Dem
Himmel so fern
Planerfüllung
Der
Himmel ist fern - und der hängt voller Zeichen. Selten war ein Film artifizieller
als das neue Werk von Todd Haynes, selten war bei einem Mainstreamprodukt der
Diskurs wichtiger als das Transportierte. Der Film ist ein Film für Kritiker
oder Akademiker, in seiner gesamten Haltung arrogant und mit einem das Publikum
fast verachtenden Sarkasmus ausgestattet.
Jedes
Bild ist Verweis und Reflexion, alles ist unecht, aber das soll so sein, man
gerät in ein kinematographisches Paralleluniversum, das perfekt ausgestattet
und -geleuchtet ist, dessen Figuren Typen sind, die in ihrer Eigenart gebrochen
werden. Das Erwartete wird unterminiert, indem es mit heutigen Maßstäben
affirmiert wird; und genau diesen Spagat zwischen Affirmation und Negation/Verfremdung
geht Todd Haynes in "Dem Himmel so fern".
Viel
mehr ist darüber eigentlich nicht zu sagen. Innerhalb eines re-kreierten
Kunstgebildes agieren Julianne Moore und Dennis Quaid, indem sie gegen ihr Image
anspielen müssen; die selbstbewußte Frau spielt das Heimchen, der
Prototyp des All-American Guy den heimlichen Schwulen. Phase eins in Haynes
Verfremdungsplan ist erfüllt. Dennis Haysbert, seinesgleichen wiederum
Prototyp des moralisch aufrechten, herzensguten und intellektuellen Afro-Amerikaners
spielt genau diesen. Teil zwei des Plans erfüllt, denn gerade den darf
es im 50er Jahre-Amerika aus der Perspektive der weißen Mittelschicht
gar nicht geben. Nun transportiert Haynes diese Figuren auf den Spielplatz des
Douglas-Sirk-Universums und läßt sie agieren. Sie erfüllen die
ästhetischen Vorgaben des 50er Jahre-Melodrams, doch unterminieren dieses
durch damals nicht auszutragende Konflikte: Rassismus, Homosexualität.
Der Zuschauer hat das Wissen und den Liberalismus der Jetztzeit, die Figuren
sind in ihrem Umfeld bewußt deplaziert und agieren gegen dasselbe an.
Sie entfernen sich inhaltlich von den Vorgaben des Melodrams und spielen es
formal weiter. Das wichtigste aber: Wie tötet man das Gefühl in einer
Filmästhetik ab, die rein auf Gefühl aufgebaut ist? Haynes gelingt
dies mit dem einfachsten Mittel: Abbildung, Re-kreation, Kontextverschiebung,
vielleicht sogar einen Schuss Ironisierung, aber da sollte man sich nicht täuschen
lassen, denn das ganze Melodram ist ernst gemeint.
Als
formales Experiment befriedigt "Dem Himmel so fern" die intellektuellen
Erwartungen einer Minderheit. Ob der Film in seiner (bewussten) inhaltlichen
Banalität tatsächlich auch auf ein Publikum abzielt, das die Werte
der Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt zelebriert sehen möchte,
ist nicht zu hoffen. Das nämlich würde das ganze Konzept konterkarieren.
Sascha
Seiler
Dieser
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Dem
Himmel so fern
Far from Heaven. USA
2002. R,B: Todd Haynes. K: Edward Lachman. S: James Lyons. P:
Killer Films u.a. D: Julianne Moore, Dennis Quaid, Dennis Haysbert u.a. 107
Min. Verleih ab 13.3.03