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Ferris
macht blau
Gegensätze ziehen sich an
One man's
struggle to take it easy.
(Werbezeile
für "Ferris Bueller's Day Off")
Eigentlich lügt die Werbezeile.
Jedenfalls dann, wenn mit dem Mann, der sich darum bemüht, es leicht zu
nehmen, tatsächlich der titelgebende Held gemeint ist. Denn Ferris (Matthew
Broderick) ist, das wird bereits nach wenigen Filmminuten klar, der ungekrönte
König des Leichtnehmens, der sich scheinbar um rein gar nichts bemühen
muss. Einer, dem alles zufällt. Dem nichts schwer fällt und der, sollte
das doch mal der Fall sein, sich nicht viel daraus macht. Die Welt geht für
ihn wohl niemals unter - es sei denn vielleicht, sie würde im wahrsten
Sinne des Wortes irgendwann tatsächlich untergehen. Bis es aber soweit
ist, nimmt er's leicht und hat immer ein Lächeln und einen coolen, flotten
Spruch auf den Lippen. Scheinbar sorglos lebt er in den Tag hinein, schwänzt
die Schule, führt seine Eltern gekonnt hinters Licht und wird dafür
auch noch mit einer ganz entzückenden Freundin belohnt, die ihn geradezu
anhimmelt - während seine Schwester Jeanie (Jennifer Grey), die alles ziemlich
schwer nimmt, ihn geradezu verabscheut. Von ihr mal abgesehen fliegen ihm allerorten
die Herzen der Menschen wie im Sturm zu, er ist der geborene Entertainer, Selbstdarsteller,
Stimmungsmacher.
Dass der Supertyp Ferris sich mit einem Freund um-
und abgibt, auf den die Werbezeile hingegen passt wie die Faust aufs Auge, irritiert
dann zunächst durchaus. Denn Cameron Frye (Alan Ruck) scheint ein Loser
zu sein, wie er im Buche steht. Verschüchtert, nervös, ängstlich
und unscheinbar kommt der Sohn aus gutem Hause daher und will so gar nicht zu
seinem Freund Ferris passen. Cameron ist der bedauernswerte Typ, der immer einstecken
muss, auf dem alle rumtrampeln, über den sich jeder lustig macht. Der geborene
Außenseiter und Sonderling, für den man nur Mitleid oder schadenfrohes
Gelächter übrig hat. Auch seine Familie stärkt ihm keineswegs
den Rücken, die bloße Erwähnung seines Vaters lässt Cameron
sichtlich das Blut in den Adern gefrieren und innerlich Haltung annehmen.
Kein Wunder also, dass Cameron wenig begeistert ist,
als Ferris ihn dazu anstiftet, den Sportflitzer seines Vaters für den Schulschwänztag
auszuborgen. Aber Ferris wäre nicht Ferris, wenn er seinen Freund nicht
doch irgendwann rumkriegte. Also steigen Ferris, Cameron und Sloane (Mia Sara)
in Mister Fryes knallroten 1961er Ferrari 250GT California und starten in einen
ereignisreichen, wilden, ausgelassenen Tag.
Was auf den ersten Blick wie eine typische Highschool-Komödie
aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als weit mehr als nur pointenreiche
Unterhaltung ohne besonderen Tiefgang. Regisseur John Hughes wäre nicht
John Hughes, hätte er "Ferris macht blau" nicht - ähnlich
wie seinem aus dem Jahr 1985 stammenden, legendären "The
Breakfast Club" - eine Ebene
hinzugefügt, die über die bloße Teenager-Unterhaltung hinaus
geht. Hughes bedient sich dabei scheinbar simpler Stilmittel, um seine ,Botschaft' an die Zuschauer zu bringen.
Ferris:
If you're not over here in fifteen minutes, you can find a new best friend.
Cameron:
You've been saying that since the fifth grade.
Ein knalliger Soundtrack, flotte Dialoge, eine 1A-Identifikationsfigur,
eine einfach gestrickte und direkt erzählte Geschichte... da sind klingelnde
Kinokassen garantiert. Seiner sympathischen Hauptfigur Ferris stellt Hughes
den wirren Cameron gegenüber - auch das kein wirklicher Kunstgriff. Jedoch
trägt die Dynamik zwischen den beiden jungen Männern dazu bei, die
scheinbar leichte Geschichte mit ein wenig Bedeutung anzudicken. Waren es in
"The Breakfast Club" noch fünf Hauptfiguren, die verschiedener
kaum sein konnten und dennoch im Lauf des Films wenn nicht gerade Gemeinsamkeiten,
so doch Verständnis und Respekt füreinander entdeckten, so sind es
in "Ferris macht blau" hauptsächlich Ferris und Cameron, die
einander gegenüber gestellt werden. Im Unterschied zu den Frühstücksclub-Mitgliedern
sind die beiden Blaumacher von Beginn an befreundet und schätzen einander
mit all ihren Gegensätzen. Immer wieder stellt der eine den anderen in
Frage, der eine ist das ungleiche Spiegelbild des anderen. Bei Hughes ziehen
Gegensätze sich ganz offensichtlich an, und mehr noch: Bei Hughes gibt
es keine Außenseiter. Normal ist bei ihm, was gefällt. Und so ist
Ferris nicht, wie man das vielleicht erwarten könnte, ein Großmaul,
das sich wiederum nur mit anderen Großmäulern umgibt. Nein, hinter
Ferris' stets gutgelaunter Fassade verbirgt sich weit mehr als die Oberflächlichkeit
eines cool-cleveren Typen. Offenbar schätzt Ferris an seinem Freund genau
die Eigenschaften, über die viele andere sich köstlich amüsieren.
Und während die zarten Freundschaftsbande, die die fünf Schüler
im Frühstücksclub innerhalb weniger Stunden geschlossen hatten, den
Schulalltag womöglich nicht überlebt haben, stellt Hughes in seinem
nur ein Jahr später entstandenen Film fest: Wahre Freundschaft ist trotz
jeglicher vordergründiger Unterschiede möglich.
Das mag naiv sein. Unterschwellig aber verbindet
die so verschiedenen Jungs etwas, das in Hughes Filmen immer wieder auftaucht:
Die jugendliche Überzeugung, dass man niemals so werden will, wie die Eltern.
Da mag das Verhältnis zu Vater und Mutter noch so entspannt und freundschaftlich
sein, die Wahrheit ist und bleibt: Die Welt der Erwachsenen ist eine Welt, innerhalb
derer sich die Ferrisse und Camerons dieser Welt auf ihre ganz eigene Art ihren
ganz eigenen Raum schaffen müssen. Das ist nicht immer einfach, sondern
oft mit Angst, Schmerz und dem, was man gerne als Auflehnung bezeichnet, verbunden.
Doch John Hughes, das zeigen viele seiner in den 80ern entstandenen und bis
heute aktuellen Filme eindrücklich, glaubt an das Recht der Jugend, sich
diesen eigenen Raum zu erkämpfen - und das Leben dabei auch mal, gegen
alle Widerstände, leicht zu nehmen.
Petra H. Knobel
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei: www.ciao.de
Ferris
macht blau
FERRIS
BUELLER'S DAY OFF
USA
- 1986 - 103 min. – Scope - Erstaufführung: 18.12.1986
Regie:
John Hughes
Buch:
John Hughes
Kamera:
Tak Fujimoto
Musik:
Ira Newbom
Schnitt:
Paul Hirsch
Darsteller:
Matthew
Broderick (Ferris Bueller)
Alan
Ruck (Cameron Frye)
Mia
Sara
(Sloane Peterson)
Jeffrey
Jones (Ed Rooney)
Jennifer
Grey (Jeanie Bueller)
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