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Es
ist nicht leicht ein Gott zu sein
Götter sind
auch nur Menschen
Der europäische Science-Fiction-Film hat es
immer schon ein wenig schwerer gehabt, gegenüber der mächtigen Konkurrenz
aus den USA zu bestehen. Das liegt zum Einen an den wesentlich kleineren Budgets,
die den Produktionen hier zur Verfügung stehen - andererseits genießt
das Genre diesseits des Atlantiks aber auch nicht dieselbe Beliebtheit bei der
Produktion wie in den USA. Während Science Fiction dort häufig ein
beliebtes Vehikel zum Transport von Ideologie, Mythologie und Utopismus ist,
gerieten die ernstzunehmenden Beiträge aus Europa häufig zu mehr auf
die Gegenwart bezogenen, dystopischen und sozialkritischen Werken. Peter Fleischmanns
“Es ist nicht leicht ein Gott zu sein” steht in dieser Tradition und vereint
die “manpower” deutscher und französischer Produktion mit russischer Autorenschaft
und dem unvergleichlichen Setting des Landes jenseits des Urals.
Die Geschichte, die Fleischmann auf Basis eines Romans
der Brüder Strugatsky erzählt, ist ein polit-utopisches Gedankenexperiment:
Die Menschheit glaubt alle Affektregungen, alle Gewalt und alles Leid überwunden
zu haben, als sie fernab der Erde einen Planeten entdeckt, auf dem eine menschliche
Zivilisation lebt, die sich jedoch noch in ihrem “Mittelalter” befindet. Aberglaube,
Folter, Intellektuellenverfolgung und Armut bestimmen das dortige Volk. Mit
Kameras aus dem Orbit und verkleidet als Einheimische beobachten irdische Wissenschaftler
das Volk, um daraus zu lernen, wie die eigene Vergangenheit beschaffen war.
Doch die Teilnahmslosigkeit an den Ungerechtigkeiten dieser Gesellschaft lässt
sich bei den Besuchern nicht lange wahren: Zuerst zettelt einer der Wissenschaftler
(Werner Herzog) eine Revolte an und wird in deren Verlauf gefangen und in einen
Folterturm geworfen. Rumata (Edward Zentara), der ihn finden und zurück
zum Raumschiff bringen soll, versucht die Geschehnisse nüchtern zu betrachten.
Als jedoch der machthungrige Reba (Aleksandr Filippenko) zuerst den willensschwachen
Potentaten vergiften lässt und dann mit seiner Armee aus Söldnern
und Kampfmönchen alle Wissenschaftler, Schriftkundigen und Erfinder ermorden
lässt, hat Rumata genug von der Barbarei und verursacht eine Revolution.
Den ihn ständig beobachtenden anderen Besuchern ist es nicht möglich,
seine Eingriffe in die historische Entwicklung der Gesellschaft noch zu unterbinden
und so entschließen sie sich, sich zu offenbaren.
Fleischmann inszeniert dieses pointierte Gedankenexperiment
mit großen Ambitionen, versucht in den Wirren der Erzählung stabile
Charatere mit nachvollziehbaren Geschichten zu entwickeln, was ihm nicht immer
gelingt, betrachtet man Nebenfiguren wie Okana (Christine Kaufmann) oder Anka
(Birgit Doll), die zu reinen Erfüllungsgehilfen der “Entwicklung zum Schlechten”
degradiert sind. Allein der melodramatische Kern des Films - Rumata, der behutsam
eine Liebesbeziehung zu seiner Magd Kyra (Anne Gautier) aufbaut - ist gezwungen,
den Rest des Plots zu stützen, den Film nicht vollends in ein philosophisches
Gedankenexperiment ähnlich Tarkovskis “Solaris” oder “Stalker” umkippen zu lassen. Waren Tarkovskis Filme noch
mit genau diesem Anspruch angetreten - mehr denken als erzählen zu wollen
- so bemüht sich Fleischer hier, die Waage zu halten.
Unterstützt wird er dabei durch starke Hauptdarsteller
- allen voran den seine Heldenfigur Rumata verkörpernden Edward Zentara
und den bösen Sicherheitsminister Reba, gespielt von Aleksandr Filippenko.
Ihren Effekt auf den Betrachter verfehlen auch nicht die unvergleichliche Landschaft,
aufgenommen auf Jalta (der Halbinsel Krim) und der Soundtrack von Jürgen
Fritz. Obwohl seinen Synthesizern ihre Herkunft aus den 1980er-Jahren deutlich
anzuhören ist, verschafft sein Score der Erzählung die passende futuristische
Intonation - das Motiv, mit dem die Beziehung zwischen Rumata und Kyra untermalt
ist, ist dabei besonders eingängig.
“Es ist nicht leicht ein Gott zu sein” ist weder
in Deutschland noch in Russland ein Erfolg geworden. Grund dafür mag vielleicht
die eingangs geschilderte Diskrepanz der Ansprüche sein. Vielleicht hat
es der “kontinentale” Science Fiction aber auch gar nicht auf ein breites Publikum
abgesehen - fest steht jedenfalls, dass Fleischers Film zu den interessantesten
Produktionen aus diesem Genre und zu dieser Zeit gehört, weil er zwei Erzähltraditionen
miteinander zu verbinden versucht; insofern transponiert er sein Sujet auch
auf seine Produktionsbedingungen, in denen sich deutscher und russischer Science
Fiction gegenseitig zu lesen und zu verstehen suchen, dabei aber - glücklicherweise
- nicht unbeeinflusst voneinander bleiben.
Stefan Höltgen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
Es
ist nicht leicht ein Gott zu sein
D/F/Rus
1990
Regie:
Peter Fleischmann, Buch: Jean-Claude Carrière & Peter Fleischmann
(nach einem Roman der Strugatzky-Brüder), Musik: Jürgen Fritz, Kamera:
Jerzy Goscik & Pavel Lebeshev & Klaus Müller-Laue, Schnitt: Marie-Josée
Audiard & Christian Virmond
Darsteller:
Edward Zentara, Aleksandr Filippenko, Hugues Quester, Anne Gautier, Christine
Kaufmann, Werner Herzog u.a.
Länge:
119 Minuten
Verleih:
Kinowelt
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