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eXistenZ
David
Cronenberg ist der Regisseur der Metamorphosen. In "Die
Fliege"
mutiert Jeff Goldblum zunehmend in ein Insekt, in "Naked
Lunch"
kulminiert die cronenbergsche Phantasie im ganz bildlich übersetzten "Agenten,
der ein Arschloch war", in "Crash"
teilen junge Leute ein pathologisch libidonöses Verhältnis sowohl
zu ihren Körperprothesen, als auch den Pferdestärken hochtouriger
Sportwagen. Cronenbergs Filme waren nie großes Kino, aber wenn man ihre
voraussetzungsreiche Legende akzeptieren konnte, so doch in sich schlüssig
und voll origineller Einfälle.
Wohl
am augenfälligsten ist Cronenbergs Hang zur Verdinglichung. Psychosomatisches,
das andere Filme nur metaphorisch verklausuliert darzustellen wissen, erhält
hier seine körperliche Gestalt. Wenn die Hauptfigur in "Videodrome"
sich vom TV manipuliert und entmündigt fühlt, scheut Cronenberg nicht
zurück vor dem Ausbuchstabieren dieser Phobie: James Woods krallt beide
Hände in seine Bauchdecke, reißt sie auseinander und belädt
den zwischen seinen Innereien platzierten Videorecorder mit neuen Bändern.
Der
neue Film heißt "eXistenZ" und entführt in das Labyrinth
eines interaktiven Computerspiels. Die Metamorphose wird hier natürlich
positioniert in der neuronalen Vernetzung von Gigabyte und Stammhirn, die Hardware
ist aus Biomasse, die Software aus Einbildungskraft, "Das Spiel bist Du",
wie der Untertitel posaunt. Zur Story so viel: Was passiert, wenn ausgewählte
Probanden ein neues, realitätsechtes Cybergame testen und innerhalb einer
Spielebene ein ganz neues Spiel beginnen? Sie können nicht mehr beurteilen,
wann und ob sie auf den Ausgangslevel zurückgekehrt sind. Ist hier schon
Spiel? Oder noch Realität? Oder schon Realität?
"The
Game"
und "Matrix",
die letzten dicken Filme, die sich an dieser fürchterlich spannenden Frage
entlanggehangelt haben, hingen einige Momente so kurzatmig wie plump über
dem gähnenden Abgrund, der ihnen und der Geduld der Zuschauer bald gnädig
entgegenrülpste. "eXistenZ" ist nicht gar so muffig und verschont
halbwegs mit populärphilosophischem Mißtrauen an der Moderne, aber
fesselt an keiner Stelle. Zu absehbar die Figurenkonstellation aus ätherischer
Künstlerin und unerfahrenem Bodyguard, aus väterlichem Verräter
und schmierigem Doppelagenten. Außerdem bleibt völlig unverständlich,
warum trotz des unerschöpflichen Phantasieraums der Cyberwelt ausgerechnet
wieder die chinesische Küche für wohlige Schauer beim abendländischen
Gourmet sorgen muß, warum ausgerechnet feuchtgelutschte Joysticks in vaginalförmige
Rückenmarksadapter flutschen und warum ein Handy der Parallelwelt zwar
rosa und glibberig ist und von innen her leuchtet, aber immer noch ein Handy
bleibt. "Hallo Virtual Reality. Genau. Du
mich auch."
Urs
Richter
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: filmtext
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
eXistenZ
EXISTENZ
USA / Kanada / England - 1998 - 97 min. - Verleih: Kinowelt, Kinowelt
Home - Erstaufführung: 18.11.1999/25.4.2000 Video - Produktionsfirma: Alliance
Atlantis Communications/The Movie Network/Téléfilm Canada/Serendipity
Point/ACC/Natural Nylon/The Harold Greenberg Fund/Uino Générale
Cinématographique - Produktion: David Cronenberg, Andras Hamori, Robert
Lantos
Regie: David Cronenberg
Buch: David Cronenberg
Kamera: Peter Suschitzky
Musik:
Schnitt: Ronald Sanders
Darsteller:
Jennifer Jason Leigh (Allegra Geller)
Jude Law (Ted Pikul)
Willem Dafoe (Gas)
Ian Holm (Kiri Vinokur)
Don McKellar (Yevgeny Nourish)
Callum Keith Rennie (Hugo Carlow)
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