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Das
Erbe des Blutes
Das Südstaaten-Melodram zählt
nicht unbedingt zu den Genres, die man automatisch mit dem Śuvre Vincente Minnellis
verbindet. Vielleicht ist “Home from the Hill” (deutscher Titel: Das Erbe des
Blutes) auch deshalb von der Geschichte lange Zeit vergessen worden. Wahrscheinlich
aber kam er einfach nur einige Jahre zu spät. In Cannes, wo er 1960 als
offizieller amerikanischer Beitrag im Wettbewerb lief, wurde er wenig euphorisch
aufgenommen; das Kino hatte mit Godards “Außer Atem” gerade die Zukunft gesehen. Neben dem Vorboten der wendigen,
viel direkteren Nouvelle Vague muss Minnellis überlebensgroße Familientragödie
damals wie ein Dinosaurier gewirkt haben. Und was war Robert Mitchums patriarchialischer
Machismo schon angesichts Bebels großmäuligem Slacker-Chauvinismus? Doch so sehr “Home from the Hill” auch
einer überkommenen Epoche anzugehören schien, verstand Minnelli es
wie kaum ein anderer Regisseur seiner Zeit, ein in seiner thematischen Dichte
hysterisch hochgepitchtes Melodram wie die Romanvorlage William Humphreys zu
bändigen. Am Ende zeugte nur noch die epische Länge von 2 ½
Stunden von der Tragweite dieses künstlerischen Kraftakts.
Minnelli konnte sich allerdings
auch auf seine Schauspieler verlassen. Die Rolle des Wade Hunnicutt - Familienpatriarch,
Southern Gentleman, Großwild- und Schürzenjäger - ist so etwas
wie die Quintessenz von Mitchums Karriere. Sein Gesellschaftszimmer erinnert
an ein Mausoleum männlicher Omnipotenzfantasien: die Wände behängt
mit Waffen und Tiertrophäen und als Herzstück ein Altar-ähnlicher
Kamin. “So sieht das Zimmer eines Jungen aus,” sagt Wade einmal zu seinem
Sohn Theron (George Hamilton), mit einem abschätzigen Blick auf dessen
Schmetterlingssammlung. “Jetzt zeige ich dir, wie ein Mann lebt.” Der junge
George Peppard spielt diesen virilen Sohn, ein draufgängerischer Cowboy
mit den strahlendsten blauen Augen seit Henry Fonda. Doch seine Blutlinie trägt
ein Stigma: Rafe ist unehelich und von seinem herrischen Vater zu einem Leben
als Stallbursche verdammt. Als der siebzehnjährige Theron hinter das Familiengeheimnis
kommt, nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Der zeitliche Abstand und eine
neue Schule feministischer Filmkritik, die in den Achtziger Jahren einer wohlwollenderen
Rezeption des so genannten “Weepie” den Weg ebnete, haben inzwischen Läuterung
bewirkt. Heute gilt “Home from the Hill” zurecht als Minnellis verkanntes
Meisterwerk: die letzte große Adaption einer “Southern Novel”, in einer
Liga mit den bildgewaltigen Epen eines King Vidor oder den klaustrophobischen
Kleinstadt-Dramen Douglas Sirks. Minnelli bewies mit “Home from the Hill”, dass
er sowohl die ausladenen Gesten des klassischen Hollywood-Melodrams als auch
die subtilen Zwischentöne beherrschte. Was in Erinnerung bleibt, sind natürlich
die großen Set Pieces, vor allem die wuchernde, vibrierende Wildnis von
Texas, durch die die ungleichen Brüder einen tollwütigen Keiler treiben.
Die Jagd als männliches Initiationsritual: Näher sind sich der kultivierte
Minnelli und Hemingway wohl nie gekommen. Aber “Home from the Hill” bricht mit
dem Männlichkeitskult und der tröstlichen Idee der bürgerlichen
Familie. Erst als der Patriarch am Ende tot ist, können die Bastarde und
entehrten Töchter des Kleinbürgertums glücklich in ihrer Schande
vereint sein.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Die Zeit
Das
Erbe des Blutes
HOME FROM
THE HILL
USA
- 1959 - 149 min. – Scope - Erstaufführung: 19.5.1960
Regie:
Vincente Minnelli
Buch: Harriet
Frank, Irving Ravetch
Vorlage:
nach dem Roman von William Humphrey
Kamera:
Milton Krasner
Musik:
Bronislau Kaper
Schnitt:
Harold F. Kress
Darsteller:
Robert Mitchum
(Captain Wade Hunnicutt)
Eleanor Parker
(Hannah Hunnicutt)
George Peppard
(Rafe Copley)
George Hamilton
(Theron Hunnicutt)
Luana Patten
(Libby Halstead)
Everett
Sloane (Albert Halstead)
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