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Ein
Tag im Leben des Andrei Arsenjewitsch
Etwas hin- und hergerissen ist man zunächst:
Da versucht also einer, Chris Marker, auf Teufel komm raus die melancholischen,
oft tristen, dennoch immer eigentümlich schönen Bilderwelten der Filme
Tarkowskijs mittels Parallelmontage und erklärender Tonspur als, gewissermaßen,
ikonographische Vorwegnahme auf der Leinwand seiner, Tarkowskijs, letzten Lebenstage
zu zeichnen. Zugegeben, wohl kaum ein Regisseur hat sich selbst, sein Innerstes
derart stark in seinem Werk über das Visuelle ausgedrückt und es ist
anzunehmen, dass der Metaphysiker Tarkowskij wie kaum ein zweiter in seinen
Bildern geistige Heimat nicht nur inszeniert, sondern auch gefunden hat. Und
trotzdem entsteht der Eindruck, hier werden Bilder, die einem anderen gehören,
willkürlich umgedeutet und Biographisches und Künstlerisches zu sehr
vermengt. Dann etwa, wenn das Abwenden des Kopfes eines Vaters im Film parallel
zum Abwenden des Kopfes Tarkowskijs in den groben Videoaufnahmen der Begegnung
mit seinem Sohn montiert wird. Das wirkt dann doch anmaßend und klingt
nach eitlem "Ich habe Tarkowskij als einziger verstanden!", wie sich
überhaupt die Frage stellt, ob eine Veröffentlichung dieser doch sehr
intimen Aufnahmen - der Vater, sichtlich von seiner Krankheit gezeichnet, und
der Sohn sehen sich, bedingt durch die Geiselpolitik der sowjetischen Machthaber
seinerzeit, zum ersten Mal seit 5 Jahren - nicht einfach bloß indiskret
ist.
Und dennoch, es obsiegt Wohlwollen. Schuld daran
sind vermutlich doch die zahlreichen, mit Bedacht gewählten Ausschnitte
aus Tarkowskijs schmal gebliebenem Oeuvre, die nach Leitmotiven und inszenatorischen
Strategien untersucht werden, und in dieser Zusammenstellung quasi ein appetitmachendes
Best-Of darstellen. Wie überhaupt die Analyse der Ausschnitte wohl sicher
nicht einer finalen Schlussbetrachtung der bildgewaltigen, enigmatischen Filme
entspricht, wohl aber mit Anregungen und interessanten Hinweisen aufwarten kann.
Das macht Lust darauf, die Filme - nicht nur neu, vielleicht ja sogar überhaupt
- zu entdecken, sie sich zu erschließen, ohne aber bereits "alles
zu verraten". Zugegeben, die herausgearbeiteten Aspekte sind sichtbar von
einem Filmemacher und aus dessen Perspektive heraus kompiliert worden, konzentrieren
sich dementsprechend vor allem auf Tarkowskijs inszenatorische Fähigkeiten
- zum Beispiel die Verbindung der vier Elemente in einer tarkowskij-typischen,
langen Einstellung mit Fahrt -, da wäre eine film- oder kulturtheoretischere
Herangehensweise vielleicht sogar noch etwas interessanter gewesen (allerdings,
für solche Zwecke lohnt dann vielleicht doch eher ein Buch, anstelle eines
gerade mal einstündigen Filmes), doch wird der Blick nichtsdestotrotz geschärft,
auf wichtige Details - derer sind Tarkowskijs Filme äußerst reichhaltig,
sie laden geradezu zur Suche ein - fokussiert.
Ein zwiespältiges Portrait also, dahingehend
wird dieser Film dem Künstler Tarkowskij dann doch eigentlich wieder gerecht.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Ein
Tag im Leben des Andrei Arsenjewitsch
UNE
JOURNEE D'ANDREI ARSENEVITCH
Frankreich
- 2000 - 55 min. - teils schwarzweiß – Erstaufführung: 17.5.2000
arte
Produktion:
Thierry Garrel, Jean Jacques Henry, Claude Guisard, Liane Wilmont, Michèle
Lévellé
Regie:
Chris Marker
Buch:
Chris Marker
Kamera:
Chris Marker
Musik:
Eduard Artemjew, Johann Sebastian Bach, Henry Purcell, Wolfgang Amadeus Mozart
Schnitt:
Chris Marker
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