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Flavour
of Green Tea Over Rice
Ein
Film höchst eleganter Gewichtsverlagerungen. Er beginnt als Komödie
einer hoffnungslos gescheiterten Ehe, führt die Frau vor im Kreis ihrer
Freundinnen, die sich, mit Lug und Skrupellosigkeit, aus dem Ehealltag davonstehlen,
in einen Badeort. Mokichi, der Ehemann, scheint im besten Fall desinteressiert,
spricht wenig, geht seinen eigenen Interessen nach: man sieht ihn an seinem
Schreibtisch, lesend, in einem Wörterbuch nachschlagend. Indem er wenig
von ihm zeigt, scheint der Film erst einmal auf der Seite der Frau, die freilich
mehr als rüde ist: Herr Dummkopf nennt sie ihren Mann Mokichi, ein ums
andere Mal.
Unmerklich
fällt der Fokus anderswohin: auf Setsuko, die zunächst einmal nichts
als naiv erscheint, die Nichte Taekos, der Ehefrau. In einer ersten Szene wird
sie gewarnt: die Ehe ist die Hölle, du kannst nicht mehr tun und lassen,
was du willst. Die Lektion scheint sie gelernt zu haben: Man findet einen Mann
für sie, im Theater soll sie ihn kennenlernen. Wir sehen kein einziges
Bild von der Bühne und wir sehen auch sie nicht: nur den designierten Ehemann
und die Tante, ihren Kopf verrenkend, Ausschau haltend, Setsuko taucht nicht
auf. Stattdessen: Sie ist im Pachinko, mit ihrem Onkel und dessen Protegé,
aus den Vorhaltungen macht sie sich nichts. Eine Szene später. Taeko fordert
ihren Mann auf, die Nichte zu schelten. Er tut es, nicht sehr gerne, deutlich
wird die Solidarität zwischen den beiden. In brutaler Offenheit meint er
kurz darauf: Vielleicht ist es gut so, es könnte enden wie bei uns.
Viel
mehr als von Ozu gewohnt gibt es hier leise Kamerafahrten, auf die Personen
zu, vor allem auf ihn, im Haus, aber auch im Büro, sein Schreibtisch. Nicht
als Zoom (es folgt dann über Zwischengründe hinweg der Sprung in die
Halbnahe), sondern als sanfteste Annäherung. Es ist, der Seltenheit wegen,
jede Bewegung der Kamera in den späteren Ozu-Filmen bewegend - nicht im
Auto, nicht am Zug als Mitnahme diegetischer Bewegung -, sondern als vorsichtige
Stellung-Nahme zu den Figuren. Zumal es die Bewegung des Blicks ist, metaphorisch
gesprochen, der immer einer der des Näherkommens ist - als Distanzreduktion,
nicht, nie und nimmer, als Aufdringlichkeit. Die Regel bleibt, hier vielleicht
entschiedener noch als sonst, der Schutzraum: Zwischen der Kamera und der Figur
vermitteln Wände, eine, zwei, drei, vor der Figur, dahinter: es ist, als
sollte sie durch eine Haut aus Raum vor dem Zudringen des Blicks, auch der psychologischen
Deutung bewahrt bleiben. Nicht nur die Wände, auch Gegenstände im
Vordergrund bieten, in beinahe jeder Einstellung zunächst einen Wall aus
Materialität. Erst wenn der Abstand bestimmt ist, erfolgt der Sprung in
die amerikanische Einstellung (niemals gibt es Großaufnahmen), im Schuss
und Gegenschuss des Dialogs aber immer noch um das winzige sich leicht verfehlender
Blicklinien distanziert.
Von
Setsukos Geschichte verlagert sich der Schwerpunkt beinahe unmerklich zurück
auf die der Ehe. Aus Taekos Blicken spricht der Hass, sie macht sich davon,
unangekündigt. Und ihn schickt sein Chef nach Uruguay, er sendet ein Telegramm,
am Flughafen Setsuko und sein Protegé (wir ahnen schon, worauf das mit
den beiden hinausläuft), die Schwester seiner Frau: Taeko aber trifft nicht
rechtzeitig ein, das Flugzeug hebt ab, das könnte das Ende sein. Ozu aber
gönnt den beiden eine letzte Chance. Das Flugzeug kehrt um, ein Problem
am Triebwerk, Mokichi und Taeko sehen sich unerwartet doch noch wieder. Was
folgt, gehört zum Zartesten bei Ozu: vorsichtig nähert sie sich ihm,
nähert er sich ihr (es ist dies die Bewegung des Films): im offenkundig
neutralsten Raum des Hauses, der Küche, in der sie sich beide nicht auskennen,
finden sie, erstmals, zueinander. Sie suchen sich Essensreste zusammen, er insistiert
auf seinem Lieblingsgericht, grüner Tee auf Reis. Gemeinsam am Tisch. Taeko
sieht ihren Mann wie das erste Mal: er liebt das Einfache, Vertraute, erlebt
ihre Ansprüche als Überforderung. Tränen in ihren Augen, er ist
gerührt und das war's. Am nächsten Tag erzählt sie, als hätte
sie eine Bekehrung erfahren, ihren Freundinnen davon. Dasselbe, als Beginn einer
mehr versprechenden Ehe, folgt als burlesker Epilog zwischen Setsuko und dem
Mann, den sie heiraten wird: sie entzieht sich, spielerisch, sie jagen sich,
verschwinden, die Kamera folgt nur sehr, sehr zögerlich, in der Ferne.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Flavor
of Green Tea Over Rice
OT:
Ochazuke no aji
Japan
1952
Alternativtitel:
Tea
Over Rice (1964) (USA)
Tea
and Rice (1952)
Regie:
Yasujiro Ozu
Drehbuch:
Kôgo Noda, Yasujiro Ozu
Darsteller:
Shin
Saburi .... Mokichi
Satake
Michiyo
Kogure .... Taeko Satake
Koji
Tsuruta .... Noboru
Okada
Chikage
Awashima .... Aya Amamiya
Keiko
Tsushima .... Setsuko Yamauchi
Eijirô
Yanagi .... Yamauchi
Kuniko
Miyake .... Chizu Yamauchi
Koji
Shitara .... Koji Yamauchi
Chishu
Ryu .... Sadao Hirayama
Yûko
Mochizuki .... Shige
Hisao
Toake .... Toichiro
Amamiya
Länge:
Japan:115 min / USA:116 min
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