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Fluch
der Karibik 2
LeChucks Revenge
Die Eingeweihten haben es schon in der ersten Szene des ersten Films
gemerkt, als Orlando Bloom (ohnehin ein unterschätzter Komiker) irgendwie
tapsig und ungelenk in der Prunkvilla eines reichen Karibik-Gouverneurs herumstand
und als erste Handlung gleich mal einen Kleiderhaken abriss, den er dann hinter
seinem Rücken versteckte. Wer da nicht sofort an Guybrush Threepwood dachte,
der hatte in seiner Kindheit zwar mehr Sonne, dafür aber weniger Spaß.
Denn eigentlich war "Pirates of the Caribbean" weniger die Verfilmung einer Themenpark-Attraktion
von Disneyworld als vielmehr eine heimliche Leinwandversion des ewigen Adventure-Klassikers
"Monkey Island".
Schon der erste Teil schöpfte kräftig aus dem Motiv-Pool
dieser Videospielserie (Kneipenschlägereien, tanzende Skelette, Gefängnisausbruch
mit Hilfe des Wachhundes), und Teil zwei steht dem in nichts nach: Die Voodoo-Hütte
mitsamt durchgeknallter Hexe im Sumpf treibt dem eingeweihten Zuschauer ebenso
die Tränen der Melancholie in die Augen wie die Fechtduelle, die weniger
mit Kampfeskunst als vielmehr mit beleidigenden Sprüchen gewonnen werden.
Dazu die typische Karibikmusik mit Marimbas und Steeldrums, und dann gibt es
da natürlich noch die Rückkehr des ewig verfluchten Piratenkapitäns
LeChuck, auch wenn der hier etwas anders heißt...
Auch sonst hat man für Teil 2 kaum etwas verändert: "Menschen,
Tiere, Sensationen" lautet weiterhin das Prinzip. Brasilianer, Engländer,
Chinesen und Kannibalen mischen sich mit Hühnern, Affen, Hunden und Ziegen
zu einem bunten, charmanten Brei. Die Kampfszenen sind rasant, der Slapstick
ist frisch und gelungen, und einige emotionale Momente (wie die visuell überwältigende
Eröffnungssequenz in den verregneten Ruinen einer geplatzten Hochzeitsfeier)
zeigen, dass Gore Verbinski durchaus verstanden hat, dass für jede Achterbahnfahrt
die ruhigen Momente ebenso wichtig sind wie die johlenden Loopings.
Allerdings herrscht auch ein etwas schaler Geschmack bei diesem zweiten
Aufguss. Dies lässt sich zum Einen mit der mangelnden
Überraschung erklären - beim ersten Teil war das Stolpern und Lallen
von Johnny Depp noch Sensation, inzwischen gehört es längst zur Routine.
Zum Anderen ist dies ein Film von stolzen zweieinhalb Stunden Länge,
der durchaus schleppende Passagen hat und zudem, ganz den Gesetzen des Marktes
gehorchend, statt einem Ende nur einen Cliffhanger zum dritten Film bieten kann.
Die internationale Kritik nahm das zum Anlass, sich doch tatsächlich darüber
zu echauffieren, dass diese Fortsetzung wenig Plot und kaum Spannung zu bieten
hätte - als ob irgendwer beim ersten Teil das ganze Fluch/doch kein Fluch-Gebrabbel
verstanden hätte und tatsächlich um das Überleben der charmanten
Hauptcharaktere gebangt hätte. Nein, so eine Art Film ist das nicht und
will es auch nicht sein.
Aber was soll's? Am wahrhaft traumatischen Ende von "Monkey Island
2" stellte sich heraus, dass alles nur ein Kinderspiel auf einem Jahrmarkt
war. Na und? Hatte man deswegen weniger Spaß? Auch "Pirates 2"
entpuppt sich letztlich als wenig mehr als das Phantasieprodukt ein paar kindischer
Jungs, die in den bombastischen Kulissen des Hollywood-Jahrmarkts ihre eigene
kleine Geschichte erfinden. Aber als Ausgangspunkt für ein bisschen Sommerspaß
ist das ja manchmal sehr vielversprechend.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist (in der alten Rechtschreibung)
zuerst erschienen im:
Fluch
der Karibik 2
Pirates
of the Caribbean: Dead Man's Chest. USA 2006. R: Gore Verbinski. B: Ted Elliott,
Terry Rossio. K: Dariusz Wolski. S: Craig Wood, Stephen Rivkin. M: Hans Zimmer.
P: Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley, Stellan Skarsgård u.a.
99 Min. Fox, ab 27.7.06
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