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Dark
Blue
Innereien
Dass
ein amerikanischer Cop-Thriller von Korruption handelt, ist erst mal nichts
Besonderes. Internal Affairs: Skepsis gegenüber der Exekutive gehört
zum Genreprogramm, und alles bleibt im Lot, solange da mindestens einer ist,
der - Individualismus rettet den Tag - in dem prinzipiell offenen System die
Strafe/Kehrtwende bringt.
Als
der unumschränkte Star in Ron Sheltons "Dark Blue" müsste
eigentlich Kurt Russel diesen Job übernehmen. Dafür sieht es jedoch
nicht allzu gut aus, denn Russels Sgt. Perry ist als Befehlsempfänger seines
schurkischen Vorgesetzten (Brendan Gleeson) der Repräsentant der Gegenseite.
Außerdem hat er alle Hände voll zu tun, seinem jüngeren Kollegen
(Scott Speedman) die Regeln in L.A. zu erklären - erst schießen,
dann fragen; Schuld bei Verdacht; Selbstjustiz auf Anordnung vom Chef ist Ehrensache
- und nebenbei seinen Rassismus zu artikulieren. Angesichts der Gerichtsverhandlung
über die polizeilichen Misshandlungen an Rodney King, um die herum die
1992 angesiedelte Geschichte des Films gestrickt ist, hat er eine simple Lösung
parat: "Die hätten das Arschloch einfach umnieten sollen."
Von
hier aus lässt "Dark Blue" so ziemlich keine in der Aservatenkammer
des Genres vergammelnde Wendung aus, um den Zusammenbruch von Perrys kaputter
Welt so voranzutreiben, dass ausgerechnet er am Ende den Wandel einläutet.
Als ehemaliger Star einer weißen, kriminellen Polizistengilde wird er
dem afroamerikanischen Vizepolizeichef (Ving Rhames) und seiner internen Ermittlerin
(Michael Michelle) die Beweise zur Übernahme des LAPD in die Hände
geben.
So
könnte das Genrestück medioker ausklingen, wäre da nicht seine
eigene innere Zwangslage. Weil Ron Sheltons James-Ellroy-Verfilmung außer
seinem politischen und historischen Überbau eben nichts Spektakuläres
zu bieten hat, muss sie sich zum Ende doch noch einmal fast verzweifelt darauf
stürzen. Und so schauen schließlich Kurt Russel und Ving Rhames wie
weiland Nero auf brennende Straßen hinunter, um ihren finalen Kommentar
zu den laufenden L.A.-Riots zu raunen. Nachdem der eine erkannt hat, dass die
Stadt wegen "Typen wie mir" in Flammen stehe, darf der andere erklären:
"Es muss erst hässlich werden, bevor es schön wird." Eine
einsame Trompete bestätigt die Riots von 1992 als notwendige, kathartische
Befreiung von weißer Polizeiwillkür, und wir dürfen uns fragen,
ob mit diesem Schluss nicht gerade ein komplett anderer Film begonnen hat.
Jan
Distelmeyer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der:
Dark
Blue
USA
2002 - Regie: Ron Shelton - Darsteller: Kurt Russell, Ving Rhames, Jim Cody
Williams, Gregg Marc Miller, Scott Speedman, Brendan Gleeson, Michael Michele,
Lolita Davidovich, Darrell Foster - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 16 - Länge:
118 min. - Start: 12.6.2003
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