüber denen, die immer meinen, etwas "erfinden"
zu müssen. Typisch für Reigen-Filme ist, dass sich die einzelnen Ereignisse
um ein großes Ereignis herumranken, das letztlich demokratisch über
alle Figuren hereinbricht. In "Crash Test Dummies" ist es die EU-Erweiterung.
Wahrscheinlich kam das bei den Filmförderungsgremien gut an, die mögen
diese Art von aktuellen Bezügen ja besonders.
Wir schreiben also April 2004, die Europäische
Gemeinschaft steht kurz vor der größten Erweiterung ihrer Geschichte,
als im fernen Bukarest ein junges Paar zum Busbahnhof gefahren wird. "Bringt
mir Dollars mit!", schreit ihnen die Mama hinterher, und die Tochter korrigiert:
"Euros, Mama, es geht um Euros."
Natürlich denkt man im ersten Augenblick, dass
die Rumänen sich diese Euros als die titelgebenden "Crash Test Dummies"
verdienen wollen, aber so vorhersehbar will der Film dann doch nicht sein. Ana
und Nicolae sollen ein gestohlenes Auto nach Rumänien überführen,
aber als sie in Wien am Treffpunkt ankommen, ist das Auto noch nicht "fertig"
und ihnen wird gesagt, eine Woche später wiederzukommen. Doch das Geld
geht ihnen schon nach einer Nacht aus, und wie das so ist unter jungen Paaren,
die das erste Mal den Verführungen des Westens ausgesetzt sind, verstreiten
sie sich, und so beginnt jeder für sich seinen kleinen Leidensweg. Die
Großstadt Wien erscheint reduziert auf eine öde Passage mit Supermarkt
und einer skurrilen, lose zusammenhängenden kleinen Gruppe von Menschen,
deren Lebenswege sich nun in einem fort und gegen alle Wahrscheinlichkeiten
immer wieder mit den beiden Rumänen kreuzen.
Da ist Jan, der Ana und Nikolae das erste Mal beobachtet,
als er gerade in seinem neuen Job als Kaufhaus-Detektiv angelernt wird. Außerdem
gibt es noch die Exfreundin, der er nachtrauert, und seine Mitbewohnerin Martha,
die ihr Geld tatsächlich als Crash Test Dummy verdient. Hinzu kommen Dana
und ihre Kollegin Sky ("Meine Eltern waren Hippies!") aus dem Reisebüro
sowie Herr Schlaginhaufen, der "Nick Knatterton" lesende Kaufhausdetektiv,
der so gerne mal in Urlaub gehen wollte, wenn er nur einen würdigen Vertreter
fände. So unterschiedlich sie sind, befinden sich doch alle in einer ganz
ähnlichen Lage des allzu erträglichen Unglücks.
Für den Zuschauer ist das nur wegen der Schauspieler
erträglich, vor allem wegen einem: Simon Schwarz spielt Jan, vordergründig
das Klischee des lieben Freundes, bei dem Gutmütigkeit nahtlos in Passivität
übergeht. Man weiß schon, warum die Freundin nicht bei ihm bleiben
wollte und selbst der eigene Hund ihn nicht respektiert.
Schwarz verleiht seinem Jan jedoch eine präzis
dosierte selbstironische Nuance, gerade genug, um witzig zu sein, doch nie die
Grenze zur Blasiertheit überschreitend. Sodass man wiederum ganz gut versteht,
was die jeder Gutmütigkeit entwöhnte Ana an ihm findet. Aber vor dem
drohenden Happy End wird natürlich reichlich gekotzt, schließlich
kommt dieser Film aus Österreich.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist
zuerst erschienen in der taz vom 10.5.2007
Crash
Test Dummies
Österreich
2005 - Regie: Jörg Kalt - Darsteller: Maria Popistasu, Bogdan Dumitrache,
Simon Schwarz, Kathrin Resetarits, Vivian Bartsch, Ursula Strauss, Barbara Albert,
Christoph Künzler - FSK: ab 12 - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 93 min.
- Start: 10.5.2007
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