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Die
Ehe der Maria Braun
Frauenwunder
Dieser
Film beschreibt die Folgen einer gestörten Vollständigkeit in Sachen
Ehe nach einem Krieg. Es gibt nur einen „Posten“, an dem nach jedem Krieg, so
wie hier nach dem Zweiten Weltkrieg, Überfluss herrscht, und das sind die
Frauen. Die Männer sind tot oder kommen erst später nach Hause. Für
manche bedeutete das eine halbe Odyssee. Als Hermann Braun nach Hause kommt,
ist trotzdem ein Mann zu viel da. Fassbinder macht aus dieser Situation ein
Frauenproblem, da die beiden Männer zu schwach sind, ihr Revier zu markieren,
und sich anschicken, sich stumm zu vertragen. Maria weiß sich zu helfen
und schlägt ihrem Liebhaber und Versorger – ein amerikanischer Offizier
– eine Flasche auf den Kopf. Warum, weiß man nicht so genau, schließlich
haben die beiden sich eigentlich ganz prima vertragen. Vermutlich eine schwache
Sekunde magischen Denkens. Jedenfalls ist der Schwarze tot, man merkt, der andere
Krieg hat wieder angefangen.
Die
korrekte 1:1-Relation des verheirateten Paars ist jetzt natürlich erneut
zerstört. Maria steht vor Gericht, Hermann ermannt sich – erste Stufe seiner
Selbsterziehung – und nimmt den Totschlag auf sich. Das gibt ihm mehr Zeit,
wieder ein Mensch zu werden und den Krieg zu vergessen. Außerdem, das
hat man schon gesehen, ist es Maria, die sich macht. Durchaus in Anlehnung an
verschiedene Männer, aber anders geht es in dieser Zeit nicht, und sie
hat ein Ziel vor Augen, und das heißt Hermann, später. Die Arbeitsteilung
– der Humanitätsgedanke bei Hermann, nachdem er Tier, Kirkes Schwein, gewesen
war, und die Veredelung des Wirtschaftssubjekts Maria, die es genießt,
arbeitend eine Dame zu werden – bewirkt natürlich eine Umkehr der herkömmlichen
Rollen von Mann und Frau, die bizarre Früchte treibt, wobei Maria aus Hermann
einen unbestellten Priester ohne Verfügungsgewalt macht und sie aus sich
selbst eine Hure mit zugleich kühlem und leidenschaftlichem Herz. Zum richtigen
Mann also kann Hermann erst nach seiner Entlassung werden, und erneut sticht
er in See, um zeigen zu können, welches Wirtschaftssubjekt in ihm steckt.
Bis dahin glaubt Maria, ihren Gefühlshaushalt unter Kontrolle halten zu
können und stellt wunderbare Klassifizierungen auf, was es für sie
heißt, mit Männern ins Bett zu gehen. Das mit anzuhören wird
sogar dem noch inhaftierten geduldigen Hermann zuviel. Leute, die sich wie Maria
in dieser Hinsicht zuviel Subtilitäten erlauben, tun anderen, die noch
nicht einmal der ehelichen Pflicht nachkommen dürfen, einfach nur weh.
Aber mittlerweile hat Marias liebendes großes Herz die Seite gewechselt
und schlägt nun mit Konrad Adenauers aufbauenden Instruktionen nicht mehr
im Takt des Frauen- sondern nur noch des Wirtschaftswunders. Dieser Wechsel
kulminiert gewissermaßen im erstaunlichen Flügelspiel der deutschen
Fußballnationalelf, die sich, was man am Ende des Films noch mal hören
kann, im Jahre 1954 den WM-Titel erschoss. Fassbinder aber lässt die beiden
Liebenden nicht mehr zusammenkommen, das Spiel ist aus, in ihren Leibern ticken
andere Wesen, und in der Küche eine tückische Gasbombe, die den Einsatz
zerfetzt, weil von ihm (Zeigefinger) nur noch die nackte Strategie übrig
blieb. Ein Film, der einen trotz Hanna Schygullas großartigen Verwandlungen
ziemlich unbeteiligt lässt.
Dieter
Wenk
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der
filmzentrale mehrere Texte
Die
Ehe der Maria Braun
(Die
Ehe der Maria Braun, 1979)
Regie:
Rainer Werner Fassbinder
Premiere:
20. Februar 1979 (Deutschland)
Drehbuch:
Rainer Werner Fassbinder, Pea Fröhlich, Peter Märthesheimer &
Kurt Raab
Dt.
Start: 23. März 1979
FSK:
ab 12
Land:
Deutschland
Länge:
115 min
Darsteller:
Hanna
Schygulla (Maria Braun), Klaus Löwitsch (Hermann Braun), Ivan Desny (Karl
Oswald), Gisela Uhlen (Mutter), Elisabeth Trissenaar (Betti Klenze), Gottfried
John (Willi Klenze), Hark Bohm (Senkenberg), George Byrd (Bill), Claus Holm
(Doktor), Günter Lamprecht (Hans Wetzel), Anton Schiersner (Großvater
Berger), Isolde Barth (Vevi)
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