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Elegy
oder die Kunst zu lieben
Das
traurige Lied der Liebe
Was Woody Allen der jüdische Intellektuelle
mit Medienberuf ist, ist dem ewigen Nobelpreisanwärter Philip Roth der
gealterte, sexuell wie politisch revolutionäre Literaturprofessor. Beide
werden gerne in die Nähe der Altherrenfantasie gerückt, beide völlig
zu unrecht. Im Gegensatz zu seinem hier gezeigten Protagonisten David Kepesh,
der zu Beginn des Films als Autor einer Untersuchung über »Die Ursprünge
des amerikanischen Hedonismus’« vorgestellt wird, beschäftigt sich
Roth eher mit dem Untergang eben dieses Hedonismus’ durch Scheinmoral, Tabus
und politische Korrektheit, die das Freiheitsstreben seiner Figuren stets auf
absurde Weise sabotieren.
Nicholas Meyer, an dessen Drehbuch es
nun wirklich nicht lag, dass die letzte Roth-Verfilmung Der
menschliche Makel
bis zur Unerträglichkeit verflacht war, findet in Coixet endlich die sensible
Regisseurin, die dem traurigen Grandeur Roths gewachsen ist. Coixet bildete
sich unter der fördernden Produktion der Almodóvar-Brüder zu
einer der wenigen wahrlich eigenständigen Stimmen im europäischen
Kino heraus, und mit Elegy
oder die Kunst zu lieben
trägt sie ihren unverwechselbaren Stil in einen amerikanischen Big-Budget-Film,
ohne sich untreu zu werden: Dank ihres Kameramanns Jean-Claude Larrieu bleiben
die langsam und elegant schwebenden Bilder ebenso ihr Markenzeichen wie der
unaufgeregte, geduldige Erzählrhythmus (hier erstmals unterstützt
von den flüssigen, assoziativen Schnitt-Einsprengseln der amerikanischen
Editorin Amy E. Duddleston).
Obwohl Coixet die durchaus bewunderswerten
Landschaftskompositionen mit wenigen Totalen abhakt und schnell in die Großaufnahmen
ihrer Schauspieler geht, wirkt ihr Film dank der getragenen Geschwindigkeit
und der klugen Dialoge nie aufdringlich oder eindimensional. Der durchaus streitbaren
Coixet wurde in der Vergangenheit ihre sinnliche Ästhetik fälschlicherweise
als erzählerische Schwäche vorgeworfen, aber wie schon in Mein
Leben ohne mich oder
Das
geheime Leben der Worte
findet die Regisseurin auch hier einen perfekten Tonfall für ihr Sujet.
Wie immer aber stellt die sanfte Führung
eines makellosen Schauspielerensembles das Herzstück der Methode Coixet
dar: Penélope Cruz und Patricia Clarkson dürfen mutig an die Grenzen
ihrer Körperlichkeit gehen und erotische Szenen mit wunderschöner
Alltäglichkeit spielen, ohne von der Kamera dabei verraten oder gar überästhetisiert
zu werden. Peter Sarsgaard hat für seinen erneut hinreißenden Auftritt
ein trauriges Bulldoggengesicht ausgewählt, und Dennis Hopper brilliert
als selbsternannter »Horatio« (wohl eher: Lothario) zu Kingsleys
grüblerischem Protagonisten. Seine manische Energie grenzt ihn dabei angenehm
gegen die anderen, manchmal übermäßig akademischen Figuren ab,
deren Diskussionen sich schon mal altklug um »den fleischlichen Aspekt
der menschlichen Komödie« drehen. Die schlagfertigen Männergespräche
zwischen Hopper und Kingsley gehören zu den Glanzpunkten des Films, aber
es ist schön zu sehen, daß Hopper der erotischen Praxis deutlich
zugeneigter scheint als der Theorie.
Die getragene Stimmung dieses Films in
Moll entsteht, ganz dem Titel verpflichtet, vor allem durch eine stete, tropfende
Infusion trauriger Klaviermusik von den üblichen verdächtigen Komponisten
(Bach, Beethoven, Vivaldi, Pärt, Richter). In Restaurants, Wohnzimmern,
Kneipen: vor der musikalischen Tristesse gibt es kein Entkommen. Sie unterstreicht
nicht nur die Todesnähe, die selbst die jugendlichen Figuren hier verspüren,
sondern auch den ständigen Kummer über die Unwürde des Alters
und die Unmöglichkeit der Liebe unter der Last eigener und fremder Erwartungen.
Am Ende finden die Menschen doch nur in der Trauer zueinander.
Mit ihrer einfühlsamen, aber schonungslosen
Herangehensweise an Themen wie Begierde, Angst, Lüge und Verantwortung
legt ausgerechnet Coixet ein Männermelodram ersten Ranges ab, das weder
in Verzweiflung badet noch Hoffnung heuchelt, sondern den Balanceakt auf dem
schmalen Grat des romantischen Realismus mit Bravour meistert.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen
im schnitt
Nr.51
Elegy
oder die Kunst zu lieben
Elegy.
USA 2008. R: Isabel Coixet. B:
Nicholas Meyer. K: Jean-Claude Larrieu. S:
Amy E. Duddleston. M: div. P: Lakeshore Entertainment. D: Penélope Cruz,
Ben Kingsley, Dennis Hopper, Peter Sarsgaard, Patrica Clarkson, Deborah Harry
u.a.
108
Min. Tobis ab 14.8.08
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