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Daniel,
der Zauberer
Ein
Heroe der jungen deutschen Trashkultur: Daniel Küblböck, nur um ein
Haar um den Titel des deutschen "Superstars" vorbeigeschlittert –
verdient hätte er es ja, trotz der Kermit-Stimme, die Dieter Bohlen ihm
vor der ganzen Fernsehnation attestiert hat. Kurz nach den Superstars war er
einer von jenen, die aus dem Dschungelcamp geholt werden wollten und balgte
sich mit tausenden Kakerlaken in einem Schneewittchensarg. Dann der Autounfall
– ein Gurkenlaster stand im Weg, schwer verletzt kam Daniel ins Krankenhaus
und all das wurde natürlich taufrisch über die BILD-Zeitung in die
Wohnzimmer des Landes getragen. Eine eigenwillige Erscheinung ist er – androgyn,
selbstbewußt und trotzdem ungemein charismatisch. Das fand auch Ulli Lommel,
als er ihn bei einem Konzert gesehen hat, und der ehemalige Fassbinder-Star
griff sofort zu – die Zusammenarbeit der beiden ist wohl eines der ungewöhnlichsten
Experimente des Kinosommers.
Die
meiste Zeit des Films steht Daniel auf der Bühne und singt: Songs mit so
wunderbaren Refrains wie Teenage Tears Don't Dry That Fast, gefilmt wird er
dabei mit wackligen Bildern aus der Handkamera. Teenage-Fan Petra (Marina Lommel)
sitzt im Publikum, neben sich den griesgrämigen Opa Winter (Peter Schamoni),
dessen Abneigung gegen Daniel von dessen "positiver Energie" sehr
bald besiegt werden wird. Zwei der Konzertbesucher (Adele Eden und Oliver Möller)
allerdings meinen es nicht ganz so gut - eifersüchtig und angestiftet vom
bösen Baltazar (Rudolf W. Brem) planen sie einen Mordanschlag auf Daniel.
Der allerdings ist gewarnt – denn der Zauberer (Ulli Lommel himself), Geist
von Daniels verstorbenen Großvater, einem einarmigen Musiker, der auf
dem Oktoberfest zu musizieren pflegte, hat Daniel auf seine große Prüfung
vorbereitet: Die Prüfung, nach der der junge Zauberlehrling endlich selber
zum Zauberer werden kann, um mit seinem Zauberstab Gutes zu tun.
Inszeniert
hat Lommel all das wie ein Off-Off-Theaterstück: Distanzierend gesprochene
Dialoge wie weiland bei Fassbinder, ein wundersames Aufeinanderprallen von Laien-
und Profischauspielern - alles in diesem Film hat den Touch des Halbfertigen,
des Provisorischen und Unsicheren. Und genau das ist es, was Daniel, der Zauberer
so sympathisch macht: Wo Michael "Bully" Herbig, ein anderer eigenwilliger
Held aus Deutschlands Fernsehkanälen mit Millionenbudget Blockbuster produziert,
da inszeniert Lommel seinen Helden Küblböck genauso brüchig und
unfertig wie die Teenagerseelen es sind, die er besingt. Küblböck
bleibt so seinen Ursprüngen weit eher treu, als Bully – denn er versucht
gar nicht erst, aus den Niederungen der Trash-Kultur aufzusteigen, sondern er
zelebriert sie, er kultiviert das Niveaulose bis hin zum Camp, er führt
sie genüsslich vor, die schöne Sentimentalität und den großartigen
Kitsch. Gerade dieses selbstbewusste Zelebrieren dessen, was ihm so oft vorgeworfen
wird, ist gleichzeitig ein Schlag ins Gesicht all jener, die die Marke Küblböck
zusammen mit all den anderen Zlatkos der Nation erschaffen haben: Er schlägt
sie mit ihren eigenen Waffen - als Querulant war Daniels Rolle geplant, als
einer, der anders ist als die Anderen, schräg und irgendwie sympathisch,
und wenn er nun ganz im Sinne dieser Rolle handelt und einen anderen Film dreht,
als alle erwartet haben, dann hätte sicher kein Marketing-Stratege von
Deutschland sucht den Superstar das gutheißen können. Aus Daniel
Küblböck ist etwas ganz Eigenes geworden, das die Grenzen des RTL-Horizontes
gesprengt hat und trotzdem noch Millionen von Teenagern zum Toben (und Kaufen)
bringt - ein trashiger Film, einer, der es wagt, die Titelseiten der BILD-Zeitung
und die Bilder der Kakerlaken-Show als Inszenierung von Daniels Albträumen
zu nutzen: die Zusammenarbeit mit so sperrigen Geistern wie Lommel und Schamoni
führte dazu, dass hier kein Hochglanz-Daniel zu sehen ist, sondern der
sympathische Überrest eines abgekratzen Star-Aufklebers aus HANUTA. "Positive
Energie sprengt Enge", schreibt Küblböck in seinem Buch Ich lebe
meine Töne, und wie Ulli Lommel ihm hier dabei geholfen hat, auch die Enge
der vorgegebenen Fernseh- und Filmrollen zu sprengen, die für Sternchen
seines Kalibers normalerweise vorgesehen sind, das ist erfrischend. Wer hätte
das gedacht, als die ersten Superstar-Folgen zu sehen waren, dass ihre Geschöpfe
zu so viel Camp, zum Paradox von gleichzeitiger Selbstironie und Apotheose des
Fernsehmülls fähig sein würden?
Benjamin
Happel
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Daniel
- Der Zauberer
Deutschland
2004 - Regie: Ulli Lommel - Darsteller: Daniel Küblböck, Ulli Lommel,
Katja Rupé, Rudolf W. Brem, Günther Küblböck, Manolito
Lommel, Roger Fritz, Peter Schamoni, Adele Eden, Oliver Möller, Marina
Lommel - FSK: ab 6 - Länge: 81 min. - Start: 12.8.2004
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