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Der Flug des Phönix
Original und Remake im Vergleich
The Flight of the Phoenix – von Robert Aldrich (1965)
Die Neuverfilmung dieses Klassikers des Männerkinos gibt
Anlass, das Original neu zu betrachten. „Der Flug des Phönix“ ist einer
dieser Filme, die jeder als Junge geliebt hat, und der in der Erinnerung anscheinend
ewig als meisterhafter Film bestehen bleibt. Und es ist ein Werk, das Frauen
nicht kennen. Ich jedenfalls traf noch keine, die den Film schon einmal gesehen
hatte. Alle meine Freunde jedoch wussten mit Begeisterung davon zu berichten.
Denn, und das ist sicherlich ein Grund für die geschlechtlich geteilte
Rezeption: „Der Flug des Phönix“ ist, bemerkenswerterweise, ein Film gänzlich
ohne Frauen. Zu den Gründen dafür später. Die bange Frage muss
jedoch lauten: Hält der Streifen einer Neubetrachtung stand?
Zum Inhalt: Ein Flugzeug muss in der Wüste, weitab vom Kurs
und inmitten eines Sandsturmes, notlanden. Eine Gruppe von Überlebenden,
alles Männer, versucht das Unmögliche: die nächste Oase zu erreichen.
Die Story ist somit eindeutig den Genrekonventionen des Abenteuerfilms verhaftet
– diverse Figuren der Gruppe werden nicht das Happyend erleben. Die Natur, Unfälle,
bösartige Eingeborene dezimieren das dramatis personae erheblich. Dann
hat der deutsche Ingenieur Dorfmann, Hardy Krüger in seiner vielleicht
besten internationalen Rolle, die Idee, aus dem Flugzeugwrack eine neue, flugfähige
Maschine zu bauen. Im Lauf der Arbeiten stellt sich jedoch heraus, dass er zuvor
lediglich Modellflugzeuge entworfen hatte. Dennoch, das scheinbar unmögliche
wird geschafft – der Phönix fliegt und rettet seine Erbauer. Aldrich schildert
vodergründig einen stringenten, genrekonformen Abenteuerfilm. In einem
Interview mit Peter Bogdanovich schilderte er das Werk jedoch als ein „Überlebensdilemma“:
Denn: Der Subtext des Films ist interessanter, als die vordergründige Story.
Geschildert wird ein gesellschaftlcher Konflikt, welcher das Dilemma des Überlebens
erst verursacht. Es ist der Dissens zwischen dem kalt rechnenden Technokraten
Dorfmann und seinem Widerpart, dem Piloten Frank Towns (James Stewart). Dieser
Konflikt spaltet nicht nur die Zweckgemeinschaft der sehr unterschiedlichen
Individuen, sondern er ist auch eine ernsthafte Gefahr für das Überleben
der Gruppe an sich. Erst als Towns, sich dieser Gefahr bewusst werdend, sich
den Anweisungen des Ingenieurs unterordnet, werden die Arbeiten am Flugzeug
erfolgreich abgeschlossen. Als Vermittler zwischen Towns und Dorfmann fungiert
der Copilot Moran (Richard Attenborough), dessen Alkoholismus der ursprüngliche
Grund für die Fehlnavigation des Fluges war. Moran erfüllt die wichtige
Funktion des Moderators zwischen den streitenden Weltanschauungen, dies kann
er nur, weil er, sozial isoliert, bedingt durch seine Trunksucht, fernab jeglicher
Moral steht. Doch gerade aus diesem Grund hat er sich seine geistige Unvoreingenommenheit
bewahren können, die es ihm ermöglicht, den wahnwitzigen Plan des
Heinrich Dorfmann ernst zu nehmen.
Die Kontrahenten Dorfmann und Towns stehen für einen gesellschaftlichen
Dissens, der typisch für den Film der 1960 Jahre ist. Auf der einen Seite
der moderne, junge, technisch versierte, aufstrebende, das Alte hinterfragende
Akademiker. Auf der anderen Seite der konservative, ältere, traditionell
denkende und handelnde Pragmatiker. Damit steht dieser Konflikt für den
die Dekade prägenden Streit der Generationen in den 1960er Jahre: Die althergebrachte,
etablierte, saturierte Wertegemeinschaft der Elterngeneration sah sich den Anfeindungen
der Jugend gegenüber. Neue Strömungen dieses allgemeinen Generationenkonflikts
gab es als Echo auf die Realität nicht nur im Film, sondern auch in der
Musik, der bildenden Kunst, dem Theater – es war die Geburt der Pop-Kultur als
dominierende kulturelle Strömung der sich formierenden Gegengesellschaft
(Mehr dazu hier). Heinrich Dorfmann, mit seinem Willen, nicht anzuerkennen,
dass es keinen Unterscheid zwischen dem Bau eines Modellflugzeugs und einem
echten Flieger macht, ist ein Paradebeispiel dafür: für die Jugend,
die ihre Regeln selber macht und an die Gesetze der Alten nicht mehr glaubt.
Und Towns muss es irgendwann zugeben: dass Dorfmann fast immer Recht hat. Was
ihn nur mehr erzürnt. Moralisch jedoch scheint Towsn der Überlegene,
Dorfmanns kaltes Wissen und Kalkül sind faktisch korrekt, moralisch jedoch
fragwürdig. Die Lehre, die der Film aus dem Widerstreit der Weltanschauungen
zieht, ist eine einfache: Nur die Überwindung des gesellschaftlichen Schismas
ermöglicht es der Gemeinschaft, zu überleben. Teamarbeit ist es, die
den Erfolg bringt, nicht das überlegene Spezialwissen eines Einzelnen.
Moral und Verstand können nur in der Kombination funktionieren, alleine
für sich genommen sind sie nicht überlebensfähig.
Aldrich setzt diesen Streit auch visuell analog um – und bezieht
eine klare Position. Die Bilder des gleissenden Wüstenlichts sind Gegenpole
zu den dunklen, engen Innenaufnahmen des Flugzeugwracks und den nächtlichen
Arbeiten daran. Licht und räumliche Weite und Dunkelheit/räumliche
Enge stehen stellvertretend für den Wertekonflikt der Kontrahenten – Dorfmann
wird von der Kamera zunehmend isoliert, im Inneren des Flugzeuges gezeigt. Towns
dagegen, ganz Mann der Tat, kann auch in der menschenfeindlichen Weite der Wüste
bestehen. Ihm gehören Licht und Raum. Es ist somit ziemlich klar, auf welcher
Seite Aldrich steht! Obwohl es die Natur ist, welche der Gruppe eine mühsam
auferlegte Zivilisation abringt, schwelgt der Film kaum in Landschaftsszenen,
Panoramatotalen oder ähnlichem. Die Wüste, als Gefahr und Storyelement
allgegenwärtig, findet visuell kaum einen Nachhall in Aldrichs Film. Denn
die Wüste ist lediglich ein narratives Mittel zum Zweck, ist austauschbares
Story-Element für das Kammerspiel, das der Film eigentlich ist. „Der Flug
des Phönix“ könnte auch auf einer Insel spielen – der geschilderte
Konflikt des Films ist unabhängig vom Schauplatz. Aldrichs Kamera ist nah
dran an seinen Protagonisten, einige wenige Skizzen genügen ihm, den Charakter
einer Figur aufzuzeigen. Besonders in den Szenen der harten körperlichen
Anstrengung verharrt die Kamera lange auf den schmerzverzerrten Gesichtern,
den gerissenen Händen der müden Männer – Aldrichs Sympathie gehört
dem schuftenden Team,
zeigt die Gruppe, und ihren Erfolg. An vordergründiger
Action, oder noch prägnanter – dem Resultat daraus, nämlich dem Sterben,
ist der Regisseur nicht interessiert – die diversen Momente des Todes seiner
Protagonisten zeigt der Film nicht. „Der Flug des Phönix“ ist eine Geschichte
vom Leben, des Überlebens – die Toten selbst, die Beerdigung, die Kreuze
im Sand, sind Teil des Überlebens, und zeigt der Film. Das Sterben und
die Frauen, wie oben erwähnt, klammert Aldrich aus. Dadurch wird die märchenhafte
Parabelhaftigkeit der Story nur mehr betont – ähnlich wie in seinen meisterhaften
Filmen „Ulzanas Raid“ und „The Dirty Dozen“ – beide wurden als Kommentare zum
Vietnamkrieg verstanden. „Der Flug des Phönix“ ist nicht weniger meisterhaft
in Inszenierung, Schauspielerführung, Kameraarbeit, Dramaturgie – und ist
ein ebenso erstaunliches Echo und Kommentar zu den gesellschaftlichen Strömungen
seiner Zeit. Diesen historischen Hintergrund ausser Acht gelassen, hält
der Film einer Neubewertung durchaus stand – als ein feines, nach wie vor grossartiges
Genrebeispiel.
Flight of the Phoenix - von John Moore (2004)
Das Remake eines Films muss sich immer und prinzipiell eine grundlegende
Frage gefallen lassen: Warum? Kann die neue Version eines Filmes dem alten Sujet
neue Facetten abgewinnen? Verfolgt der Regisseur oder Produzent der Neuverfilmung
einen politischen oder künstlerischen aktuelleren Blickwinkel? Gewinnen
die Schauspieler eine andere, spannendere Chemie? Spart der Produzent so erheblich
am Drehbuch, dass sich die Kosten in den Production Values positiv niederschlagen
oder gar der Gewinn des Films leichter zu erzielen ist? Bezogen auf die aktuelle
Version des Robert-Aldrich-Klassikers kann ich diesen und einen ähnlich
gearteten Fragenkatalog nur mit einem Achselzucken beantworten. Es ist mir ein
vollkommenes Rätsel, weshalb die Neuverfilmung des Stoffes, und eines makellosen
Filmes, erneut unternommen wurde. Natürlich ist in der aktuellen Version
vordergründig alles extrem schick: Der Sandsturm überzeugend im Computer
generiert. Der Flugzeugabsturz erschreckend. Aber den Rest des Filmes sitzt
man nur fragend im Kino, und wiederholt ständig und immer resignierter
das Mantra des entgeisterten Kritikers: „Warum?“ „Warum?“.
Besticht Aldrichs Film durch eine exzellente Besetzung bis in
die kleinste Nebenrolle, wodurch das Ensemble der Überlebenden eine überzeugende
darstellerische und charakterliche Kontur und innere Spannung erhält; so
enttäuscht die Neuverfilmung auch in diesem Aspekt auf der ganzen Linie.
Dennis Quaid vermag seiner Rolle des Piloten nur die unsympathischen Seiten
abgewinnen. Doch die Dramaturgie der Geschichte verlangt, auch den professionellen
und sympathischen Zweifler herauszustellen. Der Rest des Ensembles (ein Euphemismus
eigentlich in diesem Falle) ist schlichtweg langweilig, nichts wird gewagt noch
riskiert. Die Besetzung erinnert in ihrer harmlosen Beliebigkeit an eine Fernsehserie.
Auch der Versuch, durch die Mitwirkung einer Frau der Handlung neue Dimensionen
abzugewinnen, scheitert. Denn aus den Optionen, die diese Variante ermöglicht,
machen Inszenierung und Drehbuch nicht das Geringste. Es bleibt unerheblich
und für Dramatik und Handlung vollkommen irrelevant, dass eine Frau mit
von der Partie ist. Auch die Hardy-Krüger-Rolle des Flugzeugingenieurs
ist eine enttäuschende Fehlbesetzung. Giovanni Ribisi chargiert am Rande
der Darstellung eines Soziopathen. Anstatt dass er einen selbstbewussten, technokratischen,
äusserst rationalen Denker verkörpert, verwechselt er diese Charakteristiken
– und erschafft einen kleinkarierten,, gewalttätigen und sozial unverträglichen
Spinner. Das ist, im Anbetracht der eigentlichen Aufgabe, aus Schrott ein Flugzeug
zu bauen, wirklich die denkbar ungünstigste und unglaubwürdigste Kombination
aus Eigenschaften, die man sich vorstellen kann. Der sogenannte Regisseur des
Films scheint während der Dreharbeiten nicht vor Ort gewesen zu sein –
anders kann ich mir diese desaströse Schauspielerführung nicht erklären.
Aber auch die Kontinuität der Geschichte erleidet einige herbe logische
Ausfälle. Zum Schluss des Werks verweht ein Sandsturm das Flugzeug nahezu
komplett. Dann sitzen die Protagonisten, welche zuvor im Inneren Schutz gesucht
hatten, plötzlich vor dem noch immer komplett im Wüstensand steckenden
Flugapparat. Sie möchten aufgeben, können nicht mehr, sind fertig
mit sich und der Welt. Zeit für eine dieser grossen Hollywoodreden. Die
gab es schon vorher im Film. Der Pilot hält dennoch eine fabulöse
„Nur jetzt nicht aufgeben“-Rede. Das sehen auch alle ein. Einer steht auf. Schnitt.
Das Flugzeug ist freigeschgaufelt und kann gestartet werden. Wer hat da im Schneideraum
gesessen – Dschingis Khan? Haben denn die Macher des Films überhaupt nicht
verstanden, wie wichtig das Zeigen der anstrengenden gemeinsamen Arbeiten am
Flugzeugwrack ist? Der Film hat keine Überlänge, und zehn Minuten
mehr Material hätten ihm nur gutgetan. Stattdessen wurden gerade die elementar
notwendigen
Sequenzen der harten körperlichen Arbeiten
am Flieger geschnitten. Zugunsten diverser überflüssiger Geschwätzigkeiten.
Die Originalversion hatte dagegen noch echte Dialoge, und konnte sich so die
grosspurigen Tiraden ersparen. Der gesellschaftliche Konflikt des Films von
1965 wird nicht auf die Verhältnisse von 2004 angepasst oder übertragen.
Zu Beginn wird ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber Konflikt angedeutet, denn Pilot
Towns holt die Mannschaft einer Bohrstation ab, welche nach der Schliessung
der Station ihren Job verlieren wird. Einer der Manager der Station ist im Flieger
mit dabei. Doch auch diese Möglichkeit, der Story einen Subtext oder eine
interessante zusätzliche Ebene diesbezüglich zu verschaffen, vertändeln
die Macher mehr als leichtfertig. Ich muss ernsthaft bezweifeln, dass sie die
Aldrich-Version überhaupt gesehen haben, geschweige denn verstanden. Allerdings –
ein Blick in die Credits lässt mich dann noch mehr rätseln: William
Aldrich, der Sohn von Robert Aldrich, ist als Producer mitverantwortlich für
die Neuversion. Und obendrein war er bei den Dreharbeiten des Originals auch
dabei – er hatte die kleine Rolle des Passagiers, der playboylesend, direkt
bei der Notlandung der Maschine durch herabgestürztes Bohrgestänge
zu Tode kommt. Doch dieses Zeitzeugen- und Insiderwissen merkt man dem Filmleider
auch nicht an
Offenbar war der Glaube der Produzenten sowie der Fox an ihr Werk
(dafür bürgt auch der mehrmals verschobene deutsche Starttermin) nicht
sehr gross. Das schlechte Einspielergebnis in den Staaten, wo man den Film in
der Woche vor Weihnachten 2004 auf den Markt brachte, war sicherlich auch dieser
seltsamen Entscheidung zu verdanken. Das Resultat dieser amateurhaften Marketingpolitik:
mit 2604 Kopien und dem ziemlich mauen Einspielergebnis von knapp über
5 Millionen Dollars am Startwochenende verschwand der Streifen schnell in den
Provinzkinos. Bei einem Budget von ca. 45 Mio. Dollars erwirtschaftete „The
Flight of the Phoenix“ in drei Monaten gerade 21 Mio. Dollars an den US-Kinokassen.
Zudem lieferte die Marketingkampagne einen Trailer, der wie der MTV-Clip
eines Vin-Diesel-Films (gibt’s da eigentlich einen Unterschied, fällt mir
gerade ein?) aussah. Adäquat dazu versorgte der Streifen sein knappes Publikum
mit einigen wirklich reizenden, wenn auch vollkommen unnötigen Benzinfassexplosionen.
Mit anderen Worten: die Marketingabteilung der Fox passt sich der nicht zu erahnenden
Kontur des Machwerks an, und weiß schlichtweg nicht, wie der Film zu vermarkten
ist. Das Resultat: Ein Flop auf allen Ebenen. Und die Hoffnung, mit der Vermarktung
der DVD in die schwarzen Zahlen zu rutschen. Was letztlich einiges erklärt,
aber auch nicht die grundlegende Frage: warum haben sie dieses Remake überhaupt
gemacht? Es ist ärgerlich und absolut überflüssig, und bestätigt
nur eines: die Großartigkeit des Originals.
Dirk C. Loew
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Zu "Flight of the Phoenix" (2004) gibt's im archiv mehrere Texte
Der Flug des Phoenix
The Flight of the Phoenix. USA 1965. R: Robert Aldrich. B: Lukas Heller K: Joseph Biroc.
S: Michael Luciano. M: Frank De Vol. P: Robert Aldrich. D: James Stewart, Hardy Krüger,
Richard Attenborough, Peter Finch, Ernest Borgnine, Ian Bannen, Ronald Fraser,
Christian Marquand, George Kennedy u.a. 142 Min. Erstaufführung: 18.3.1966/22.5.1972
ZDF
Der Flug des Phoenix
Flight of the Phoenix. USA 2004. R: John Moore. B: Scott Frank,
Edward Burns. K: Brendan Galvan. S: Don Zimmerman. M: Marco Beltrami. P: Fox. D: Dennis Quaid, Tyrese Gibson, Giovanni
Ribisi u.a. 113 Min. Fox Start: 7.7.05
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