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Ein
(un)möglicher Härtefall
Das
Coen-Feeling
Die
Ehe genießt als Institution in den Filmen der Coens seit jeher einen denkbar
schlechten Stand. Bereits im Debüt der beiden, Blood
Simple
(USA 1984), bildete eine schon vor Beginn des Film hoffnungslos in die Brüche
gegangene Ehe die Kulisse für die gegenseitige brutale Zerfleischung der
beiden Eheleute (und aller Beteiligten). In Fargo
(USA 1996) ließ der Gatte seine Gattin entführen, in O
Brother Where Art Thou?
(USA 2000) diente die Suche nach dem benötigen Kitt einer ebenso in die
Brüche gegangenen Ehe zum Anlass einer Odyssee quer durchs weite Land um
den Mississippi, in The
Man Who Wasn't There
(USA 2001) macht sich Billy Bob Thornton die Seitensprünge seiner Gattin
gefühlskalt zunutze. Die Ehe mit ihren zahlreichen gegenseitigen Verpflichtungen
und den damit einhergehenden personellen Beziehungsgeflechten dient den beiden
Feuilleton-Lieblingen im wesentlichen als Matrix für ihre Anordnungen mikrosozialer
Kleinstmaschinen, die, einmal sorglos angelassen, kaum mehr noch zu stoppen
sind, am wenigsten von den darin Gefangenen selbst. Romantik findet auf dieser
Spielwiese des sophisticated
humor a priori
keinen Platz.
So
ist es nur als doppelt ironisch gebrochen zu bezeichnen, wenn George Clooney
als Staranwalt Miles Massey im neuesten Film der Coen Brüder ausgerechnet
als Eröffnungsredner eines Kongress von Eherechtsanwälten seinen Aufsatz
zerreißt und so geläutert wie mitreißend verkündet, seinen
Zynismus beiseite gelegt zu haben und endlich, ja endlich die eine große
wahre Liebe im Leben gefunden zu haben. Trotz anderweitiger Hinweise - Zaghafter
Applaus, dann standing
ovations,
Schulterklopfen, Umarmungen folgen diesem euphorischen Plädoyer, als der
zuvor so eitle Anwalt mit halb aus der Hose hängendem Hemd durch die Massen
Richtung Ausgang schreitet - kann das nur nicht ernst gemeint sein, selten haben
die Coens so böse ihr Spiel mit der Liebe getrieben. Denn dass sich die
nunmehr gefunden geglaubte Liebe nur wenig später als sorgfältig geplante
Falle herausstellt, sollte jedem, vor allem eigentlich Massey selbst, bereits
im Vorfeld klar sein: Marylin Rexroth (Catherine Zeta-Jones), das Objekt der
Begierde, stand nur kurz zuvor noch auf der juristisch gegnerischen Seite, als
Gattin eines Mandanten von Massey, der diese in einer wahnwitzigen Gerichtsverhandlung
um das bereits zum Greifen nahe Vermögen ihres Ex-Gatten brachte. Ein berechnendes
Heiratsluder, wie es im Buche steht, eine fleischfressende Pflanze, deren klebrige
Blätter sich lange schon um die Fliege Massey gelegt haben.
Gewiss
ein prächtiger Stoff für die beiden, zumal unter den Vorzeichen der
eigenen Filmografie, doch so recht zu überzeugen vermag die Ausführung
nicht. Gehörte das cinephil gewitzte Zitat zwar immer schon zum liebsten
Werkzeug im Repertoire der beiden Brüder, scheint man diesmal zuvörderst
daran interessiert zu sein, mehr oder weniger ungelenk auf sich selbst zu verweisen.
Da ist dann eine beinahe schon klassische Eröffnungsszene, in der der Gehörnte
seine Gattin in flagranti erwischt. Dann Auftritt Clooney, der in seinem affektiertem
Spiel als eher schon nervige Übersteuerung seiner Rolle aus O
Brother Where Art Thou?,
auch diesmal wieder mit Schönheitstick, erscheint, später ein selten
dämlicher Gorilla von einem Killer mit Asthma, dessen Auftrag, die Gattin
um die Ecke zu bringen, in der Ausführung natürlich so gewohnt wie
vorhersehbar grotesk in die Binsen geht, eine Gerichtsverhandlung, wie man sie
ähnlich schon aus The
Man Who Wasn't There
kennt, ein verstecktes Hinterzimmer gibts obendrein, in dem ein wahrer Methusalem
von Kanzleichef Clooney zum, hinsichtlich des eigenen Schicksals, mahnenden
Damoklesschwert wird, das Hinterzimmer selbst freilich zur Hölle wie dereinst
das gespenstische Hotel für Barton
Fink
(USA 1991).
Aber,
und das ist das Entscheidende, so recht ein Zentrum findet sich nicht. Zwar
ist jede Szene für sich genommen unvergleichlich Coen, was wohl seitens
des vom Verleih anvisierten Publikums, von einer selbst schon grotesk am Gegenstand
vorbeigehenden Filmpromotion ins Kino gelockt, für Irritationen sorgen
wird. Doch das bisweilen sogar recht amüsante Detail bleibt lediglich Episode
in einem Flickwerk, heller Moment, der Film im Ganzen dann doch bloß nur
ein groß angelegter Abruf bereits bekannter und kalkulierter Schlüsselreize.
Das Genialische, wie man es aus früheren Filmen der Coens kennen und lieben
gelernt hat, geht Ein
(un)möglicher Härtefall
über weite Strecken verlustig. Wie die Verfilmung eines Notizzettels wirkt
das Ergebnis: Haufenweise Ideen, die die beiden vielleicht mal aus einer Laune
heraus niedergeschrieben haben, aus welchem Grund auch immer aber nie aber zur
Anwendung bringen konnten. Ein in seiner Darbietung als Spielfilm wenig durchdachtes
Potpourri an grotesken Einfällen also, wie man es ähnlich bereits
aus Ethan Coens Buch Falltür ins Paradies kennt, dort aber zumindest, aufgrund
der gewählten Form der Kurzgeschichtensammlung, im Gesamten noch zu überzeugen
wusste.
Er
habe genügend Autoren an der Hand, die ihm das "Barton Fink Feeling"
auf die Leinwand zaubern könnten, herrscht der Produzent Lipnick seinen
jungen Autoren Barton Fink im gleichnamigen Film, einem der besten der Coens,
an. Fink selbst bräuchte er hierfür ganz gewiss nicht. Das ist im
wesentlichen die Crux des vorliegenden Films. Er fühlt sich an wie ein
Coenfilm, ist gut abgekucktes Recycling sattsam bekannter Elemente und Motive,
zugegeben stellenweise auch unterhaltsam, doch die Coens selbst hätte es
für diesen Film nun ganz gewiss nicht gebraucht. Hier hat man sich weit
unter Gebühr verkauft.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: F.LM – „Texte zum Film", http://www.f-lm.de
Ein
(un)möglicher Härtefall
Intolerable
Cruelty, USA 2003
Regie:
Joel Coen
Drehbuch:
Robert Ramsey, Matthew Stone, John Romano, Ethan Coen, Joel Coen
Kamera:
Roger Deakins
Schnitt:
Roderick Jaynes (= Joel & Ethan Coen)
Musik:
Carter Burwell
Darsteller:
George Clooney, Catherine Zeta-Jones, Geoffrey Rush, Cedric the Entertainer,
Edward Herrmann, Paul Adelstein, Richard Jenkins, u.a.
Länge:
ca. 100 Min.
Verleih:
UIP
Internet
Moviedatabase http://german.imdb.com/title/tt0138524/combined
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