zur
startseite
zum
archiv
Eins,
zwei, drei
Mitten
im „Kalten Krieg“, ausgerechnet im Jahr des Baus der Berliner Mauer – für
die einen ein angeblich „antifaschistischer Schutzwall“, für die anderen
Ausgeburt des Totalitarismus – drehte Billy Wilder eine turboschnelle Komödie,
bei dem alle, auf beiden Seiten der Mauer, ihr verdientes Fett wegbekommen.
Kein Wunder, dass der Film – der Mauerbau platzte mitten in die Dreharbeiten
hinein – vom Publikum abgelehnt und erst viel später zum Kultfilm wurde.
Coca-Cola-Filialchef
für Westberlin MacNamara (James Cagney) ist ein pfiffiger Geschäftsmann
mit zukunftsweisenden Ideen: Warum sollte es unmöglich sein, das im Westen
so beliebte Gesöff nicht hinter den eisernen Vorhang zu exportieren? Gesagt,
aber noch nicht getan. Denn vorerst steht er erst in Verhandlungen mit den Mitgliedern
der sowjetischen Handelskommission und (jedenfalls äußerlich) strammen
und hundertfünfzigprozentigen Kommunisten Peripetchikoff (Leon Askin),
Borodenko (Ralf Wolter) und Mishkin (Peter Capell). Zur Seite stehen MacNamara
die blonde Sekretärin Ingeborg (Lieselotte Pulver), der ewig und drei Tage
salutierende Fahrer Fritz (Karl Lieffen) und der schmierige Assistent Schlemmer
(Hanns Lothar). Doch da taucht das lebenslustige Töchterchen des Konzernchefs
Hazeltine (Howard St. John), Scarlett (Pamela Tiffin), anlässlich eines
Europa-Trips in Berlin auf. Und nun ist für MacNamara höchste Aufmerksamkeit
geboten. Denn Scarlett ist hinter Männern her und Papa hat MacNamara den
ehrenvollen, aber äußerst mühsamen Auftrag erteilt, auf Scarlett
aufzupassen. Anfangs gelingt ihm dies ja noch ganz gut. Doch dann verliebt sich
die Kleine ausgerechnet in Otto Ludwig Piffl (Horst Buchholz), einen sehr gut
aussehenden, doch strammen Jungkommunisten aus dem Ostteil der Stadt. MacNamara
versucht alles, um diese Verbindung zu verhindern, doch dann erfährt er,
dass Scarlett und Otto heimlich geheiratet haben. MacNamaras Einfallsreichtum
ist gefragt. Mit einer List will er dafür sorgen, dass die Ehe annulliert
wird. Doch zu allem Überfluss ist die junge Lady auch noch schwanger. Und
so muss MacNamara dafür sorgen, dass Otto vor dem Eintreffen von Mr. und
Mrs. Hazeltine in Berlin aus den Klauen der ostdeutschen Behörden befreit
und vor allem eine westliche Gesinnung zuteil wird ...
Wilder
entfacht in dieser Komödie ein wahres Feuerwerk von Humor und satirischen
Einlagen gen Ost wie gen West, wie man es selten zu sehen bekommt. Die Dialoge
schäumen vor Wortwitz und bissigen Bemerkungen gegen die Deutschen diesseits
und jenseits des iron curtain, aber ebenso gegen die Geschäftstüchtigkeit
der Amerikaner, für deren Erfolge jedes Mittel recht zu sein scheint. Um
nur ein paar Beispiele zu zitieren:
Schlemmer:
Die Herren Kommunisten sind eingetroffen.
MacNamara:
Sollen reinkommen! [...]
Peripetchikoff:
Also Genossen, was sollen wir jetzt machen? Er hat es, wir wollen es. Sollen
wir annehmen seinen erpresserischen kapitalistischen Handel?
Mishkin:
Wir abstimmen.
Peripetchikoff:
Ich stimme ja.
Mishkin:
Ich stimme ja.
Peripetchikoff:
Also zwei von drei. Handel in Ordnung!
Borodenko:
Genossen, bevor ihr macht Dummheit, ich muss warnen. Ich bin nicht Mitglied
von Handelskommission, ich bin Geheimagent mit Auftrag, Euch zu überwachen.
Mishkin:
In dem Fall ich stimme nein. Handel ist aus.
Borodenko:
Aber ich sage ja!
Peripetchikoff:
Wieder zwei von drei. Handel in Ordnung.
Oder:
Otto:
Sind denn alle Menschen in der Welt korrupt?
Peripetchikoff:
Ich kenne nicht alle Menschen.
Oder:
MacNamara
(der allen Deutschen den Nazismus-Vorwurf macht, nicht weil er Antifaschist
ist, sondern um sie gefügig zu machen): Na also, unter uns Schlemmer, was
haben sie während des Krieges gemacht?
Schlemmer:
Ich war in der Untergrund – the underground.
MacNamara:
Widerstandskämpfer?
Schlemmer:
Nein, nein – Schaffner. In der Untergrund, in der U-Bahn.
MacNamara:
Und natürlich waren sie kein Nazi und waren nie für Adolf.
Schlemmer:
Welchen Adolf?
Und
noch einen:
MacNamara:
Ein Teil der östlichen Volkspolizisten war bösartig und unwillig.
Dafür waren andere unartig und böswillig.
Doch
die Feinheiten des Wilderschen Humors, der die kleinen und großen Schwächen
der Deutschen auf beiden Seiten und die Geschäftspraktiken amerikanischer
Multis ordentlich auf die Schippe nahm, fiel in der Konfrontation des kalten
Krieges wohl niemandem sonderlich auf. Die bundesrepublikanische Presse war
teilweise entsetzt, warf Wilder Attacken gegen die gewünschte Wiedervereinigung
vor und einiges mehr. Heute kann nichts mehr darüber hinwegtäuschen,
dass in „One, Two, Three“ die Flachheit, Überzogenheit und auch Lächerlichkeit
der Ideologien und der sich entsprechend verhaltenden Figuren des cold war auf
beiden Seiten treffend in Szene gesetzt wurden.
James
Cagney, der alte Haudegen aus den Krimis der 40er Jahre, ist hier in seiner
letzten Hauptrolle zu sehen. Cagney kennt keine Pause beim Rennen durch den
west-östlichen Parcours, rast an der Grenze zur völligen Erschöpfung
durch den Film von A bis Z. Horst Buchholz überzeichnet den strammen Kommunisten
derart grandios, dass er einem irgendwie schon wieder leid tun kann. Doch Buchholz
lässt hinter der ganzen Worthülsenakrobatik des Marxismus-Leninismus
durch die Überzogenheit der Darstellung den Menschen durchscheinen, der
sich verliebt hat. Die übrige Besetzung des Films – u.a. der fast schon
vergessene, hochbegabte, leider viel zu früh verstorbene Hanns Lothar (aus
der Schauspielerfamilie Neutze), Lilo Pulver als reizvolle Sekretärin mit
Strip-Einlage, Leon Askin als verschmitzter Handels-Kommunist oder Karl Lieffen
(bekannt u.a. aus „Tadellöser & Wolf“) als devoter, äußerst
komödiantischer Chauffeur, nicht zu vergessen Pamela Tiffin als wilde Unternehmer-Göre
– ergänzen das Wildersche Feuerwerk hervorragend.
„One,
Two, Three“ ist nicht nur ein Muss für Wilder-Fans. Man wird durch Witze,
die Schlag auf Schlag kommen, frech, ungestüm und rücksichtslos sind,
förmlich überrollt, kommt aus dem Staunen und Lachen kaum heraus.
Übrigens hat Wilder in diesem Film seinen Hass auf Rock’n’Roll auch noch
untergebracht: in einer Folterszene mit dem damaligen Hit „Itsy Bitsy Teenie
Weenie Yellow Polka Dot Bikini“ (der deutsche Schlager hieß: „Itsy Bitsy
Teenie Weenie Honolulu Strand-Bikini“), vorgetragen von einer lächerlichen
Popstar-Figur namens Choo Choo.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei CIAO.de
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Eins,
zwei, drei
[One, Two, Three] USA 1961
Start:
18.12.1961
Verleih: United Artists
Laufzeit:
115
FSK:
12
Drehbuch:
I. A. L. Diamond, Billy Wilder
Regie:
Billy Wilder
Darsteller:
James Cagney, Horst Buchholz, Pamela Tiffin, Arlene Francis, Howard St. John,
Hanns Lothar, Lieselotte Pulver, Leon Askin, Ralf Wolter, Karl Lieffen, Hubert
von Meyerinck, Loïs Bolton
zur
startseite
zum
archiv