The Fifth Element
THE FIFTH ELEMENT ist der Film eines Sechzehnjährigen.
In jenem zarten Alter schrieb Luc Besson die Urfassung seines
Science-Fiction Epos, und obwohl das Projekt seither etliche Jahre
und zahlreiche Umarbeitungen hinter sich hat, ist dieser Ursprung
dem fertigen Film unvermindert anzumerken.
Dies mag böse klingen, ist aber keineswegs so gemeint: denn
obgleich THE FIFTH ELEMENT durch diesen Umstand einige Schwächen
anhaften, so verdankt er ihm doch auch zweifelsohne seine großen
Stärken.
Die Story ist äußerst rudimentär: Das Universum wird im 23.
Jahrhundert heimgesucht von dem absolut Bösen, und der Menschheit
bleibt wenig Zeit, um sich vor dem Untergang zu retten. Den
Schlüssel zur Erlösung besitzt eine Rasse von gutmütigen Aliens,
die aber auf ihrem Weg zur Erde von den bösen Mangalores
angegriffen wird. Aus Überresten eines der Aliens können
Wissenschaftler in New York das Wesen Leeloo (Milla Jovovich)
rekonstruieren, das jedoch flieht, nur um dem heruntergekommenen
Taxifahrer Corben Dallas (Bruce Willis) in die Arme (respektive das
Taxi) zu fallen, mit dessen Hilfe sie sich dann anschickt, die Welt
zu retten.
Das Ganze dient als Vorwand, um viele fantastische Schauplätze zu
besuchen und bizarre Charaktere zu treffen (darunter als weiterer
Bösewicht der wie üblich wunderbare Gary Oldman, mit stilisierter
Hitlerfrisur, Hasenzähnen und - im Original - Südstaatenakzent),
wobei es Besson verblüffenderweise gelingt, die Geschichte in
zentralen Punkten trotz ihrer radikalen Einfachheit verwirrend
unklar zu lassen: wieso Leeloo selbst das fünfte Element ist (oder
doch die Liebe, oder wie oder was?), habe ich immer noch nicht
verstanden.
Auch über die Story hinaus ist manches an FIFTH ELEMENT
problematisch. Vor allem gegen Ende häufen sich die peinlichen
Momente - die überflüssige Figur des schwarzen, schwulen
Radiomoderators, die für comic relief sorgen soll, ist mißlungen
und nervtötend , und je mehr der Film seinem Finale zusteuert, um
so mehr gerät er auch in die Fahrwasser des Kitschs.
Außerdem ging dem pubertären Besson offensichtlich seine
Männerphantasie durch, und so bekommen wir mit Leeloo eine
Fantasiefrau präsentiert, die die bekannten Vorlieben des
Regisseurs in überzeichneter Reinform verkörpert. Leeloo ist stark
und zupackend, eine phallische Frau, die Fäuste und Waffen
schwingt, daß es nur so eine Freude ist, doch zugleich ist sie
innerlich eine Kindfrau, die man(n) sich erst nach Belieben
erziehen muß.
Der reizenden Milla Jovovich ist es zu verdanken, daß diese
Ausgeburt eines feuchten Traumes dann doch zu charmantem Leben
erwacht, und ihre staunenden Augen sind es, die dem Publikum in der
Welt von FIFTH ELEMENT die größte Identifikationsmöglichkeit
anbieten.
Denn so sehr man an Details herumzunörgeln versucht ist, so
irrelevant werden diese angesichts dessen, daß der Film dem Kino
etwas zurückgibt, was in letzter Zeit fast gänzlich abhanden
gekommen schien: das Staunen.
Besson ist es gelungen, sich jenen Enthusiasmus, jene grandiose
Naivität und Prätention, jenes Gefühl des Neuen, Unerhörten,
Fantastischen zu bewahren, die ihn einst angetrieben haben müssen,
als er zum ersten Mal versuchte, die Vision von THE FIFTH ELEMENT
zu Papier zu bringen.
Zusammen mit seinen Designern (darunter die französichen
Comic-Zeichner Moebius und Mézières, sowie Jean-Paul Gaultier) hat
er eine faszinierende, überbordene, reiche Welt geschaffen, die das
Schauen zu einer puren Freude macht.Man mag sich an dem Film gar
nicht genug sattsehen und -hören (Eric Serra liefert den
bemerkenswerten Soundtrack), und gottlob versteht es Luc Besson,
die Ideenfülle wohldosiert und strukturiert darzubieten, so daß sie
(im Gegensatz beispielsweise zu BATMAN & ROBIN) voll zur Geltung
kommt.
Deshalb fällt es mir letzlich auch leicht, dem Film all seine
Fehler und Schwächen zu verzeihen - was sind die schon im Vergleich
zu dem Geschenk, wieder einmal etwas von jener Zeit spüren zu
dürfen, als man den Kosmos des Kinos noch zu entdecken hatte, als
jeder Film neu war, jeder Film Spaß machte und jeder Film ein
wahres Abenteuer war.
Thomas Willmann
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
artechock : FILM- UND KUNSTMAGAZIN
The Fifth Element
F 1997 - 127 Minuten -
Regie: Luc Besson
Kamera: Thierry Arbogast
Drehbuch: Luc Besson
Besetzung: Bruce Willis, Milla Jovovich, Gary Oldman, Ian Holm u.a.