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Final
Destination
9/11
und 08/15. Der Tod ist ein Terrorist, und im Haushalt passieren die meisten
Unfälle. Erkenntnisse aus einem Teenie-Horrorfilm (Regie: James Wong) als
Symptom gesellschaftlich-psychologischer Gegenwart und vermasselte Chance zum
schönsten Brian De Palma-Film seit Ewigkeiten.
Ein
junger Mann (Devon Sawa), knapp dem sicheren Exitus in einem explodierenden
Flugzeug entkommen, schließt sich in einer Hütte in der Wildnis ein,
präpariert sie gegen alle nur erdenklichen Haushaltsunfälle und sitzt
dann drinnen herum, auf mögliche Gefahren lauernd.
Der
Horrorfilm "Final Destination", im Jahr 2000 erschienen, erzählt
von einem akut gefährlichen Alltag. Von einer gesichtlosen Bedrohung, die
Passagier-Flugzeuge, Linienbusse, Küchenmesser, Stromleitungen, Alkoholika
und tropfende Toilettendichtungen zu Zahnrädern präziser Mordkomplotte
umfunktioniert. Der Tod selbst ist es, der mit derartigen Guerilla-Methoden
seine Opfer holt. Und wo der "Scream"-Slasher mit schwarzem Cape und
weißer Munch-Maske wie ein upgedateter Wiedergänger des mittelalterlichen
Sensenmannes daherkam, da verzichtet "Final Destination" (bis auf
einige Bedrohlichkeit markierende weißgesichtige Puppen als ostentativ
patschert vor die Zuschauer-Augen gedrückte Stimmungsmacher während
des Vorspanns) auf personalisierte Visualisierungen des Bösen zugunsten
einer radikalen Neudeutung: Konnte man Gevatter Tod, solange er noch körperlich
erschien, um einen mitzunehmen, übertölpeln wie mancher Held einer
mittelalterlichen Sage, oder ihn wenigstens zu einer Partie Schach auf Leben
und Tod überreden wie Kreuzritter Blok in Bergmanns "Das siebente
Siegel", so entzieht er sich in "Final Destination" derartig
menschlichen Gesten: Der Tod, das ist hier ein anonymer terroristischer Drahtzieher,
der unbemerkt in den amerikanischen Lebensraum, von öffentlichen Verkehrsmitteln
bis ins Badezimmer, im Thriller spätestens seit "Psycho"
den intimsten Bereich eigenheimlicher Verletzlichkeit, einsickern kann. Dort
mordet er mittels obskurer Unfälle der Reihe nach eine in ihrer Klischeehaftigkeit
repräsentativ gemeinte Gruppe von sechs Jugendlichen und einer Lehrerin,
die ihm alle aufgrund der hellseherischen Fähigkeiten des Helden - wie
es so schön heißt - von der Schippe (eines auch ihnen zugedachten
Flugzeugabsturzes) gesprungen sind.
Um
zu sehen, dass "Final Destination" von der Gegenwart erzählt,
muss man nicht erst vor die Nase gerieben bekommen, dass bei einem Flugzeugabsturz
ungeklärter Ursache bei Long Island, New York, im Juli 1996 nicht nur inhaltliche
Anleihen genommen wurden, sondern sogar Bildmaterial dieses Unfalls für
den Film umgewidmet wurde. Was bei einem scharfsinnigen Werk als subversive
Chuzpe durchgegangen wäre, wirkt hier freilich einfach wie moralische Fahrlässigkeit:
Denn während große Horrorfilme von Romero oder Cronenberg oft die
Spannungen ihrer Zeit aktiv bearbeiten, bleibt das Politische in "Final
Destination" auf dem Niveau unreflektierter Angst-Symptome vor einer anonymen,
unmotiviert eingreifenden Bedrohung. Regisseur James Wong und seine Co-Drehbuchautoren
Glen Morgan und Jeffrey Reddick (erstere beide entstammen wie auch die Drehbuch-Idee
dem "X-Files"-Universum) haben schon alle Hände voll zu tun,
um den zugegebenermaßen nicht ganz einfachen Handlungsmechanismus irgendwie
zum Laufen zu bekommen. Als hätten sie Angst gehabt, sich in ihrer Idee
zu verlieren (bzw. sich zu weit vom Gros des Teenie-Horror zu entfernen), hält
sich der Film bei jeder Gelegenheit am Konventionellsten fest: an den FBI-Ermittlern,
die den seherischen Helden der sich häufenden Morde verdächtigen;
an der banalen Gruppenpsychologie der Bedrohten; und an einem Finale, das jegliche
Spielfreude am Bau von Todesfallen zugunsten ziemlich lahmer Action fahren lässt.
Entschlossener wurde im Genre-Film lange nicht mehr die eigene potentielle Innovation
bekämpft, als gälte es zu beweisen, dass sich jeder noch so interessante
Einfall unter die Kontrolle eines 08/15-Drehbuchs bekommen lässt.
Man
darf ja noch träumen: "Final Destination" hätte ein schöner,
grausamer Film über die Tücke des Objekts werden können. Oder
eine maliziöse Dämonisierung der westlichen Warenwelt, wie sie etwa
Tobe Hoopers/Steven Spielbergs "Poltergeist" oder Joe Dantes beiden
"Gremlins"-Filme skizziert haben. Oder ein Raum, um über die
Inszenierung von Morden nachzudenken, die den Filmemacher mit dem Mörder
verbindet. Das ist alles da in "Final Destination", alles möglich,
alles spürbar. Und gleichzeitig muss einem diese Behauptung kindisch vorkommen,
noch während man sie in Gedanken formuliert: Nicht bloß, weil solche
normativen Feststellungen am Objekt der Beobachtung letztendlich vorbeigehen,
sondern weil "Final Destination" so meilenweit vom kinematographischen
Raffinement entfernt ist, dessen dieses Horror-Szenario bedurft hätte,
um seine Möglichkeiten zu entfalten. Nur in wenigen Momenten in der ersten
Hälfte gelingt es den Filmemachern, der Inszenierung der Unfälle ansatzweise
jene kameragleitende Eleganz zu verleihen, mit der etwa ein Brian De Palma in
lichten Momenten seine verwickelten Handlungs-Mechanismen umspielt. Wo dieser
Slapstick und Horror im Idealfall fusioniert, da springt "Final Destination"
ratlos zwischen den Stühlen herum, ohne so recht seinen Platz zu finden.
Und
wo der Film frischer Beobachtungsgabe bedurft hätte, da fliegen bewusstlos
aneinander gereiht Kraut und Rüben aus der kleinen Stilmittel-Kantine durch
den werbespot-antiseptisch ausgeleuchteten Raum, bemüht, die inzwischen
in den unreflektierten Spielarten amerikanischen Überwältigungskinos
handelsübliche Behauptung eines physischen Erlebnisses zu signalisieren.
Als wäre nicht gerade das Gegenteil wahr: Dieses Kino ist in seinem Bemühen
der Pflichterfüllung nicht nur geistes-, sondern auch sinnesabwesend, voll
von blinden Bildern und tauben Tönen, an denen man sich - kann man über
einen Horrorfilm etwas Schlimmeres behaupten? - einfach nicht wehtun kann. Und
wo meinetwegen Melodramatik und Milieu ihren Platz gehabt hätten, da wuchert
"Dawson’s Creek".
Es
ist wie es ist, und es ist - mit Verlaub - trostlos.
Joachim
Schätz
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Final
Destination
(Final
Destination)
USA
2000, 98 Minuten
Regie:
James Wong
Drehbuch:
Glen Morgan, Jeffrey Reddick
Musik:
Shirley Walker
Director
of Photography: Robert McLachlan
Schnitt:
James Coblentz
Produktionsdesign:
John Willett
Darsteller:
Devon Sawa (Alex Chance Browning), Ali Larter (Clear Rivers), Kerr Smith (Carter
Horton), Tony Todd (William Bludworth), Kristen Cloke (Ms. Valerie Lewton),
Seann William Scott (Billy Hitchcock), Daniel Roebuck (Agent Weine), Roger Guenveur
Smith (Agent Schreck), Chad Donella (Tod Waggner), Amanda Detmer (Terry Chaney),
Brendan Fehr (George Waggner), Forbes Angus (Mr. Larry Murnau), Lisa Marie Caruk
(Christa Marsh), Christine Chatelain (Blake Dreyer), Barbara Tyson (Mrs. Barbara
Browning)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0195714
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