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Die
Duellisten
Endlosschleifen,
und wie man da raus kommt
Auf
seine Ehre pocht heute niemand mehr. Sie ist geschenkt. Heute macht man sich
darüber Gedanken, in welche molekularen Substrukturen der Rechtsbegriff
auszudehnen ist. Man sollte also nicht zu früh lachen, wenn auf dem Bildschirm
mal wieder die Klingen sich kreuzen oder im fahlen Morgenlicht zwei seriöse
Männer mit Pistolen in der Hand sich gegenüberstehen, um sich den
Garaus zu machen. Lachen tut man aber natürlich trotzdem. Dazu braucht
es überhaupt keine Klamotte oder einen überdrehten Witz, denn für
später Geborene ist die Sache selbst schon der Witz. Es ist dieses erbarmungslose
Räderwerk, das sich an einen oftmals nichtigen Anlass kettet, diese tödliche
Mechanik, die aus Lebenden Pappfiguren macht mit dem Zusatz, dass diese Pappfiguren
ein Herz haben, das zwar nicht mehr schlägt, aber dennoch verwundbar ist.
Das
Besondere an Ridley Scotts Film ist, dass er die Duellsituation nicht aus einem
Kampf zweier unvereinbarer Vorstellungswelten wie Liebe und Ehre heraustreibt,
damit der Zuschauer über den liebenden, aber jetzt leider totgeschossenen
Helden weinen kann, nachdem ihm das Lachen vergangen ist, sondern dass er das
Ehrenrührige ins Maßlose ausdehnt und so einen Begriff von Ehre erhält,
dem nie Genüge getan werden kann. Die Übertreibung liegt also schon
in der Sache des Duells selbst, denn im Moment der Forderung wird nicht darüber
diskutiert, ob man in seinem verletzten Ehrgefühl nicht doch ein bisschen
zu weit gegangen ist. Ridley Scott nimmt diese Situation Ernst, vermutlich hat
ihm auch die Vorlage von Joseph Conrad gefallen, und so macht er einen Film,
der aus einer einzigen Duellsituation zu bestehen scheint.
Im
Jahr 1800 duelliert sich der französische Leutnant Fereau mit dem Neffen
des Straßburger Bürgermeisters. Die Sache dringt ans Licht, Fereau
muss sich vor seinem Vorgesetzten verantworten. Dazu schickt dieser einen Offizier
aus, der Fereau kennt, um diesem mitzuteilen, dass er unter Arrest steht. Leutnant
D’Hubert trifft Fereau im Salon einer Abendgesellschaft. Nachdem der Geschickte
seine Mission glaubt beendet zu haben, wird der andere unwillig und ungehalten.
Er fühlt sich beleidigt, weil – ja warum eigentlich? Weil der andere seinen
Auftrag korrekt ausgeführt hat? Weil der Gesuchte sich gestört fühlte?
Fereau fordert D’Hubert heraus, dieser erkennt zwar die Absurdität der
Situation, lässt sich aber trotzdem darauf ein. Die beiden duellieren sich,
D’Hubert wird verletzt, kann nicht weiter kämpfen. Das Spiel geht jetzt
so weiter. Immer, wenn sich die beiden im Gewirr der Revolutionskriege wieder
sehen, kommt es zu einer Fortsetzung des Duells, das nie zu Ende gebracht wird,
weil sie scheinbar unsterblich sind. Wie Comic-Figuren. Aber natürlich
möchte der Film etwas zeigen, und das ist nicht weniger, als wie man aus
einem Teufelskreis lebend herauskommt, der einem definitiv den Tod bestimmt
hat. Im Jahr 1816, Napoleon ist am Ende, haben beide den Rang von Generälen,
nachdem sie beide den russischen Feldzug überstanden haben, von dem es
atemberaubende Standbilder zu sehen gab, sehr malerisch, sehr surreal.
Wie
sehr der Ehrbegriff bindet, zeigt sich in einer der letzten Handlungen D’Huberts,
der seinen Todfeind vor dem sichern Tod bewahrt, indem er ihrer beider Chef,
Fouché, um Gnade angeht, den fanatisierten Bonapartisten Fereau laufen
zu lassen. Obwohl der mittlerweile verheiratete und Nachwuchs erwartende D’Hubert
weiß, dass Fereau nichts anderes machen wird, als wieder zu ihm zu laufen.
D’Hubert spielt also ein bisschen Russisches Roulette – und gewinnt. Bei dem
dann doch letzten Duell der beiden wird Fereau ein zweites Mal das Leben geschenkt
mit dem Zusatz, dass D’Hubert sich ab sofort nicht länger mit dem von Fereau
aufoktroyierten Ehrbegriff identifiziert. Jetzt diktiert er, und dieses Diktat
erklärt beide Gegner als füreinander tot. Rettung ist also nur im
Symbolischen und in der Fähigkeit, es auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Manchmal stirbt man schon zu Lebzeit.
Dieter
Wenk
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Die
Duellisten
THE
DUELLISTS
England
- 1976 - 101 min. - Literaturverfilmung, Historienfilm, Drama - FSK: ab 12;
feiertagsfrei - Verleih: CIC - Erstaufführung: 19.5.1978 - Fd-Nummer: 20737
- Produktionsfirma: Enigma
Produktion:
David Puttnam
Regie:
Ridley Scott
Buch:
Gerald Vaughn-Hughes
Vorlage:
nach einer Erzählung von Joseph Conrad
Kamera:
Frank Tidy
Musik:
Howard Blake
Schnitt:
Pamela Power
Darsteller:
Harvey
Keitel (Feraud)
Keith
Carradine (D'Hubert)
Christina
Raines (Adele)
Edward
Fox (Oberst Reynard)
Albert
Finney (Fouche)
Robert
Stephens (Gen. Trellard)
Tom
Conti (Jacquin)
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