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Drop
Out
Neben
der vermeintlich hohen Kunst sind es wohl die Niederungen des Billigen, die
im Kino am schwersten zu meistern sind. Denn das Billige, nicht als Budgetzwang,
sondern als Stilebene verstanden, bedarf entweder eines angemessen trashigen
Umfelds oder wirklich höchster Kunst. Beatrice Manowski hat bisher als
Schauspielerin in Filmen und Fernsehserien („Nekromantik
I“,
"Und Tschüss") agiert. Wolfgang Büld war seit Ende der siebziger
Jahre unter anderem bei Musikdokumentationen ("Punk in London", 1977),
TV- Serien und Filmen wie „Manta Manta“ (1991) und zuletzt "Der Trip"
(1995) als Regisseur und/oder Autor beteiligt.
Jetzt
haben die beiden zusammen einen Film gemacht, den Regisseurin Beatrice Manowski
als "Undergroundfilm" bezeichnet. Es geht um eine junge, blonde, ziemlich
erfolglose Sängerin, die den Freund und die gemeinsame Wohnung verlassen
hat und nun auf eigenen Füßen stehen muß. Das Mädchen,
clever, aber auch ein bißchen beschränkt, versucht sich als Privatdetektivin
durchzuschlagen. Fatal: Schon die ersten Aufträge lassen sie in einen Fall
geraten, der sich in lokalpolitischen Korruptionssümpfen verliert, ihre
Vorstellungskraft weit übersteigt und sie in einen Strudel kokainüberstäubter,
verwirrender und gewalttätiger Ereignisse reißt. Die Genre-Reminiszenzen
sind deutlich. Als munter verschnupfte Ich-Erzählerin führt Manowski
in der Rolle der Marion Niplowski durch das Chaos der Ereignisse, von denen
sie einige zur späteren Beweissicherung mit der Videokamera festgehalten
hat. Turbulent geht es zu, temporeich, grell. Und es läßt sich vorstellen,
was Manowski und ihr Co-Autor und Produzent Wolfgang Büld mit diesem Hamburger
Szenekrimi intendierten: "Kino jenseits tradierter Erzählmuster"
(Presseheft), eine coole Genrevariante - spannend, schräg, komisch und
unterhaltsam zugleich, mit parodistischen Elementen und einer Frau in der Männerrolle,
die sich an sexueller Offenheit von ihren Kollegen nichts nachsagen lassen muß.
Nun,
nicht nur Realität und Rausch, auch Zeiten und Formate purzeln hier völlig
durcheinander und scheinen auch beim zweiten Sehen ohne rechten Sinn und Verstand.
Die Techniker zeigen in gekonnten Unschärfen und flächendeckenden
Toncollagen, was sie alles drauf haben. Atmosphäre gibt das nicht her.
Originell ist es auch nicht. Und die fade Krimigeschichte, die sich irgendwann
aus der Bild-Tonsuppe herausschält, ist alles andere als mitreißend
und kaum nachvollziehbar. Sat.1 im Undergroundformat?
Bleibt
die Hauptdarstellerin: Beatrice Manowski muß es Spaß machen, sich
immer neu in Szene zu setzen. Man sieht es ihr und dem Film nicht an. Irgendwann
eine neue Perücke, einmal eine Nuttennummer, sonst immer das gleiche Mäuschengehabe,
das auf Schlampe macht und doch nur brav wirkt. Und die zwanghaften Anzüglichkeiten
vom Pinkeln in Colabecher bis zum Tresengespräch über Analverkehr
haben, wie auch Niplowkis(!) Kampfname Nippelsuse (gegen den Tittenwahn) eher
etwas Verklemmtes denn erotisch Offensives. Nur die paar Bilder, wo die Heldin
mit wippendem Dildo nackt durch die Stadt rennt, sind zumindest ungewohnt. Aufregende
Bilder, doch nur an der Oberfläche. Daß „Drop Out“ so unbefriedigend
wirkt, liegt auch daran, daß die postfeministische Weiberstärke,
die er vorführt und lauthals propagiert, realiter nur über die Männerakzeptanz
funktioniert und im Ernstfall auch schnell in alte Weiblichkeitsklischees zurückfällt.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Drop
Out
BRD
1997. R: Beatrice Manowski. B:
Beatrice Manowski, Wolfgang Büld. P: Wolfgang Büld. K: Uwe Bohrer.
Sch: Magdolna Rokob, Matthias Morick. M: Zzup Comanche, M. Sid Behrend, Lennart
Krarup. T: M. Sid Behrend. A:
Istvan Horkay. Pg:
Wolfgang Büld Filmproduktion. V:
Progress. L: 98 Min. St: 1.10.1998. D: Beatrice Manowski (Marion Niplowski/
Nippelsuse), Erdal Yildiz (Bulle), Axel Pape (Louis), Martina Schiesser (Karin
Semmelrogge), Robert Victor Minich (Micky), Lars Pape (Bodybuilder), Barbara
Philipp (Ann Katrin).
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