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Früchte
der Liebe
Ventura
Pons erzählt eine schwule Liebesgeschichte
Es
ist wohl die Gleichzeitigkeit von Gewöhnlichem und Wunderbarem, die Quasare,
Milchstraße und Großen Wagen im Kino immer wieder zu vermittelnden
Geheimzeichen für die Mysterien des Alltäglichen werden lässt.
Auch in Ventura Pons' Früchte
der Liebe
kommen die Sterne zum Einsatz, allerdings erst zum Ende des Films: Da leuchtet
Ganymed als Sternbild am Himmel von Pauls Studentenbude, damals wegen seiner
Schönheit von Zeus zum Mundschenk der Göttertafel erkoren.
In
der Filmwelt des katalanischen Regisseurs geht es einige Nummern irdischer und
doch recht zeusianisch zu: Sein Götterknabe ist ein aufstrebender Klavierschüler,
der sich seine ersten Konzert-Meriten mit Notenumblättern verdient; sein
Zeus ein arrivierter britischer Klaviergott, nicht ganz oben im Olymp, doch
immerhin soweit, dass seine Einspielungen von Brahms und Schubert die Plattenläden
der Welt bedienen. Gleich bei der ersten professionellen Begegnung verfällt
Kennington dem so wohlerzogenen wie wohlgebauten Knaben. Der Klavierschüler
Paul (Kevin Bishop) ist mehr von musikalischer Verehrung getrieben und hat zudem
eine fürsorgliche Mama am Hosenzipfel. Doch unempfindlich für das
Interesse ist er nicht, und so wartet das Begehren mit scheinbarer Geduld auf
Gelegenheit zum Ausbruch.
Sechs
Monate muss es warten: Da läuft dem jungen Paul der Pianist erneut über
den Weg - als Konzertplakat beim Urlaubstrip in Barcelona. Das Konzert ist schon
vorbei, aber die Mutter hat Paul immer noch im Schlepptau. Doch er schafft es,
Kennington in seinem Hotelzimmer ausfindig zu machen und bald stecken die beiden
in einer Liebesgeschichte mit höchst ungewissem Ausgang. Paul ist total
verliebt, Kennington (Paul Rhys als auf klassisch-genialisch getrimmte Michael-Jackson-Variante)
mit Hündchen und Londoner Luxuswohnung in festen Händen. Und die überdrehte
Mama macht dem Jungen mit zwanghafter Übermutterung den Weg ins Erwachsenenleben
nicht leichter.
Schwule
und Chopin, Knaben und edle Gönner, homosexuelles Erwachen und hysterische
Mütterlichkeit. Leicht lässt sich vorstellen, was andere Regisseure
mit der Romanvorlage von David Leavitt angestellt hätten; etwa aus einer
komischen Standardszene, in der Pauls Mutter solo im Hotelzimmer von Pauls Liebhaber
eintrudelt, weil sie in heterosexueller Verkennung die Aufmerksamkeit des Mannes
selbstverständlich auf ihre Weiblichkeit bezieht. Dümmliche Comedy
hätte daraus werden können, hier geht die Szene wirklich zu Herzen.
Und auch sonst gelingt dem 1945 geborenen Ventura Pons in seinem ersten englischsprachigen
Film eine sympathisch unaufgeregte, differenzierte und warmherzige Geschichte
von der Lust der - auch erotischer - Entdeckungen und dem Verlust jugendlicher
Unschuld - nicht nur in sexueller Hinsicht. Dabei lässt der Filmemacher
keine seiner Figuren ungeschoren davonkommen, schickt aber auch keine gänzlich
in die Hölle. Richtig heiß und kalt wird es trotzdem, denn Ventura
Pons inszeniert seine Charaktere auf den Punkt und bringt dabei genau die emotionale
Unbedingtheit mit ein, die er auch von seinen Figuren fordert. Und Aufrichtigkeit
ist nie lauwarm, Präzision auch nicht.
Silvia
Hallensleben
Eine
symphatische und intelligent inszenierte Coming-out-Tragikomödie, die keineswegs
nur ein schwules Publikum bewegen und betreffen dürfte.
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Food
of Love
Spanien/Deutschland
2001. R: Ventura Pons. B:
David Leavitt. P:
Ventura Pons. K: Mario Montero. Sch:
Pere Abadal. M: Carles Cases. T:
Boris Zapata. A: Bello Torras. Pg:
ELS Films de La Rambla/42nd Street/FFP Media Entertainment. V:
Salzgeber. L: 112 Min. DEA: Berlinale 2002. Da: Kevin Bishop (Paul), Paul Rhys
(Richard Kennington), Juliet Stevenson (Pamela), Geraldine McEwan (Novotna),
Allan Corduner (Joseph Mansourian).
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