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Funny
Games U.S.
Ein
kleines bisschen Erziehungsdiktatur
Michael Haneke, europäischer Autorenfilmer
(„Code
unbekannt“, „Caché“), debütiert spät – der Österreicher
ist pensionsreifer Jahrgang 1942 -, mit einem Remake seines Films „Funny Games“ (1997) auf dem us-amerikanischen Markt.
Natürlich geht es ihm nicht um Karriere! Haneke wäre nicht Haneke,
täte er diesen Schritt nicht im Bewusstsein, damit der Menschheit einen
Dienst zu erweisen. Der Menschheit? Na ja, eher der Minderheit, die das Kino
als moralische Anstalt begreift und ab und zu Lust auf ein kleines bisschen
Erziehungsdiktatur verspürt. Wir erinnern uns: „Funny Games“ erzählt
die Geschichte einer wohlsituierten bürgerlichen Kleinfamilie, die in ihrem
Feriendomizil zwei Jugendlichen mit vorzüglichen Manieren in die Hände
fällt, die mit perfider Lust ein mörderisches Spiel initiieren. Ohne
Happy End! 1997 wurde Haneke nicht müde, seine kühl inszenierte und
mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar exquisit besetzte Attacke auf den Kinobesucher
als »schwarze« Medienpädagogik zu verkaufen: „Wer im Kino sitzen
bleibt, braucht den Film. Wer das Kino vorzeitig verlässt, braucht ihn
nicht!“ Was edelmütig klingt, ist blanker Zynismus, denn der Kulturkritiker
geht selbstverständlich davon aus, dass die meisten Zuschauer sich an der
Gewalt delektieren werden. „Funny Games“ wurde seinerzeit kontrovers diskutiert,
im Fernsehen wiederholt ausgestrahlt, natürlich auf DVD veröffentlicht,
nur mit den Zuschauerzahlen haperte es. Wer bezahlt schon gerne Eintritt, um
sich arrogant abkanzeln zu lassen! Dass der Film sein Publikum nicht erreicht
habe, gab Haneke früh zu, zielte doch sein „Anti-Tarantino“-Statement ohnehin
auf das stupide US-Publikum, das bedenkenlos Gewalt konsumiere. Konsequent,
wenn der erklärte Hollywood-Kritiker die Gelegenheit nutzt, „Funny Games“
neu zu verfilmen – mit Stars wie Tim Roth, Naomi Watts und Michael Pitt. Das
Problem aber bleibt: Haneke zielt auf eine Kritik des US-Mainstreams mit den
Mitteln des Kunst-Kinos, weshalb sein ach so aufklärerischer Impuls erneut
verpufft. Kein Mensch (höchstens das Premierenpublikum), dies galt bereits
1997, geht »unschuldig« und ahnungslos in diesen Film, ein jeder
weiß, zumal in Zeiten des Internets, worauf er sich einlässt. Wer
hier davon schwadroniert, dass der Zuschauer hier dem Filmemacher in die perfide
gestellte Falle geht, ist dem Film bereits auf den Leim gegangen, ist unbemerkt
Teil der PR-Maschine von „Funny Games“ geworden. Warum wir Europäer uns
das Remake, das sich Einstellung für Einstellung, Detail für Detail
am Original orientiert, ein zweites Mal antun sollen, bleibt zudem rätselhaft.
Spannend dagegen, dass die US-Kritiker anders als ihre zumeist dem Autorenfilmer
gewogenen europäischen Kollegen sich Haneke selbst zur Brust genommen haben
und darauf verwiesen, dass seine radikale Kulturkritik die eigene Person konsequent
ausspare, obwohl er doch Herz und Hirn der sadistischen Konstruktion sei. Zudem
träfe der Film in den USA – wenn Hanekes Modell denn funktionieren würde
- auf ein Publikum, dass „Funny Games“ wohl als Plädoyer für Selbstbewaffnung
begreife. Besonders entlarvend allerdings ist Hanekes Annahme, seine Wahrheit(en)
seien zeitlos. Doch 2008 ist nicht 1997, nicht in der Lebens-, auch nicht in
der Kinowelt, wo torture porn wie „Hostel“ oder „Saw“ populär ist. Die mediale Selbstreflexion
von Gewaltpornografie ist längst Teil des Mainstreams. Hätte Haneke
dies auch nur in Ansätzen bemerkt, hätte er „Funny Games“ entschieden
verändern müssen. So aber verfehlt der bös gemeinte Film ein
viertes Mal sein Publikum. Was wir, ehrlich gesagt, diesem eitlen und selbstgefälligen
Kulturkritiker, der sich einen Dreck für die Gesellschaft interessiert,
über die er philosophiert, von Herzen gönnen. Dieser Fisch stinkt
vom Kopf her.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist in ähnlicher Form auch in der Stuttgarter Zeitung erschienen
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
FUNNY
GAMES
USA
/ F / D / IT 2007.
R, B: Michael Haneke. P: Chris Coen, Hamish McAlpine, Hengameh Panahi, Christian
Baute, Andro Steinborn. K: Darius Khondjl. Sch: Monika Willi. A: Kevin Thompson.
Pg: X Filme/Halycon/Celluloid Dreams/Tartan/LuckyRed. V: X Verleih. L: 112 Min.
FSK: Kl, ff. Da: Naomi Watts, Tim Roth, Michael Pitt, Brady Corbet,
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