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The
Flicker
Tony
Conrads "The Flicker" beinhaltet kein einziges herkömmliches
Bild, so wie es im traditionellen Erzählkino vorkommen mag. "The Flicker"
besteht, mal abgesehen von den anfänglichen Titelkarten, nur aus einzelnen
schwarzen und weißen Filmbildern, die abwechselnd und in stetig variierenden
Rhythmus gezeigt werden. Diese erzeugten Lichtblitze steigern sich im Laufe
des Films immer wieder zwischen einer Rate von 4 Blitzen pro Sekunde, bis hin
zu 24 pro Sekunde. Dadurch erreicht Conrad einen flimmernden Stroboskopeffekt,
der uns wortwörtlich halluzinieren lässt. Am Höhepunkt des Films
hat jeder konzentrierte Zuschauer seine individuelle "Flicker"-Erfahrung:
Durch die extremen Rhythmen wird direkt das zentrale Nervensystem des Menschen
angesprochen, das im Hirn Formen, Farben und Verschiebungen kreiert, die von
Vorstellung zu Vorstellung und von Zuschauer zu Zuschauer inkongruent auftreten.
Zu
Beginn steht eine Warnung. Epilepsiekranke mögen den Vorführungsraum
bitte verlassen und jede Vorstellung von "The Flicker" sollte nur
mit einem Arzt in der Nähe beginnen. Im Vorfeld des Films wurde aber bereits
bestätigt, dass sich diese erste Titelkarte nur an eine Person unter 15000
richtet. Für die restlichen, gesunden Zuschauer bleibt die Warnung kuriose
Panikmache. Die restliche Zeit des Films besteht aus den oben erwähnten
Schwarz-Weiß-Bildern, die untermalt werden von einem elektrischen Ton,
der durch Conrad ohne ein traditionelles Musikinstrument erschaffen wurde. Dadurch,
dass er an Maschinen Schaltungen vornahm, entsteht ein rhythmischer Ton, der
den hektischen Sound des Filmprojektors nachstellt.
Filmtheoretisch
ist "The Flicker" ein Meisterwerk ohne Gleichen. Er verschiebt die
Aufnahme der "Filmbilder" aus dem sensorischen Bereich, in den neuralen.
Die sensationellen Formen, Kreise, Spiralen, Rechtecke, die verschiedenen Farben
und die scheinbare Veränderung in der Größe des Bildschirms,
die durch die direkte Stimulanz unserer Physiologie hervorgerufen werden, sind
die ersten Filmbilder, die wir erst im Gehirn erschaffen, anstatt sie nur vorgefertigt
über unsere Augen erfassen. "The Flicker" ist vielleicht der
beste des strukturellen Films, eine Erhebung über jegliche Narration oder
komplizierte Produktion des Bildes, nur bestehend aus variierenden Frequenzen
zwischen Schwarz und Weiß. Ohne ein Bild, einen Plot, eine Aussage, einen
Willen zu vermitteln, fasziniert "The Flicker" durch seine einzigartige
Verschmelzung und Beanspruchung unserer ureigenen Lebensvorgänge.
Björn
Last
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
The
Flicker
USA,
1965. Regie: Tony Conrad. Kamera:
Tony Conrad. Musik: Tony Conrad. Schwarzweiß.
28 Min.
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