zur
startseite
zum
archiv
Emmas
Glück
Dornröschen
als Schweinezüchterin
In "Emmas Glück" von Sven Taddicken
gibt Jördis Triebel ihr Kinodebüt
Das Bremer Theater entwickelt sich langsam zu einer
Talentschmiede für das deutsche Kino. Nach Gabriela Maria Schmeide, die
in Filmen von Andreas Dresen wie "Halbe
Treppe" und "Die Polizistin" reüssierte, gibt es jetzt mit Jördis
Triebel eine weitere Schauspielerin, die (von 2001 bis 2004) im Ensemble von
Klaus Pierwoß spielte, und nun auch mit einer ganz erstaunlichen Leistung
in ihrem ersten Kinofilm auf sich aufmerksam macht. In "Emmas Glück"
verkörpert sie die Titelheldin so intensiv, glaubwürdig und liebenswert,
dass sie den Film im Grunde allein trägt, und Jürgen Vogel, der immerhin
in New York gerade den Robert de Niro-Award für seine Leistung in "Der
freie Wille" verliehen bekam, nur deshalb nicht an die Wand spielt, weil
dieser als geschickter Profi weiß, wann er die zweite Geige spielt und
sich entsprechend zurücknehmen muss.
Die Schweinezüchterin Emma ist aber auch eine
grandiose Figur, wie man sie am ehesten noch aus Märchen kennt. Und "Emmas
Glück" ist tatsächlich ein wenig wie eine der Volkssagen von
den Gebrüdern Grimm aufgebaut: Emmas Bauernhaus ist zwar kein Knusperhäuschen,
sondern eher eine Wursthütte, aber auch dort wird ein Opfer, das naschen
wollte, in einen Käfig gesteckt. Außerdem verflucht eine Hexe im
nahen Dorfladen mit nikotingelben Krallenfingern die schöne Prinzessin.
Wobei diese Emma allerdings ein eher ungewöhnliches Dornröschen ist:
in Gummistiefeln, mit Arbeitskittel und fettigen Haaren regiert sie über
ihr kleines Reich von Schweinen und Hühnern, in dem sie eins ist mit der
Natur und ihren Untertanen, wenn es dann schließlich ans Schlachten geht,
voller Zärtlichkeit die Kehle durchschneidet. Für den Sex hat sie
ihr Mofa, dessen Sattel durch eine Unwucht in der Schwungscheibe so vibriert,
dass das ganze Dorf an ihren Brunstschreien teilhaben kann, wenn sie mit Vollgas
über die Feldwege knattert. Aus diesem idyllisch verwunschenen Schlummer
weckt sie der Autoverkäufer Max, der nach einem Unfall mit einem kaputten
Jaguar direkt vor ihrer Scheune landet. Auch er muss erweckt werden, denn er
hat sein Leben nie gelebt, und dies merkt er erst, als er erfährt, dass
er sterbenskrank ist. So stiehlt er Schwarzgeld aus der Kasse, um in die weite
Welt zu reisen und landet nach ein paar Kilometern in Emmas Schinkenreich. Die
beiden sind natürlich wie füreinander geschaffen, und daran kann weder
der eifersüchtige Dorfpolizist noch der Chef und Freund von Max, der unbedingt
sein Geld wiederhaben will, etwas ändern.
Die dramatischen Verwicklungen sind meist auf eine
deftige Art komisch, aber der Film wird nie zum Bäuerinnenschwank, weil
da immer die tragische Note der tödlichen Krankheit von Max mitschwingt.
Und von dieser wird nicht nur geredet, sondern sie wird drastisch mit auch den
Zuschauer quälenden Koliken und Brechanfällen vorgeführt. Der
junge Regisseur Sven Taddicken traut sich hier etwas, wenn er Witz und Tragik,
Sex und Tod, "Max im Glück" und mit Krebsbefund so aufeinander
prallen lässt. Ein falscher Ton, eine sentimentale Entgleisung oder ein
Witz, der nicht zündet, hätten genügt, und der Film wäre
misslungen. Aber Taddicken hält immer die Balance und überrascht das
Publikum ständig ohne es zu verschrecken. So deutet er etwa gleich in den
ersten Bilden des Films dessen unausweichliches Finale an, und so bekommt man
ein Gefühl für den Bogen der Geschichte und erkennt, dass er nur so
enden werden kann. Seine Glücksmomente schöpft der Film aber aus dem
Spiel von Jördis Triebel, die sich so hemmungslos und uneitel auf diese
merkwürdige Figur einlässt, dass wir ihr bald alles glauben und wünschen
- vor allem noch viele ähnlich schöne Rollen.
Wilfried Hippen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: taz Nord
Emmas
Glück
Deutschland
2006 - Regie: Sven Taddicken - Darsteller: Jördis Triebel, Jürgen
Vogel, Hinnerk Schönemann, Martin Feifel, Karin Neuhäuser, Nina Petri,
Arved Birnbaum, Benjamin Blömer, Sebastian Rüger, Christian Kitscha
- FSK: ab 12 - Länge: 99 min. - Start: 17.8.2006
zur
startseite
zum
archiv