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Egoshooter
Enttäuschung
für alle PC-Spieler: Hier geht es nicht um einen sogenannten "First
Person Shooter", um ein Ballerspiel. Zwar wird auch hier gnadenlos draufgehalten,
aber mit einer Kamera, die der Hauptdarsteller Tom Schilling ("Crazy")
selbst auf sich richtet!
Das
Projekt "Egoshooter" hat seinen Ursprung in "Videotagebüchern"
für den NDR, bei denen Oliver Schwabe Jugendlichen zwischen 15 und 22 über
ein Jahr eine Kamera gegeben hat, damit sie ihr Leben filmen. Aus dem Rohmaterial
schnitt er 45-minütige, unkommentierte Dokumentationen. Die Produktion
Reverse Angle Factory - unterstützt von Wim Wenders - lud Schwabe ein,
für die Reihe "radikal digital" ein fiktives Videotagebuch zu
inszenieren. So entstand als Gemeinschaftsarbeit von Oliver Schwabe und Christian
Becker das ungewöhnliche Porträt von Jakob (Tom Schilling).
Der
19-jährige Jakob filmt sich und seine Umgebung. Die WG, die er mit dem
älteren Bruder und dessen schwangerer Freundin Caro bildet. Die Freunde,
die Besäufnisse, eine vandalisierte Wohnung, eine einsame Mutter eines
Freundes, der Rapper, die sehnsuchtsvollen Blicke für die distanzierte
Mani. Straßenszenen in Köln, in der U-Bahn, Spazieren und Fummeln
am Rhein, Skaten im WG-Zimmer - so richtig ergibt sich keine Persönlichkeit
aus den Puzzleteilen. Soll er vielleicht auch nicht.
Konkret
könnte das Verhältnis zum Bruder einen psychologischen Anhaltspunkt
zu bieten. Die Familienmotive, die verschiedenen Mutter-Kind-Situationen skizzieren
eine Sehnsucht in der allgemeinen Einsamkeit, in Jakobs emotionaler Haltlosigkeit.
"Sachen
kommen und gehen, ich werde versuchen, soviel wie möglich festzuhalten",
lautet das abschließende Motto Jakobs. Der wohl experimentellste Film
seit langem, der es ins Kino schafft, wurde tatsächlich nur in Fragmenten
mit rein subjektiv-selbstbeobachtender Kamera gefilmt - zum Glück. Diese
Mischung einer an sich sicher spannenden dokumentarischen Form und eines übergestülpten
fiktionalen Entwurfs kommt dem wahren Jakob nicht besonders nahe. Die Fragmente
ergeben - wohl beabsichtigt - keine Entwicklung. Sie breiten ein Angebot aus,
wie es der Rapper im Film sagt: "Schließlich muss sich einer von
euch den Kopf zerbrechen!"
Günter
H. Jekubzik
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Egoshooter
BRD
2004 (Egoshooter) Regie: Christian Becker, Oliver Schwabe mit Tom Schilling,
Max Timm, Camilla Renschke 79 Min. FSK ab 12
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