zur
startseite
zum
archiv
Fast
Food, Fast Women
Sanfter
Wahn
New
York Stories. Wahrscheinlich
haben sie alle mit einem merkwürdigen Ineinander von Privatem und Öffentlichen
zu tun, mit einer eigenartigen Abfolge von Selbstinszenierungen und Augenblicken
der Wahrheit, Distanz und Voyeurismus. Damit, daß die Menschen schon früh
eigene Geschichten mit langen und bizarren Wegen zu erzählen haben und
niemand sich einfach aufs Beobachten zurückziehen kann. Was woanders selbstverständlich
ist, das wird hier zum Drama, und was woanders ein Drama ist, das scheint hier
selbstverständlich. Das ist sehr komisch, wenn es nicht gerade mit einem
Loch im Kopf endet. New York Stories scheinen sich wie von selbst zu erzählen.
Es ist sehr schwer, New York Stories zu erzählen, vor allem im Kino. Amos
Kollek erzählt ein paar von ihnen in »Fast Food Fast Women«.
Die
Hauptgeschichte ist die der Kellnerin Bella (gespielt von Kollek-regular Anna
Thomson), die ihren Job in einem Fast Food-Laden gründlich satt hat und
zugleich nie von diesem kleinen magischen Ort loskommt und die sich schon viel
zu lange mit einem verheirateten Lover, dem dauergrinsenden Regisseur George,
und mit einer enervierend kupplerischen Mutter herumschlagen muß. In ihrem
Laden verkehren drei alte Männer, von denen der eine noch einmal eine große,
schwierige Liebesgeschichte mit einer Annoncen-Bekanntschaft erlebt und der
andere einer Obsession für eine Stripperin verfällt. Auf der Straße
davor geht die stotternde und daher höchst erfolglose Hure ihrem Gewerbe
nach, Bellas Freundin. Dann geht es noch um den geschiedenen Taxifahrer und
erfolglosen Autor Bruno, dem seine Ex die Aufsicht über zwei Kinder aufbrummt,
mit denen er so seine Schwierigkeiten hat. Ihre Mutter hat ein blind date zwischen
den beiden arrangiert. Auf Anraten ihrer Freundin und Ärztin unterdrückt
Bella ihren gewaltigen Drang zur Familienbildung und behauptet, Kinder nicht
zu mögen. Das bildet die Komödien-Hauptlinie, um die sich nun Begegnungen,
Mißverständnisse, sanfter Wahn und kleine Wunder knoten. Alles immer
amüsant, ohne klamottig zu werden. Und sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt.
Doch,
man kann diesen Film schon mögen, wenn man mag. Man bekommt die Figuren
von »Fast Food Fast Woman« durchaus lieb in diesen 96 Minuten. Beziehungsweise
sie gehen einem auf eine mehr oder weniger liebenswerte Weise auf die Nerven.
Das warme New Yorker Seitenlicht und eine Mixtur angenehmer und weniger angenehmer
Gerüche ergeben ein leichtes Gefühl von
Weggetretensein.
Exzentrische Auftritte zwischendurch wecken aber immer wieder auf. Und unfaire
Vergleiche mit, einerseits, Woody Allen oder, andererseits, Wayne Wang/Paul
Auster müssen ja nicht sein.
Trotzdem:
Es stimmt etwas nicht mit diesem Film. Einen Hinweis darauf bekommt man vielleicht
schon in der Pre-Title-Sequenz: Bella kommt mit ziemlich wackelndem Hintern
(Kollek ist vernarrt in diese Einstellung!) aus dem Haus, das sieht aus: wie
immer. Dann legt sie sich kerzensteif auf die Zebrastreifen der Straße,
das sehen wir, nach einem etwas ungelenken Umschnitt von oben - sehr artifizielle
Einstellung, das. Auf der Straße, wie wir sehen, fahren nicht gerade wenig
Autos, fahren aber höflich um die Liegende herum. Dann kommt mit quietschenden
Reifen eine Limousine um die Ecke, nah auf uns zu: Kühlergrill, bremst,
Kamera in Untersicht jetzt. Ein Mann mit Sonnenbrille und Hemd in »schreienden
Farben« steigt aus, und fragt natürlich, was denn los sei, das täten
wir wahrscheinlich auch, und warum sie da läge. Bella hebt den Oberkörper
und sagt, so halb in die Kamera hinein: »I dont’t know. Put
some excitement in my sunday morning.«
Auf
eine hübsche kleine Groteske mit ganz gewöhnlich verrückten Leuten
könnte uns dieses Intro vorbereiten. Aber es bereitet uns auch auf ein
Stück prätentiöses, überinszeniertes und immer wieder unangenehm
selbstverliebtes Kino vor. Da ist ein Regisseur am Werk, der sich selbst wichtiger
nimmt als das, was vor seiner Kamera passiert. Das überträgt sich
immer mal wieder auch auf die Figuren. So wie wir in der Pre-Title Sequenz von
Bella eben nicht genau sagen können, ob da jemand einfach irgendwas (komisches)
gegen seine Verzweiflung tun muß, oder ob wir jemanden zusehen müssen,
der sich gern ein bißchen wichtig macht. (Ehrlich gesagt, diesen Verdacht
bin ich den ganzen Film über nicht vollständig losgeworden.)
Kollek
ist einfach kein Mann fürs Lakonische. Er kann nicht einmal inszenieren,
wie eine Taube auf eine Zeitung scheißt, so daß man das Gefühl
hat: Shit happens, genau einen kleinen Seufzer lang, und kein weiteres Aufheben.
Bei ihm sehen wir noch den Immer-muß-das-mir-passieren-Ausdruck des Mannes,
und dann umständliche Versuche, die Sache zu bereinigen. Eine planimetrische
Kamera-Einstellung schreit förmlich heraus: Guck mal, was für ne tolle
planimetrische Einstellung! Und wenn Bella und ihre Mutter miteinander telefonieren,
dann muß die eine immer die Attraktion ihres Mietshauses sein und die
andere immer etwas auffallend Geschmackloses an- oder um sich haben Das sind
Momente, in denen man am liebsten aus dem Film aussteigen möchte.
Aber
dann kriegen einen die Charaktere doch wieder. Und was der Regisseur Amos Kollek
nicht kann, der Drehbuchschreiber Kollek hat’s: die Kunst der Beiläufigkeit.
Auch die Verknüpfung der losen Enden ist ihm recht hübsch von der
Hand gegangen. Sogar Witze über das eigene serielle Konstruktionsprinzip
gelingen im letzten Drittel. »You sure come around« sagt Bella zu
der Frau, die sie immer wieder in der falschen Wohnung und mit den falschen
Männern trifft. Und am Ende gönnen wir auch der Zebrastreifen-Lady
die echten Zebras in der privaten Menagerie. Also genug kritisiert. Schließlich
geht es hier um Menschen auf der Suche nach dem Glück. Und bei so etwas
tut man nicht kleinlich herum.
Note:
2
Georg
Seeßlen
Zu diesem Film gibts im archiv mehrere Texte
FAST
FOOD, FAST WOMEN
von
Amos Kollek, USA 2000, 96 Min., mit Anna Thomson, Jamie Harris, Louise Lasser,
Robert Modica, Lonette McKee,
Drama
Start:
08.03.2001
zur
startseite
zum
archiv