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Ein
Single kommt selten allein
Es
gibt Filme, die sich im Laufe der Jahre einen kleinen Kult-Status erarbeiten,
zu ihrer Entstehungszeit aber weder von Kritikern noch Publikum Beachtung fanden.
Wenn ein so großer Komiker wie Steve Martin, der Anfang der 80er eher
noch einem amerikanischen Publikum, nicht zuletzt durch Saturday Night Live,
ein Begriff war, in einem Film mitspielt, erweckt dieser natürlich im Nachhinein
Interesse und kann so immer noch seinen verdienten Platz im Filmolymp erhalten.
Ob dies bei EIN SINGLE KOMMT SELTEN ALLEIN (wer denkt sich bloß immer
diese deutschen Titel aus) auch so ist, ist schwer zu sagen, da es auf der einen
Seite Leute gibt, die diesen Film über alles lieben, zu ihren persönlichen
Steve-Martin-Lieblingen zählen oder sogar generell für eine hervorragende
Komödie über den Big Apple und Single-Neurosen halten und auf der
anderen die, die diesen Film als reichlich durchschnittlich, mit einer Menge
Leerlauf und pseudokritischen Sentimentalitäten empfinden. In die zweite
Gruppe gehöre ich definitiv nicht.
Steve
Martin hatte sein Spielfilmdebüt in einer Hauptrolle in der Komödie
REICHTUM IST KEINE SCHANDE (1978) lose basierend auf seiner gleichnamigen TV-Serie
Ende der 70er. Dies sollte seine erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Carl
Reiner werden und obwohl (oder vielleicht gerade deswegen) der Film eine teilweise
unglaubliche Aneinanderreihung von Zoten und flachen Gags in einem Prä-NACKTE
KANONE-Stil
war, wurde er ein gigantischer Erfolg in den Staaten. 1982 drehten Reiner und
Martin TOTE
TRAGEN KEINE KAROS,
der aufgrund seiner genialen Reminiszenzen an die Film-Noir Klassiker der 40er,
sowie wunderbar in den Film eingearbeiteter Sequenzen alter Hollywoodklassiker,
vor allem bei europäischen Cineasten zum Kult-Hit avancierte. In der Folge
suchte Steve Martin eine Art Verquickung von solchem Slapstick-Humor, wie in
REICHTUM IST KEINE SCHANDE und solch intelligenten Anspielungen wie in TOTE
TRAGEN KEINE KAROS und arbeitete für seinen nächsten Film mit dem
komödienerprobten Arthur Hiller zusammen, der mit TRANSAMERIKA-EXPRESS
einen Mini-Klassiker der Actionkomödien inszeniert hatte und bereits mit
Komiker-Duos, wie Richard Pryor und Gene Wilder oder Alan Arkin und Peter Falk
zusammengearbeitet hatte.
Die
Handlung
Larry
Hubbard ist Schriftsteller, der den großen Liebesroman schreiben möchte,
aber, gerade in New York angekommen, erst mal in einer Werbefirma als „Grußkartensprücheentwickler“
arbeitet. Nachdem es ihm gelungen ist, einen besonders schönen Spruch für
Singles anzufertigen, darf er kurzerhand in einer Reihe von ca. 25 Schreibern
an den vordersten Schreibtisch vorrücken. Larry sieht sich auf der Gewinnerstraße
und fährt darauf beschwingt nach Hause zu seiner nymphomanischen Freundin
Danielle. Die hat bereits einen anderen im Bett, doch Larry scheint dies nicht
sonderlich zu stören. Er wirft sich in seinen Seiden-Bademantel und legt
sich gleich zu dem Pärchen dazu. Da platzt Danielle der Kragen und sie
macht Larry eine Szene, weil er ihr keine Szene macht. Larry ist verwirrt und
muß ehrlicherweise zugeben, sich mit solchen Situationen nicht besonders
auszukennen. Danielle schmeißt ihn raus, nicht ohne ihn noch anzuweisen,
den Müll hinauszutragen. Larry findet sich mit seinen paar Habseligkeiten
auf der Straße wieder und lernt kurze Zeit später im Stadtpark Warren
kennen, der ebenfalls gerade von seiner Freundin an die Luft gesetzt wurde.
Von ihm lernt Larry, was es heißt, ein Single zu sein und wie man allein
am besten zurecht kommt. Doch Larry hat noch lange nicht aufgegeben und weiß,
daß seine Traumfrau irgendwo da draußen sein muß.
Spätestens
in den 70ern zeichnete es sich ab, daß die Familie als DIE Institution
für den Menschen ausgedient hatte und es zunehmend „normal“ wurde, daß
Menschen gänzlich alleine lebten und Begriffe, wie Junggeselle oder Jungfer
altmodisch klangen. Es entwickelte sich eine ganz neue Lebenskultur, die der
Gesellschaft kontraproduktiv entgegen zu wirken schien. Es war jetzt nicht mehr
wichtig, so schnell wie möglich zu heiraten, eine Familie zu gründen
und all die anderen damit verbundenen Verpflichtungen einzugehen. In den 70ern
kam in den USA die Maxime auf (in Deutschland so richtig eigentlich erst in
den 80ern), daß man erst mal an sich denken soll und sein eigenes Leben
leben, ohne sich gleich gesellschaftlich geächtet vorzukommen, bloß
weil man mit Anfang dreißig noch nicht verheiratet ist. Diesem Single-Dasein
widmen sich Martin und Hiller partiell in ihrem Film, aber natürlich auf
einer sehr überspitzten und manchmal etwas realitätsfernen, weil romantisch
verklärenden Ebene.
Larry
Hubbard sieht sich in einer riesigen Stadt mit 12 Millionen Einwohnern plötzlich
ganz alleine dastehen, möchte gleichzeitig den amerikanischen Roman zum
Thema Liebe schreiben und sieht überall um sich herum nur glückliche
Paare. Als er und Warren ein Liebespaar in klassischer Pose im Park sitzen sehen,
meint er verzweifelt: „Er muß sie doch irgendwo kennengelernt haben. Er
ist doch nicht mit dem Arm um sie herum geboren worden.“
Die
Versuche Larrys eine Frau kennenzulernen sind von bestechender, treffender Komik.
Als er schließlich die Frau seines Lebens zu treffen glaubt, verliert
er, trotz reichhaltiger Begegnungen, permanent ihre Telefonnummer, bis er sich
in seiner Verzweiflung schon aufs Dach eines Hochhauses stellt, um ihren Namen
durch die ganze Stadt zu brüllen. Zusätzlich amüsant wird das
Ganze dadurch, daß er nicht alleine ist bzw. sich auf den anderen Dächern
Mitstreiter ähnlichen Schicksals einfinden.
Auch
das restliche Privatleben von Singles wird pointiert, wenn Warren beispielweise
eine Party veranstaltet, auf der sich nur Pappaufsteller berühmter Hollywoodstars
befinden oder er Schach mit seinem sprechenden Schachcomputer spielt und dieser
ihm sagt er habe von Zug 17 bis Zug 24 wie ein dämliches Arschloch gespielt
(was Warren nur mit einem demütigem Nicken entgegen nimmt). Trotzdem schaffen
es die Drehbuchautoren (allen voran der „Big Apple“-Autor Neil Simon) dem Film
einen Funken Sozialkritik zu verleihen, während Hiller auf schon rührende
Weise Mitgefühl für seine Figuren erweckt. Das wird durch das notorisch
intelligente Spiel Steve Martins wunderbar unterstützt, sowie auch Charles
Grodin in seiner Nebenrolle als Warren zu überzeugen versteht (ein leider
viel zu wenig beachteter Nebendarsteller, der Robert DeNiro in der eher durchschnittlichen
Actionkomödie MIDNIGHT
RUN- 5 TAGE BIS MITTERNACHT
schon locker an die Wand spielte).
Der
Film schafft bei mir etwas, was generell nur wenigen Filmen gelingt. Er ist
eine Mischung aus abstrusem Slapstick-Humor und eine intelligente, hintergründige
Anspielung auf das Großstadtleben, die sich mal selbst nicht so ernst
nimmt (vor allem am Ende, als der vermeintlich tote Hund wieder auftaucht, kurz
bevor Steve Martin fragt: „Kann es ein schöneres Happy End geben?“), aber
durchaus in einigen Momenten ernst zu nehmen ist. Die Szene, in der Steve Martin
auf einem Kostümball als Charlie Chaplin verkleidet ist, ist nicht nur
eine schöne Anspielung für Cineasten, sondern stimmt mich auch immer
wieder etwas traurig.
Erwähnenswert
vielleicht noch, daß die in den USA sehr bekannte Mode-Psychologin Dr.
Joyce Brothers sich selbst spielt, eine Frau, die in diversen Hollywoodfilmen
und Fernsehserien mitwirkt, sowie der legendäre Quiz-Show-Moderator Merv
Griffin, der in dem Steve-Martin-Film DER MANN MIT ZWEI GEHIRNEN auch den Fahrstuhlmörder
mimte.
Marcos
Ewert
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Ein
Single kommt selten allein
THE
LONELY GUY
USA
- 1983 - 89 min. - Literaturverfilmung, Komödie - FSK: ab 12; feiertagsfrei
- Verleih: Tobis, CIC (Video) - Erstaufführung: 12.12.1985/Juli 1986 Video
- Fd-Nummer: 25414 - Produktionsfirma: Universal
Produktion:
Arthur Hiller
Regie:
Arthur Hiller
Buch:
Ed Weinberger, Stan Daniels, Neil Simon
Vorlage:
nach einem Roman von Bruce Jay Friedman
Kamera:
Victor J. Kemper
Musik:
Jerry Goldsmith
Schnitt:
William Reynolds, Raja Gosnell
Darsteller:
Steve
Martin (Larry)
Charles
Grodin (Warren)
Judith
Ivey (Iris)
Steve
Lawrence (Jack)
Robyn
Douglass (Danielle)
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