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The Game
Schwaches
Spiel
Als ob Gordon Gekko aus "Wallstreet"
in David Finchers Arme gelaufen wäre - so bewegt sich Michael Douglas als
Investmentbanker Nicholas van Orton durch ein Spiel, das ihm sein Bruder zum
48. Geburtstag schenkt. Ein ganz anderer Typ, dieser Conrad van Orton (Sean
Penn). Doch bevor wir überhaupt mehr von Conrad erfahren, lässt ihn
Fincher mehr oder weniger in der Versenkung verschwinden. Denn "The Game"
steht ganz im Zeichen von Nicholas - und von sonst niemandem. Da deutet Fincher
an: den Selbstmord des Vaters vom Dach des eigenen Hauses, die strenge Erziehung
von Nicholas, damit er das wird, was er jetzt ist. Und entsprechend fertigt
er seine Ex-Frau Elizabeth (Anna Katarina) am Telefon ab, wie reiche Leute wohl
nur ihr Personal "behandeln". Aber das war's dann auch schon an Hintergrund.
Conrad hingegen scheint ganz anders als sein Bruder, leichtfüßig,
vielleicht schwach, ziellos und in keiner Weise so erfolgreich wie Nicholas.
Doch spielt das alles eine Rolle
in "The Game"? Nein. Es ist nur Makulatur. Und der Konflikt zweier
Brüder nur rohe Kulisse für ein Spiel, das zum Zentrum des Geschehens
wird. Veranstalter: Die Fa. Consumer Recreation Services, die sich in irgendeinem
Hochhaus eingerichtet hat. Deren Mitarbeiter Feingold (James Rebhorn) erklärt
Nicholas das Spiel erst gar nicht. Er drückt ihm Fragebögen in die
Hand und schickt ihn zum betriebseigenen Arzt, der ihn stundenlang unter die
Lupe nimmt. Warum Nicholas sich überhaupt auf das Spiel einlässt,
weiß kein Mensch. Neugier? Langeweile? Einsamkeit? Nervenkitzel?
Und als ihm eine weibliche Stimme
am Telefon auch noch verkündet, sein Antrag auf Teilnahme am Spiel sei
abgelehnt, ist der knallharte Investmentbanker, der gerade noch den Verleger
Baer (Armin Mueller-Stahl) ohne Skrupel gefeuert hatte, leicht verwirrt - ohne
zu ahnen, dass auch diese Ablehnung Teil des Spiels ist.
Im folgenden gerät Nicholas
Leben erst leicht, dann immer deutlicher in Unordnung. Er findet eine Clown-Puppe
mit eingebauter Kamera und einem Schlüssel. Ein Ansager im Fernsehen spricht
plötzlich direkt mit ihm. Sein Aktenkoffer mit wichtigen Papieren lässt
sich nicht mehr öffnen. Eine Kellnerin kippt ihm Wein über den dollarschweren
Anzug und wird prompt entlassen. Alles nur Spiel ?! Auf der Straße fällt
ihm ein Mann ohnmächtig vor die Füße. Als er mit der besagten
Kellnerin namens Christine (Deborah Kara Unger) den scheinbar (?!) Verletzten
im Krankenwagen in nächste Hospital begleitet, verschwinden dort alle Leute,
das Licht geht aus und der Fahrstuhl bleibt stecken - bis Nicholas merkt, dass
der Schlüssel vom Clown den Fahrstuhl wieder in Gang setzen kann.
So jagt ein scheinbares Missgeschick
das andere, nebst Hotelsuite, die unaufgeräumt ist und in der Nicholas
Dutzende von Fotos findet. Auch die Toilette läuft über. Und so weiter
und so fort. Aus kleinen Unglücksfällen werden große, aus Unfällen
werden lebensbedrohliche Situationen, etwa wenn er eingeschlossen in einem Auto
im Wasser landet - und last but not least sind Nicholas Konten von einer Sekunde
auf die andere - abgeräumt.
Spiel? Aber wozu? Ist es Conrad,
der sich an seinem Bruder rächen will? Oder ist es die ominöse CRS,
die Nicholas Bankkonten abräumen will? Oder ist es der Bruder, der Nicholas
eine Lehre erteilen will? Und welche Rolle spielt Christine? Teil des Spiels
oder zufällig in es hinein geschlittert?
Man kann Fincher kaum vorhalten,
er hätte kein düsteres Design geschaffen für eine düstere
Handlung mit einem finsteren Kerl, der auf Seiten der finanzkräftigen,
ebenso finsteren Mächte des Kapitalismus steht. Und natürlich findet
am Schluss eine Läuterung statt - so ungefähr nach dem Motto: Geld
ist doch nicht das Wichtigste im Leben. Schön geschlussfolgert, aber eben
nach schlechter Hausmacherart, das heißt klischeebeladen bis zum Abwinken.
Ich weiß ja nicht, wie es anderen ging und geht, wenn sie "The Game"
schauen. Aber irgendwie war mir spätestens nach den ersten beabsichtigten
"Missgeschicken" so gut wie alles klar. Es läuft, strikt nach
Muster, und das nimmt dem Geschehen nicht nur ein gutes Maß an Spannung,
sondern auch an Glaubwürdigkeit. Das Gekünstelte an Finchers Film
kulminiert in einem riskanten Sturz, der zum Spiel gehört und auch durch
Nicholas getesteten, perfekten Gesundheitszustand kaum zu rechtfertigen ist,
es sei denn, man (sprich: CRS bzw. Conrad) kalkuliert den Tod als zumindest
minimale Möglichkeit ein.
Am Schluss erweist sich, dass
das Spiel derart von vorne bis hinten durchgeplant ist, dass es dem Zufall keinen
Raum lässt bzw. den Zufall sogar mit einkalkuliert. Das ist mit Verlaub
nichts anderes als lebensfremd. Mag sein, dass Nicholas skrupellos und gefühlskalt
ist. Dumm ist er jedenfalls nicht. Das aber wiederum bedeutet, dass ein noch
so ausgeklügeltes und riskantes Spiel, das jemand ungeahnten Situationen
aussetzen will, nie so perfekt daher kommen und ausgehen kann, dass man nicht
mit unvorhersehbaren Reaktionen des Geleimten rechnen müsste. Davon aber
ist in "The Game" kaum etwas zu verspüren. Und wenn, dann bekommen
es die Macher des CRS immer wieder hingebogen - selbst am Schluss in der wohl
kritischsten Situation des Spiels.
Sicher, Fincher spielt mit der
Frage: Wie konstruieren wir unsere Welt? Was bedeutet Realität? Aber letztendlich
sind bereits zu Anfang die Chancen, dass hier - etwa wie in den Matrix-Filmen
- die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen und Fincher sein
Publikum in ein entsprechendes Unwohlsein entlässt, gering. Nicht nur das
eindeutige, sozusagen, wie die Mathematiker sagen: eineindeutige Ende, das eine
unwiderlegbare Auflösung der Geschichte präsentiert, deuten auf all
zu viel Konstruktion des Konstruktiven, die in der Story hätte liegen können.
Alles und alle werden dieser gekünstelt wirkenden Konstruktion geopfert
- selbst Michael Douglas. Außer ihm sind sowieso alle Figuren reine, mehr
oder weniger bessere Statisten - auch und gerade Sean Penns Conrad und Deborah
Kara Ungers Christine. Und Douglas? Er wird zum Spielball eines Drehbuchs, statt
zur agierenden Personen zu werden, hinter der man das Drehbuch nicht mehr erkennt.
Fincher, der sich dem Thema Realitätskonstruktion
widmet, stellt sich damit selbst eine Falle - ganz anders als etwa in "Panic
Room",
"Fight Club" oder "Se7en",
Filmen, in denen es ihm gelungen ist, diesem Thema auf ganz unterschiedliche
Weise jeweils viel abzugewinnen. "The Game" hat seine spannenden und
geheimnisvollen Momente. Doch die sind spärlich, und auch Michael Douglas
gute Performance kann an diesem Urteil nicht viel ändern. Die Makulatur
des psychologisch nur leicht anfangs des Films angedeuteten Konflikts zwischen
zwei Brüdern kehrt am Schluss ebenso mager und enttäuschend wieder.
Die Erleichterung der nach der Auflösung des Rätsels verpufft sekundenschnell
in Enttäuschung. Schade.
Wertung: 5 von 10 Punkten.
Ulrich Behrens
Dieser Text
ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
The Game
(The Game)
Regie: David Fincher
Drehbuch: John D. Brancato, Michael Ferris
Musik:
Kamery: Harris Savides
Schnitt: James Haygood
Produktionsdesign: Jeffrey Beecroft
Darsteller: Michael Douglas (Nicholas van Orton), Sean Penn (Conrad
van Orten), Deborah Kara Unger (Christine), James Rebhorn (Jim Feingold), Peter
Donat (Samuel Sutherland), Carroll Baker (Ilsa), Anna Katarina (Elizabeth),
Armin Mueller-Stahl (Anson Baer), Charles Martinet (Nicholas Vater), Scott Hunter
McGuire (der junge Nicholas), Florentine Movanu (Nicholas Mutter), Elizabeth
Dennehy (Maria), Caroline Barclay (Maggie)
© Ulrich Behrens 2005
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