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Football
under cover
Die deutsch-türkische
Frauen-Amateurmannschaft BSV AL-Dersimpor spielt in Teheran gegen das iranische
Frauen-Nationalteam: Wie es dazu kommt, erzählt der Dokumentarfilm "Football
under cover".
Eine so einfache wie unwahrscheinliche
Geschichte: Ein Berlin-Kreuzberger Amateur-Frauen-Fußballteam setzt sich
in den Kopf, in Teheran gegen die iranische Frauennationalmannschaft zu spielen.
Genauer gesagt: Marlene Assmann, Mitglied des Berliner Vereins, setzt es sich
in den Kopf. Aber nicht einfach so. Assmann studiert an der Potsdamer Filmhochschule,
beim Berlinale Talent Campus hat sie den Iraner Ayat Najafi kennengelernt. Die
beiden planen das Fußballduell als Filmprojekt. Die Kamera ist von Anfang
an dabei, ohne Film kein Spiel, ohne Spiel keine Dokumentation. Der Film, das
sagen die Macher selbst, bringt seinen Gegenstand selbst hervor, er beobachtet
nicht etwas, das es ohne ihn (mindestens: fast) genau so auch gäbe.
In seiner Form ist "Football
under cover" auf den ersten Blick recht konventionell. Vorgestellt werden
Protagonistinnen hier - in Berlin - und da - in Teheran. Unter anderen die muslimische
Susu, Stürmerin des BSV AL-Dersimpor, etwa (in Berlin), die lieber Witze
über ihr Jungfernhäutchen macht als sich an orthodoxe Vorschriften
zu halten. Und die erstaunlich kühne Niloofar (in Teheran), die darauf
besteht, als Junge verkleidet im Park Fußball zu spielen und zuhause vor
der Kamera ohne Kopftuch aufzutreten. Was beide verbindet: Sie entwerfen für
die Kamera ein Bild ihres privaten Selbst. Susu aber kokettiert und Niloofar
ist es sehr ernst. Diese Asymmetrie durchzieht den ganzen Film und in ihr liegt
vielleicht die tiefste Wahrheit über den Unterschied zwischen einer liberalen
und einer unfreien Gesellschaft. Für die deutsche Mannschaft sind das Spiel
und der Film ein Abenteuer, eine interessante Erfahrung, mehr nicht. Für
die iranische Seite wird alles, das Öffentliche und das Private, vor allem aber die
Grenze zwischen beidem, zum Politikum.
An genau dieser Grenze ist der
iranische gender
trouble
angesiedelt, der am Beispiel Fußball exemplarisch ausagiert wird. Das
war schon in Jafar Panahis Film "Offside" so, der von der vergeblichen Anstrengung junger Frauen
erzählte, sich als Zuschauerinnen in ein Fußballstadion zu schleichen.
Die Frau darf nicht ins Stadion, denn, so die sexistische Konstruktion der religiösen
Ideologie, sie ist von sich aus zu schamvoll, um das ungesittete Verhalten der
Männer als Fans ertragen zu können. Und sie darf auch nicht vor Männern
Fußball spielen, weil sie damit unweigerlich und aller Verdeckung zum
Trotz, ihren Körper öffentlich macht. Die Frau darf, kurz gesagt,
nicht als Subjekt von Verführung, Begehren oder ausdrücklicher Lust
auftreten - jedenfalls nicht vor männlichen Augen. Beim Fußballspiel
der beiden Frauenmannschaften potenzieren sich dementsprechend die Probleme
und erweist sich auch die Unhaltbarkeit der ganzen absurden Ideologie der als
Verehrung getarnten Verachtung für die Frau, die immer auch "vor sich
selbst" in Schutz genommen werden soll.
Darum werden die Männer aus
dem Stadion ausgeschlossen. Das genügt aber nicht. Sittenwächterinnen
sollen noch da, wo die Frauen unter sich sind, dafür sorgen, dass sie nicht
über die Stränge schlagen. Natürlich tun sie aber genau das.
Sie jubeln, sie protestieren, sie fordern in Sprechchören die Gleichberechtigung
der Frau. Und sie verbünden sich mit der antizipierten Öffentlichkeit,
die in Form der - in dieser Situation von Frauen geführten - Kamera eben
doch anwesend ist. "Football under cover" ist - und daneben verblasst
seine ganze Konventionalität - ein Film, dem die vielfache Instrumentalisierung
der Kamera immer eingeschrieben bleibt. Marlene Assmann benutzt die Sensation
des Matches gegen die iranische Frauennationalmannschaft für das Filmprojekt.
Und sie benutzt den Film, um dieses Spiel überhaupt zustande zu bringen.
Niloofar nutzt das Medium, um sich sehr selbstbewusst als widerständiges
Subjekt zu definieren. Und die Zuschauerinnen im Stadion nutzen die Kamera,
um für ihre Rechte zu demonstrieren. Nur das Regime weiß nicht genau,
was tun. Seine Vertreter sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die
ganze Angelegenheit loszuwerden und der Anstrengung, sie doch zuzulassen, um
in den Augen der Welt - die sie hinter der Kamera vermuten - nicht allzu schlecht
dazustehen. Dieses Kräftefeld, in dessen Zentrum die Kamera steht, zu beobachten,
ist der eigentlich spannende Schauplatz dieses Films.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 23.04.2008. im: www.perlentaucher.de
Football
under cover
Deutschland
2008 - Regie: David Assmann, Ayat Najafi - Darsteller: (Mitwirkende) Niloofar
Basir, Narmila Fathi, Sanna El-Agha, Paraskevi Boras, Marlene Assmann, Ayat
Najafi, Hüseyin Karaduman - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge:
86 min. - Start: 24.4.2008
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