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Funny
Games
Der
entscheidende Satz zu "Funny Games" kommt vom Regisseur: „Ich versuche
Wege zu finden, um Gewalt als das darzustellen, was sie immer ist, als nicht
konsumierbar. Ich gebe der Gewalt zurück, was sie ist: Schmerz, eine Verletzung
anderer."
"Funny
Games" ist ein unerträglicher Alptraum. Deshalb müßte man
allen Horror- und Gewaltfans zumindest eine Sichtung des Film verschreiben -
ohne Chance zur Flucht. Ein Familie fährt in Urlaub, alles ganz normal,
außer daß ihr Urlaubshäuschen anderswo als üppige Villa
durchgehen würde. In den Alltag mit nervigen Details und Routinen brechen
zwei klebrig freundliche Jungens mit weißen Handschuhen (a la "Clockwork
Orange"?)
ein, die irgendwann den Spaß an der latenten Gewalt verlieren und die
Familie in ihrem eigenen Ferienhaus kidnappen. Sie kann noch bis zum Morgen
überleben - wenn sie sich gut benimmt.
Die
Bestandteile des Thrillers - Messer, Golfschläger, Handy, Beil, abgeschlossener
Raum - sind deutlich im Bild. Doch mit der Form des Genres unterläuft "Funny
Games" dessen simplifizierende Mechanismen. Die sadistischen und sarkastischen
Drecksschweine Peter und Paul (oder wie auch immer sie heißen mögen)
wenden sich direkt ans Publikum: "Sie sind doch auf ihrer Seite?"
und "Ist es schon genug? Wir sind noch unter Spielfilmlänge. Sie wollen
doch ein richtiges Ende mit plausibler Entwicklung?" Michael Hanekes schockierende
"Funny Games" sind nicht unerträglich spannend. Das träfe
auf den üblichen Thriller zu. Sie sind spannend, unerträglich und
gnadenlos. Nach dem Tod des Jungen läßt Haneke das schreiende Grauen
minutenlang im Bild stehen. Hilflos müssen Eltern und Publikum den Tod
des Sohnes vor ihren Augen ertragen. Eine Chance auf Rettung spult Paul mit
einer herumliegenden Fernbedienung für den Videorecorder wieder zurück.
Die Frage "Warum tut ihr das?" wird mit den üblichen soziologischen
Klischees verhöhnt und bleibt im ganzen Film unbeantwortet. Hinzu kommt
eine gnadenlose Musik von John Zorn und Bone Head.
Cineastisch
bietet der Horror, den mehrere österreichische Urlaubsfamilien nicht überleben,
wenig. Doch das hochintensive Spiel von Susanne Lothar und Ulrich Mühe
als Eltern bereitete das intensivste Filmerlebnis im Wettbewerb von Cannes 1997.
Eine kluge, unerträgliche und rettungslose Gewaltdemonstration mit ungewöhnlichen
Mitteln. Regisseur und Hauptdarsteller bilden ein eingespieltes Team: Zuletzt
versuchten sie gemeinsam, "Das Schloß" von Kafka zu erreichen,
mit dem mörderischen "Benny's
Video"
mußte sich Mühe als Vater des moralisch haltlosen Benny auseinandersetzen.
Aufwühlen
und die Gewalt in den Medien thematisieren konnte der Österreichers Michael
Haneke schon mit Meisterwerken wie "Der
siebente Kontinent"
(1988), "Benny's Video" (1991) und "71
Fragmente einer Chronologie des Zufalls"
(1993). Neben dieser Trilogie drehte er auch die Literaturverfilmungen "Die
Rebellion" (1992, nach Joseph Roth) und "Das Schloß" (1997,
nach Kafka).
Günter
H. Jekubzik
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt es im Archiv mehrere Kritiken
Funny
Games
Österreich
1997 (Funny Games) Buch und Regie Michael Haneke, mit Susanne Lothar, Ulrich
Mühe, Arno Frisch, Frank Giering, Stefan Clapczynski
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