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Flash Gordon
Besser
als Jesus, und blond
Manche Filme erfüllen den
Zuschauer noch dreißig Jahre später mit ungläubigem Staunen.
Gab es wirklich einmal eine Zeit, als sich aufstrebende Hollywoodstars wie Ornella
Muti und Timothy Dalton neben Oscar-Lieblingen wie Max von Sydow oder (dem zu
Unrecht in Vergessenheit geratenen) Topol in solchen knallbunten Plastikfilmchen
austobten? Mehr noch: Wie kam es dazu, dass all diese großen Namen sich
mit Nebenrollen begnügten, während die großen Scheinwerfer auf
talentfreie Schönlinge wie Sam Jones oder Melody Anderson ausgerichtet
wurden?
In vielerlei Hinsicht ist der
heute eher berüchtigte „Flash Gordon“-Film eine erste, markante Wegmarkierung
der Postmoderne. Im Fahrwasser der Neuentdeckung von 30er-Jahren-Serials und
interplanetaren Abenteuern durch die New Hollywood-Generation, angeführt
von Spielbergs „Jäger des verlorenen Schatzes“ und Lucas’ „Krieg der
Sterne“
(aber eigentlich natürlich initiiert durch die zahllosen Schaumstoffabenteuer
aus der unermüdlichen Produktion von Roger Corman), arbeitete sich der
Produzent Dino de Laurentiis an bombastischen Fantasy- und SciFi-Epen ab. Aber
während seine „Dune“-Verfilmung
unter der Ägide von David Lynch in edler Größe scheiterte und
John Milius’ „Conan“-Filme belangloses Formelkino blieb, setzte (zumindest rückblickend)
Mike Hodges’ Interpretation des Flash-Gordon-Comics trotz oder gerade wegen
seiner offensichtlichen Ziellosigkeit und ungezügelten Selbstironie Zeichen
für die Zukunft des Genres.
Sicher, zu seiner Zeit wurde der
Film verlacht, und aus gutem Grund: Sam J. Jones kann nicht einmal eine Bewusstlosigkeit
glaubhaft spielen, und Melody Anderson wurde viel zu offensichtlich als reiner
Augenschmaus gecastet. Zudem beulen und eiern die Hartplastikkostüme doch
verdächtig, und das Drehbuch erinnert an selige „Lego Raumfahrt“-Improvisationen
im Grundschulalter. Aber nach über dreißig Jahren kommt man nicht
ganz umhin, die vermeintlichen Fehler als wohlkalkulierte Respektlosigkeiten
umdeuten zu wollen. Zu gekünstlet nestelt der megalomanische Ming an seinem
magischen Siegelring herum; zu hanebüchen stolziert der uramerikanische
Footballstar und Multimillionär Flash (seinen eigenen Schriftzug auf dem
knappen Muskelhemd prangend) durch eine Welt, von der er sichtlich kaum etwas
kapiert; zu lustvoll schmiert Topol seinen verrückten Wissenschaftler mit
jedem denkbaren Akzent zu; zu witzig sind die hanebüchenen Hochzeitsschwüre
des Weltraumdespoten mit seiner menschlichen Sexsklavin; und vor allem – sprechen
wir es endlich aus – zu schwul krawummt die treibende Männersauna-Musik
von Queen.
In dem klebrigen, wagemutigen,
zutiefst originellen Soundtrack spiegelt sich der ganze Film und alles, was
ihn heute so besonders macht: Der Mut zum ehrlichen Pathos, aber gleichzeitig
auch zur hemmungslosen Schmiere; die Schwankung zwischen größtmöglicher
Bombastik und triumphaler Selbstironie. Trotzdem bleibt die Musik immer mitreißend
und kostet alle sexuellen Untertöne, die wie Fallstricke über den
ganzen Film verteilt sind, genüsslich aus. Voller Widersprüche und
Gegenläufigkeit stecken die vom Schlagzeuger Roger Taylor angepeitschten Trommelfeuerrhythmen,
voller Inbrunst und keifender Aggressivität der Gesang von Freddy Mercury,
dessen skurriler Text den Titelhelden immer wieder als „Heiland des Universum“
lobpreist. Der Originalität sind hier keine Grenzen gesetzt: Kampfsequenzen
werden mit pulsierendem Hardrock unterlegt, der Hochzeitsmarsch mit jaulenden
E-Gitarren nachgespielt, selbst vor der Verwendung von Fanfaren schrecken diese
gesetzlosen Rocker nicht zurück. Es ist weniger ein Ohrenschmaus als vielmehr
ein überbordender inspirierter Wahnsinn, der nicht nur als Geburtsstunde
der Glamrockfilmmusik gelten muss, sondern auch mit seinem exzessiven Einsatz
von Synthesizern wie ein schillernder Vorbote zu Vangelis' späterem Dreamscore
zu „Blade Runner“ erscheint.
Mit ganz ähnlichen Drogen
hat wohl auch der Gesamtdesigner Danilo Donati gerade experimentiert, als er
die Sets und Kostüme entworfen hat. Aus der Kombination überwältigender
Matte Paintings auf der einen Seite und mitleiderregenden Spezialeffekten hart
an der Ed-Wood-Grenze auf der anderen ergibt sich ein visueller Stil, der scheinbar
ohne Reibungsverlust zwischen moderner Opernbühne und Kaugummipapierchenästhetik
ständig hin- und herwechselt: Bösewichte rauchen und/oder schmelzen,
wenn man sie tötet, die psychedelischen Kostüme spielen mit Zitaten
von Nazi-Uniformen über die Robin Hood-Ikonographie bis zu signalfarbenen
Kegelmenschen, und die Hintergrundgemälde ersaufen in ihren eigenen Wasserfarben.
Letztlich ist Flash Gordon aber
vor allem ein gutes Stück amerikanischer Sexphantasie, und daraus speist
sich wohl auch sein Charme, weil die Zeiten, da sich die USA als Kollektiv dem
Sex, der Phantasie oder einer sonstigen Ausschweifungen hingaben, längst
vergessen scheinen. Der blonde Dolph-Lundgren-ohne-Muskeln-Verschnitt, der sich
intergalaktischen Schreckensherrschern gerne mit „Flash Gordon, Quarterback
der New York Jets“ vorstellt und an dessen Schulter alle Frauen (außerirdische
wie mitgebrachte) reihenweise dahinschmelzen, ist Imperialismus in seiner klobigsten
und somit liebenswertesten Form. Ach, die Zeit, als Männer noch behaart
waren und in engen Shorts zur Exekution geführt wurden, und als die Damen
bei diesem Anblick noch in Ohnmacht fielen (und man nicht genau wusste, ob wegen
der Exekution oder der Shorts)...
Und wo sind all diese Menschen
heute? Danilo Donati erinnerte sich daran, wie er mal zwei Oscars gewonnen hatte
und kehrte zurück zu seiner Zusammenarbeit mit italienischen Träumern
wie Fellini, Pasolini und später Benigni. Hodges musste sich die kommenden
Jahrzehnte mit Filmchen wie „Morons from Outer Space“ herumschlagen (deutsch:
„Space Cracks – Die irre Bruchlandung der Außerirdischen“), bevor er Ende
der 90er Jahre Clive Owen als Leading Man entdeckte und mit ihm endlich zur
alten „Get Carter“-Form zurückkehren konnte. Sam J. Jones war für seine
wahrhaft unterirdische Performance der erste große Favorit auf die 1980
frisch gegründete Goldene Himbeere, posierte nackt für „Playgirl“
und ist dem deutschen Fernsehfreund dank RTL vor allem als „Highwayman“ in Erinnerung
geblieben. Timothy Dalton wurde ein grimmiger Bond (leider zwanzig Jahre, bevor
das gewünscht wurde) und dann ein Dauergast in TV-Mehrteilern mit Sandalenquote.
Und Melody Anderson hat nach vielen Fernsehrollen die Schauspielerei an den
Nagel gehängt und ist heute als Drogenberaterin in New York tätig.
Manchmal ist die Realität noch bunter, verwirrender und schöner als
jedes SciFi-Epos.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Flash
Gordon
FLASH
GORDON
Regie:
Mike Hodges
Buch:
Lorenzo Semple jr.
Vorlage: nach einer Comic-Serie von Alex Raymond
Kamera:
Gilbert Taylor
Musik:
Queen
Schnitt:
Malcolm Cooke
Special
Effects: Frank van der Veer, Barry Nolan, George Gibbs, Richard Conway, Derek
Botell, Chris Kelly
Darsteller:
Sam
Jones (Flash Gordon)
Max
von Sydow (Ming)
Melody
Anderson (Dale Arden)
Chaim
Topol (Dr. Hans Zarkov)
Ornella
Muti (Prinzessin Aura)
Timothy
Dalton (Prinz Barin)
Peter
Wynegard (Klytus)
John
Osborne
Richard
O'Brien
John
Morton
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