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Die
Folterkammer des Hexenjägers
Roger
Corman meets Edgar Allan Poe!
Zwei
Motive ziehen sich durch den Horrorfilm vor allem klassischer Prägung:
Der Mythos des genialischen Wissenschaftlers, der sich zu zwielichtigen Experimenten
in dunkles Gemäuer zurückzieht, sowie der des melancholischen Halbwesens,
das desnächtens junge Damen - oft mit sexueller Konnotation verbunden -
in seinen Bann zieht, ziehen muss, da dies oft die einzige Möglichkeit
für das, in der Regel eher melancholische, Wesen ist, Sexualität auszuleben.
Der eine ist, gewissermaßen, der Typ "Doktor Frankenstein",
der andere seine Schöpfung, oder aber eben auch Graf Dracula, die Mumie,
der Werwolf oder ähnliches. Als narrativer Rahmen, vor allem aber auch
als Bezugspunkt dient zumeist eine nahegelegene Ortschaft: Dort kann das Böse
einfallen (oder aber auch: von dort aus kann das Böse konstruiert, ja überhaupt
erst ermöglicht werden, vgl. James Whales FRANKENSTEIN
aus dem Jahre 1931), hier können sich die - ikonografisch binnen kürzester
Zeit obligatorisch gewordenen - fackelschwingenden Lynchmobs organisieren. Meist
geht es dann gegen beide: gegen das Halbwesen, gegen den Wissenschaftler. Der
frühe Gruselfilm, wie ihn die Universal-Studios in Anlehnung an expressionistische
Ästhetiken der 20er Jahre aus deutschen Landen etablierten, führte
seine schwarz-weißen Bilder dabei zumeist ad absurdum: Zwar wurden Experiment
des Wissenschaftlers wie auch sexuelle Eskapade des Halbwesens sanktioniert
und bestraft, nicht selten aber blieb der Beigeschmack reiner Ambivalenz: Letztendlich
war der Mob nicht Abwehrhaltung gegenüber einer Bedrohung von außen,
sondern nur letztes Mittel den eigenen Fehler, den selbstgeschaffenen Terror
aus der Welt zu schaffen, die bittere Bestrafung eigener Unzulänglichkeiten
also, deren Adressat in seiner somit doch eigentlichen Opferrolle nur nochmals
unterstrichen wurde.
DIE
FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS bedient sich dieses Motivsteinbruchs reichhaltig,
nicht aber ohne Variation: Im Jahr 1756 kommt es in einer neu-englischen Siedlung
zum Äußersten, als ein Lynchmob die Machenschaften des Hexenjägers
Curwen (Vincent Price) auf seinem Schloss - dort soll er die Mädchen zu
willenlosen Sklaven verhext haben - mit den altbekannten Mitteln beendet. Selbstredend
kommt es noch auf dem Scheiterhaufen zum Verderbnis bringenden Fluch, der die
profiliertesten Fackelschwinger und ihre nachfolgenden Generationen auf ewig
verflucht. Als 110 Jahre später Curwens Nachfahre Charles Dexter Ward (ebenfalls
Vincent Price) das Gut zusammen mit seiner Gattin (Debra Paget) als Erbe, von
den früheren Ereignissen nichts ahnend, in Besitz nehmen will, schlägt
ihm, nicht zuletzt aufgrund der frappanten Ähnlichkeit mit seinem Ahnen,
die eisige Feindschaft der noch immer traumatisierten und unter dem Fluch leidenden
Dorfbevölkerung entgegen. Auf dem Schloss angekommen, tritt das Unheimliche
in den Lebensalltag des aristokratischen Paares: Der leichenblasse Gutsverwalter
entpuppt sich als zwielichtiger Geselle, ein Bildnis des alten Hexenmeisters
zieht Charles in seinen Bann, wie nicht zuletzt dieser selbst sich profund von
seiner darob so entsetzten wie ratlosen Gattin zu entfremden beginnt. Im Dorf
organisiert sich indes der offene Widerstand gegen den erneuten Bezug des Schlosses:
Curwen sei zurückgekehrt, erzählt man sich, er wolle Rache nehmen
und, nicht zuletzt, seinen dunklen Plan von einst endlich zur Vollendung bringen.
DIE
FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS stellt eine so schöne wie subtile Ausnahmeerscheinung
im Reich des klassischen Gruselfilms dar: Der fackelschwingende Mob gleich zu
Beginn erfährt im Nachhinein und gegen Ende hin Legitimität und sanktioniert
nicht mehr notgedrungen das Andere für eigentlich doch höchst Eigenes.
Wissenschaftler wie Halbwesen sind nunmehr in einer Person verschweißt,
eine Initiation, die die Kette des Unheils überhaupt erst in Gang setzt,
findet nicht mehr statt: Der Hexenjäger ist in seiner Doppelfunktion weder
missverstandenes, gehetztes Wesen, noch ein zwar wohlwollendes, der Moral indes
verlustig gegangenes Pendant zum Faust. Nein, Price verkörpert im Jahr
1963 letztendlich "das Böse" schlechthin in altbekanntem Ambiente:
Ein Ketzer, dem es nicht darum geht, der Wissenschaft zu dienen, dessen Beweggrund
einzig und allein die Macht über, wie man erfährt, eine neue Rasse,
die er zu züchten gedenkt, darstellt. Am ehesten kommt diesem Charakter
also eine sardonisch-lüsterne Mischung aus Faust und Mabuse gleich, gewissermaßen
doch dem nur wenige Jahre später diesseits der Leinwand morden lassenden
Charles Manson näher als den altbekannten, klassischen Typen. In den 30er
Jahren, zu Zeiten der großen Universal-Filme, scheint ein solcher Charaktertyp
kaum möglich, ohne aber zu weit ausholen zu wollen, scheint er nach den
Kriegserfahrungen der 40er Jahre indes zwingend nötig. Dies folgt gewiss
den ökonomischen Prinzipien des B-Movies und späteren Exploitationkinos,
für das Corman stand und steht, das sich in der Regel auf klassische Motive
und Topoi stürzt, um diese - von allerlei als Ballast Wahrgenommenen befreit,
den Kern indes sensationell aufbereitet und verdichtet - kommerziell auszubeuten.
Es bewahrheitet sich einmal mehr, dass in dieser Peripherie der Kino- und Filmkultur,
aufgrund der spezifisch-ökonomischen Bedingungen, Verschiebungen der und
Experimente mit Genreregularien noch am ehesten möglich gewesen sind.
Doch
auch jenseits dessen entwickelt DIE FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS Charme:
Eine liebevolle Ausstattung, eine subtile wie effiziente Kameraführung
und Farbgebung sorgen für ästhetischen Genuss, Vincent Price, neben
den Klassikern Lugosi und Karloff und den Erben Cushing und Lee einer der ganz
großen des Genres (und wie diese auch darin gefangen), formuliert die
überaus dynamische Ambivalenz seines schizophren pendelnden Charakters
mit seiner ganz eigenen, eleganten Grazie aus und wertet den Film (wie nicht
wenige, weit weniger gelungene Genrefilme) schon allein mit seiner physischen
Präsenz auf. So ist DIE FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS ein würdiger
Einstand der Poe-Reihe, der hoffentlich noch weitere, ähnlich gelungene
wie unterhaltsame Teile folgen werden.
Zur
DVD:
Für
einen Film diesen Alters lässt die Umsetzung auf Konserve aus Hause e-m-s
kaum Wünsche offen: Das anamorphe Bild ist scharf, die Farben sind satt,
der Kontrast dynamisch und zufriedenstellend. Der Sound ist dem Alter gemäß
sicher nicht mit DVD-Editionen jüngerer Filme vergleichbar, in seinem filmhistorischen
Rahmen aber absolut befriedigend. Die Bonus-Sektion wurde mit Liebe bedacht:
Neben dem Trailer findet man verschiedenen Variationen bisheriger deutscher
Editionen im TV oder auf Konserve der im übrigen sehr schönen Titelsequenz,
umfangreiche, genau recherchierte Bio- und Filmografien bringen die an der Produktion
Beteiligten dem Rezipienten näher, allein eine Bildergalerie mit selten
Aushangfotos und Plakaten - erfahrungsgemäß in dieser Filmgattung
ein ganz besonderer, ästhetischer Genuss - weiß nicht so recht überzeugen:
Zwar ist die Zusammenstellung sehr umfangreich, die Bilder kommen aber derart
klein formatiert - pro Tafel zwei Stück - kaum zur Geltung. Man hätte
sie sich eher sorfältig aufbereitet als Dreingabe in einem Booklet zur
DVD gewünscht. Alles in allem aber eine gelungene, auf später folgende
Titel der Reihe appetitmachende Edition.
Thomas
Groh,
2003
Diese Kritik erschien zuerst auf der Website der Zeitschrift: F.LM - Texte zum Film
Die
Folterkammer des Hexenjägers
The
Haunted Palace
USA
1963,
Regie
und Produzent: Roger Corman
Drehbuch:
Charles Beaumont, Francis Ford Coppola (uncredited) nach Motiven von Edgar Allan
Poe und H.P. Lovecraft
Kamera:
Floyd Crosby
Schnitt:
Ronald Sinclair
Darsteller:
Vincent Price, Debra Paget, Lon Chaney, u.a.
DVD-Anbieter:
e-m-s GmbH
Lauflänge:
ca. 84 Minuten
Internet
Movie Database
http://imdb.com/Title?0057128
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